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Open AccessÜbersichtsarbeit

Vorteile durch aktives Lernen bei Schülerinnen und Schülern

Published Online:https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000375

Abstract

Zusammenfassung.Einleitung: Das Konzept des aktiven Lernens gewinnt zunehmend an Bedeutung und ist mit entsprechenden Lerntheorien sowie Unterrichtstechniken einhergegangen. Der Begriff des aktiven Lernens umfasst eine große Bandbreite an Konzepten, wodurch ein Verständnis einzelner, dem aktiven Lernen zugrundeliegender kognitiver Prozesse erschwert wird. Kognitionspsychologische Untersuchungsergebnisse ermöglichen ein präziseres Verständnis aktiver Lernprozesse und liefern somit wertvolle Impulse für eine evidenzbasierte Unterrichtspraxis. Methode: In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden Vorteile des aktiven Lernens anhand ausgewählter kognitionspsychologischer Forschungsergebnisse aufgezeigt sowie Implikationen für die Bildungspraxis diskutiert. Dafür werden zugrundeliegende Mechanismen aktiven Lernens beleuchtet. Im Anschluss wird dargelegt, wann erste vorteilhafte Effekte in der Entwicklung auftreten und weshalb positive Effekte auch für Kinder mit einer diagnostizierten Autismus-Spektrum-Störung gelten. Ergebnisse und Diskussion: Die Forschungsergebnisse zeigen zusammengenommen, dass Kinder entgegen früheren Annahmen schon ab einem Alter von 6 bis 8 Jahren von aktiven Lernstrategien hinsichtlich einer gesteigerten Gedächtnisleistung profitieren und dass sie dies durch effektive Anpassungen ihrer gewählten Lernstrategien tun. Abschließend werden Implikationen für die Bildungspraxis diskutiert.

Benefits of Active Control of the Study Experience and Implications for Educational Settings

Abstract.Background: The concept of active learning has played a crucial role in education and continues to inform a wide range of learning theories and teaching practices. Despite widespread interest in this concept and subsequent proliferation of instructional techniques, the precise mechanisms underlying the potential beneficial effects of active learning often remain unclear. In this sense, experimental research on active learning provides crucial insights and results, which can guide the evaluation, as well support the development of evidence-based teaching practices and tools. Methods: In this article, we review selected work examining the cognitive mechanisms underlying active learning. Results and Discussion: In particular, we present results from experimental work providing evidence for memory enhancements related to active control of the study experience across childhood. We then discuss broader implications for educational practices, both in typically developing – as well as in special populations.

Einleitung

Das Konzept des aktiven Lernens gewinnt zunehmend an Bedeutung und geht mit entsprechenden Lerntheorien sowie Unterrichtstechniken einher, die es Schüler_innen ermöglichen, gegenüber passiveren angeleiteten Unterrichtsformen von aktiven Lernprozessen zu profitieren (Freeman et al., 2014; Gureckis & Markant, 2012; Markant, Ruggeri, Gureckis & Xu., 2016; Theobald et al., 2020). Der Begriff umfasst eine große Bandbreite an Konzepten und Methoden (siehe Tab. 1). Dem vorliegenden Beitrag wird die Definition von Markant und Kolleg_innen (2016, S. 1) zugrunde gelegt, wonach aktives Lernen sich dadurch auszeichnet, dass Lernende selbst die Möglichkeit erhalten, Lernprozesse zu steuern, indem sie bei der Selektion neuer Informationen, der gewählten Reihenfolge einzelner Lernschritte sowie bei der Geschwindigkeit, in der gelernt wird, relevante Entscheidungen treffen. Allgemeine Aussagen über die Effektivität von Unterrichtsmethoden, denen das aktive Lernen zugrunde liegt, können aufgrund unterschiedlicher Definitionen sowie der hohen Komplexität der Unterrichtspraxis nicht getroffen werden (Prince, 2004). Hingegen könnten feinkörnigere Untersuchungen von aktivem Lernen zu einem besseren Verständnis von kognitiven Prozessen beitragen, die für den Erfolg aktiven Lernens über verschiedene Unterrichtsmethoden hinweg verantwortlich sein könnten (Markant et al. 2016, S. 1).

