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Free AccessEditorial

Medizin in Afrika – eine dynamische Geschichte

Published Online:https://doi.org/10.1024/1661-8157/a003353

Das Bevölkerungswachstum auf dem afrikanischen Kontinent ist grösser als überall sonst auf der Welt. Berechnungen fürs Jahr 2100 projizieren fünf afrikanische Staaten unter die zehn bevölkerungsreichsten Länder: Nigeria, Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Tansania und Ägypten (Abb. 1). Verbesserte Ernährungssituationen, Lebensbedingungen und Hygiene tragen zudem zu besserer Gesundheit und verlängerter Lebenserwartung bei, auch wenn diese Effekte sehr ungleich verteilt sind [1]. Die Verfügbarkeit antiretroviraler Medikamente und die damit verbundene dramatische Reduktion der HIV/AIDS-bedingten Todesfälle sowie der HIV-Neuinfektionen hat die Lebenserwartung in einigen afrikanischen Ländern, z.B. Südafrika, am nachhaltigsten gesteigert [2].

Abbildung 1 Projektion der Globalen Bevölkerungszunahme bis zum Jahr 2100. (https://ourworldindata).

Diese Veränderungen haben drastische Implikationen für das Gesundheitswesen: Einerseits steigt der Bedarf an Gesundheitsressourcen durch die grössere Anzahl Menschen, andererseits kommen zu den akuten Krankheiten – v.a. Malaria, Durchfallerkrankungen und Atemwegsinfektionen – zunehmend chronische, Alters-assoziierte Leiden hinzu – in erster Linie kardiovaskuläre Erkrankungen und Malignome. Eindrücklich zeigt sich dies z.B. in Tansania. In diesem Land ist dieses Jahr HIV/AIDS erstmals nicht mehr an erster Stelle der Mortalitätsstatistik, wenn auch weiterhin eine der wichtigsten Krankheiten (Abb. 2). Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Nierenversagen und Diabetes – bis heute oft unterdiagnostiziert und unbehandelt –rücken mehr in den Fokus [3]. Tuberkulose bleibt eine häufige Infektion, v.a. im Kontext einer HIV-Infektion, aber auch bei Malnutrition. Die Ausbreitung der Tuberkulose – nicht zuletzt auch in den rasch wachsenden Metropolen, wo viele Menschen auf engem Raum leben – fordert innovative Massnahmen, um mit einer frühen Diagnose und Therapie die Krankheit zu kontrollieren [4].

Abbildung 2 Häufigste Todesursachen Tansania 2007–2017 (http://www.healthdata.org/tanzania).

Die strukturell meist schwachen Gesundheitssysteme, die zu einem grossen Teil aus katholischen Missionsstationen entstanden sind, können diesen Herausforderungen nicht mehr nachkommen. Zentral waren die Bekämpfung von Epidemien wie Malaria, HIV und Tuberkulose. Die HIV-Pandemie forderte neue Strukturen, die in vielen Ländern, wenn auch noch ungenügend, erstellt wurden. Die zusätzliche Belastung mit chronischen nicht-übertragbaren Krankheiten bringt neue Herausforderungen. Erfreulicherweise arbeiten nun einige Länder stark in Richtung einer universellen Krankenversicherung [5], um eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitssystems zu gewährleisten. Der Mangel an Gesundheitsfachkräften wurde von der WHO 2010 mit einem Defizit an Ärzten von 0,9 Millionen für Subsahara-Afrika beziffert [6]. 2014 gab es in Tansania zum Beispiel 0,399 Ärzte pro 100 000 Einwohner (in der Schweiz waren es im selben Jahr 41). Die Aus- und Weiterbildung von afrikanischen Ärzten und anderen im Gesundheitswesen tätigen Fachpersonen ist nicht nur im Klinikalltag zentral, um die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Patienten zu verbessern, sondern um diese Interessen und Notwendigkeiten der Patienten bei den politischen Verantwortlichen zu vertreten.

HIV war dabei seit anfangs der 2000er Jahre der Wegbereiter für ein «chronic disease management». Es hat sich gezeigt, dass die Behandlung chronisch Kranker möglich ist und auch erfolgreich – durchaus auch in abgelegenen Regionen [7]. Innovative Strategien und neue Technologien helfen, Patienten auch in schwierig erreichbaren Gebieten zu behandeln [7, 8, 9].

Dieses Schwerpunktheft soll exemplarisch aus zwei verschiedenen Settings – Tansania und Uganda – über den Klinikalltag, medizinische Fortschritte und Herausforderungen im heutigen Ostafrika berichten. Basierend auf langjährigen Kollaborationen zwischen Schweizer und Afrikanischen Instituten und Universitäten in den beiden Ländern sind Artikel entstanden, die jeweils von mindestens einem Autor verfasst sind, der vor Ort arbeitet oder von dort kommt.

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PD Dr. Maja Weisser, Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, Petersgraben 3, 4031 Basel,