Tabelle 1 Definitionen des aktiven Lernens

Bestehende Forschung mit erwachsenen Proband_innen deutet darauf hin, dass aktive Lernprozesse gegenüber passivem Lernen mit verbesserter und langanhaltenderer Wiedererkennungsleistung in Zusammenhang stehen (Voss, Galvan & Gonsalves, 2011; Voss, Gonsalves, Federmeier, Tranel & Cohen, 2011; Voss, Warren et al., 2011). Dafür scheinen vor allem die verwendeten Lernstrategien entscheidend zu sein. So stehen Dauer und Häufigkeit, mit der einzelne Objekte bei Erinnerungsaufgaben besichtigt werden in einigen Untersuchungen mit Lernerfolgen in Zusammenhang (Brandstatt & Voss, 2014; Markant, DuBrow, Davachi & Gureckis, 2014). Auch bei Kindern wurde beobachtet, dass aktive Lernprozesse mit verbesserter Erinnerungsleistung bei Aufgaben, in denen es um räumliche Orientierung geht, sowie bei dem Erlernen neuer Wortpaare in Zusammenhang stehen (Feldman & Acredolo, 1979; McComas, Dulberg & Latter, 1997; Partridge, McGovern, Yung & Kidd, 2015; Sim, Tanner, Alpert & Xu, 2015). Entgegen früheren Annahmen, dass ausschließlich ältere Kinder aktive Lernstrategien effektiv anwenden (Chen & Klahr, 1999; Kuhn & Brannock, 1977), weisen neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass Lernende bereits ab einem Alter von vier Jahren damit beginnen (Ruggeri, Lombrozo, Griffiths & Xu, 2016; Ruggeri & Feufel, 2015; Ruggeri & Lombrozo, 2015). Als unzureichend geklärt gilt hingegen, welche Faktoren für das entwicklungsbedingte Auftreten aktiver Lernerfolge verantwortlich sein könnten. Aspekte wie sozioökonomischer Status, Bildungshintergrund und exekutive Funktionen Lernender könnten dabei aber eine Rolle spielen (Ruggeri, Markant, Gureckis, Bretzke & Xu, 2019, S. 83). Metakognitive Fähigkeiten werden darüber hinaus sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern als besonders wichtige Voraussetzung angesehen (Geurten, Catale & Meulemans 2015; Hutchens et al., 2012), die sich im Laufe der Entwicklung entfalten (Roebers, 2017). So bildet sich auch die Fertigkeit, die eigene Lernzeit, basierend auf bereits bekannten und unbekannten Materialien, effektiv zu gestalten, im Laufe der Entwicklung zunehmend stärker aus (Metcalfe, 2002; Metcalfe & Finn, 2013). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Kinder schon früh damit beginnen, aktive Lernstrategien effektiv einzusetzen und dass dies im Laufe der Entwicklung stetig zunimmt, obgleich konkretere, für diesen Erfolg ursächliche Faktoren und Mechanismen in der Entwicklung von Lernenden noch nicht hinlänglich erforscht sind.

Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, Vorteile aktiven Lernens aus der Perspektive kognitionspsychologischer Forschung anhand ausgewählter Forschungsergebnisse aufzuzeigen, sowie Implikationen für die schulische Praxis zu erörtern. Dafür werden zunächst zugrundeliegende Mechanismen aktiven Lernens näher beleuchtet. Im Anschluss soll dargelegt werden, wann erste vorteilhafte Effekte in der Entwicklung auftreten und weshalb positive Effekte auch für Kinder mit einer diagnostizierten Autismus-Spektrum-Störung gelten. Abschließend werden Implikationen für die Bildungspraxis diskutiert.

Erfolge durch aktives Lernen und mögliche zugrundeliegende kognitive Mechanismen

In dem Artikel „Enhanced Memory as a Common Effect of Active Learning“ beschreiben Markant und Kolleg_innen (2016) fünf wesentliche, dem aktiven Lernen zugrundeliegende Mechanismen, die mit verbesserter episodischer Gedächtnisleistung und Lernen in Verbindung stehen: die Kodierung sensomotorischer Assoziationen; eine vertiefte Kodierung durch zielgerichtetes Suchen und Planen; die Koordinierung selektiver Aufmerksamkeit und Gedächtniskodierung; die adaptive Selektion von Materialien sowie eine verbesserte Gedächtnisleistung durch metakognitives Monitoring (siehe Tab. 2).

Tabelle 2 Fünf wesentliche, dem aktiven Lernen zugrundeliegende kognitive Mechanismen nach Markant et al. (2016)

Kodierung sensomotorischer Assoziationen

Nach Markant und Kolleg_innen (2016, S. 3) steht die Kodierung sensomotorischer Assoziationen bei aktiven Lernprozessen mit einer verbesserten episodischen Gedächtnisleistung in Verbindung. Diese Überlegung beruht auf der Tatsache, dass exploratives Verhalten gegenüber rezeptivem Verhalten im Anschluss an eine Lernphase zu einer umfassenderen Repräsentation im episodischen Gedächtnis und damit zu einer verbesserten Erinnerungsleistung führt. Da aktive Lernprozesse selbstgenerierte Handlungen beinhalten, die viele zusätzliche Stimuli liefern und mit einer darauffolgenden Wirkung in kausalem Zusammenhang stehen, könnten aktiv Lernende nach Markant et al. von einer vertieften Kodierung profitieren. Diese Erklärung wird auch von vorangegangenen Untersuchungen gestützt, die zeigen, dass das Verkörpern von Arbeitsaufträgen durch entsprechende Bewegungen im Vergleich zu rein gehörten Arbeitsaufträgen zu besseren Lernerfolgen führt.

Vertiefte Kodierung durch zielgerichtetes Suchen und Planen

Weiterhin könnte zielgerichtetes Suchen und Planen für eine vertiefte Kodierung im episodischen Gedächtnis verantwortlich sein (Markant et al., 2016, S. 3). Das Erkunden unbekannter Informationen, wie zum Beispiel einer neuen Umgebung, setzt in der Regel das Fällen eigener Entscheidungen über Erkundungsstrategien und das Ausdenken zukünftiger Entscheidungsschritte voraus. Markant und Kolleg_innen (2016) zufolge könnte dies ein weiterer Grund dafür sein, dass aktiv Lernende einen Gedächtnisvorteil aufweisen. Explorative Entscheidungsfindung ist ein konstruktiver Lernprozess, der die Erstellung mentaler Repräsentationen voraussetzt, um Navigationsentscheidungen zu fällen. Dies könnte gegenüber passiveren Lernprozessen zu Lernvorteilen durch eine verbesserte Gedächtnisleistung führen.

Koordinierung selektiver Aufmerksamkeit und Gedächtniskodierung

Aufmerksamkeit spielt bei Lernprozessen ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit, die eigenen Lernstrategien an den jeweils vorherrschenden Aufmerksamkeitszustand anzupassen, schließt sich den oben genannten Prozessen als weiterer möglicher Grund für eine verbesserte Gedächtnisleistung aktiv Lernender an (Markant et al. 2016, S. 4). Ein wesentlicher Bestandteil aktiver Lernprozesse ist Markant et al. zufolge das selbstbestimmte Entscheiden über die Geschwindigkeit, in der neue Informationen erlernt werden. Dies geschieht in Abstimmung mit dem eigenen Aufmerksamkeitszustand. Im Gegensatz dazu kann es bei passiven Lernprozessen zu einer zerstreuten Aufmerksamkeit kommen, wodurch Lernende gedanklich abschweifen und schließlich eine verringerte Gedächtnisleistung aufweisen. Folglich begründen Markant und Kolleg_innen (2016), dass das Steuern der eigenen Aufmerksamkeit zu verbesserter Gedächtnisleistung bei aktiven Lernprozessen führen könnte. Entscheidend ist für aktive Lernprozesse daher, dass Lernende selbst durch Steuern der Geschwindigkeit, in der sie neuen Informationen begegnen, die eigene Aufmerksamkeit effektiv einsetzen. Dies könnte besonders in solchen Umgebungen von Vorteil sein, in denen viele Stimuli gleichzeitig vorkommen.

Adaptive Selektion von Materialien

Auch die adaptive Selektion von Lernmaterialien ist für den Erfolg aktiver Lernprozesse von großer Bedeutung (Markant et al., 2016, S. 4). Aktiv Lernende treffen nicht nur hinsichtlich ihres Aufmerksamkeitszustandes adaptive Entscheidungen über ihre jeweiligen Lernstrategien, sondern wählen auch aktiv die für sie geeigneten Materialien aus. So sind Lernende nach Markant und Kolleg_innen (2016) gerade dann im Vorteil, wenn sie sich mittels metakognitiver Prozesse auf die Bearbeitung von Lernmaterialien fokussieren, welche ihrem individuellen Wissensstand entsprechen. Dies bedeutet, dass weder übermäßig schwere noch zu leichte Lernmaterialien bearbeitet werden und setzt eine Evaluation des eigenen Lernstandes voraus. Im Gegensatz dazu haben gerade heterogene Lerngruppen laut Markant et al. (2016) einen Nachteil, wenn derselbe Lernweg ohne Rücksicht auf individuelle Unterschiede allen Lernenden auferlegt wird.

Verbesserte Gedächtnisleistung durch metakognitives Monitoring

Letztlich wird auch metakognitives Monitoring mit verbesserter Gedächtnisleistung bei aktiv Lernenden in Verbindung gebracht (Markant et al., 2016, S. 5). Das Metagedächtnis umfasst allgemein formuliert „Wissen über Gedächtnisprozesse und deren Bedingungen“ (Kracke & Noack, 2019, S.136). Während es eine große Auswahl effektiver Lernstrategien gibt, profitieren aktiv Lernende in der Regel schon durch die Auswahl einzelner Lernwege. Werden beispielsweise Vokabeln anhand von Karteikarten gelernt, ist es nachweislich effektiver, wenn Lernende sich während des Aneignungsprozesses dafür entscheiden, sich selbst wiederholt die Frage zu stellen, ob sie den zu lernenden Begriff bereits kennen, anstatt sich den Begriffen ohne diesen Denkschritt wiederholt auszusetzen (Markant et al., 2016, S. 5).

Im vorliegenden Artikel wird die Ansicht vertreten, dass oben genannte kognitive Prozesse sowie deren Zusammenhang mit episodischer Gedächtnisleistung eine entscheidende Rolle für Lernerfolge spielen könnten und somit eine wertvolle Grundlage für weiterführende Forschung darstellen. Das episodische Gedächtnis bezieht sich nach Tulving auf die bewusste Erinnerung an persönliche Ereignisse zusammen mit ihren phänomenalen und räumlich-zeitlichen Kodierungskontexten (Plancher, Barra, Orriols & Piolino, 2013, S. 895). Es werden nachfolgend solche Untersuchungen vorgestellt, die aufbauend auf diesen Erkenntnissen der Frage nachgegangen sind, zu welchem Entwicklungszeitpunkt Kinder von aktiven Lernprozessen effektiv Gebrauch machen und wie sie dies konkret tun.

Methoden

Allen nachfolgend näher beschriebenen Untersuchungen liegt ein methodisches Design von Markant und Kolleg_innen (2014) zugrunde, das auf jüngere Altersgruppen zugeschnitten wurde. Dafür kam ein einfaches Gedächtnisspiel auf dem Tablet zum Einsatz, in dem teilnehmende Kinder damit beauftragt wurden, sich insgesamt 64 animierte Bilderkarten einzuprägen (siehe Abb. 1).

Abbildung 1 Links: Die Lernphase begann damit, dass 16 Bildobjekte für zwei Sekunden erschienen. Danach wählten Teilnehmende ein Bildobjekt selbst aus (aktive Bedingung) oder berührten das durch die Aufzeichnung aufgedeckte Bildobjekt (passive Bedingung). Rechts: In den Testphasen wählten Teilnehmende Bildobjekte aus, die aus der Lernphase wiedererkannt wurden. Teilnehmende gaben für die Messung der räumlichen Gedächtnisleistung weiterhin an, welche der wiedererkannten Bildobjekte während der Lernphase an derselben Stelle erschienen waren.

Lernphase

Das Experiment bestand aus vier Lernphasen und einer Testphase. In den Lernphasen hatten Teilnehmende jeweils 90 Sekunden pro Durchlauf Zeit, sich 16 Bildobjekte (animierte Kärtchen mit Abbildungen einzelner Gegenstände) auf einem Raster bestehend aus 4 × 4 Feldern einzuprägen. Die Bildobjekte erschienen zu Beginn jeder Lernphase für zwei Sekunden und wurden daraufhin verdeckt (siehe Abb. 1). Die vier Lernphasen gliederten sich in zwei aktive und zwei passive Lernphasen, welche jedes Kind in alternierender Reihenfolge durchlief. Alle Teilnehmenden begannen mit der aktiven Bedingung. In den aktiven Bedingungen bestimmten Teilnehmende selbst die Reihenfolge und Dauer, mit der sie die Bildobjekte untersuchten. Das Erforschen der zu erlernenden Bildobjekte erfolgte dabei durch einmalige Berührung einzelner Bilderkärtchen auf dem Tablet, wodurch diese für 500 Millisekunden eine rote Umrandung aufwiesen und anschließend für zwei Sekunden aufgedeckt wurden. In den passiven Bedingungen (im englischen Original yoked control, „gekoppelte Kontrollbedingung“) beobachteten Teilnehmende stattdessen eine Bildschirmvideoaufnahme des aktiven Lernprozesses eines vorangegangenen Kindes und erhielten die Aufgabe, sich die dabei gesichteten Bildobjekte ebenfalls einzuprägen. Um die Aufmerksamkeit in beiden Phasen aufrecht zu erhalten, sollten Teilnehmende in der passiven Bedingung ebenfalls auf die aufgedeckten Bildobjekte auf dem Bildschirm tippen, wobei dies keine Auswirkungen auf die Aufnahme hatte.

Testphase

Im Anschluss folgte eine Testphase, bei der in acht Durchgängen erneut jeweils 16 Objekte auf einem Raster bestehend aus 4 × 4 Feldern in zufälliger Anordnung präsentiert wurden (siehe Abb. 1). Dabei wurden 64 Bildobjekte gezeigt, welche in der Lernphase bereits vorgekommen waren (bekannt) sowie 64 Bildobjekte, die für die Teilnehmenden neu waren (unbekannt). Die Kinder wurden in jedem der acht Durchgänge gefragt, welche der präsentierten Bildobjekte bekannt bzw. unbekannt waren. Eine Woche nach der Intervention wurden die Kinder dann in einer Wiederholungsmessung erneut untersucht, um zu prüfen, ob auch langanhaltende Lerneffekte zu beobachten waren.

Ergebnisse

Aktives Lernen und Wiedererkennungsleistung bei Erwachsenen

Bei erwachsenen Versuchspersonen konnte anhand des oben beschriebenen methodischen Designs bereits beobachtet werden, dass aktive Lernprozesse mit einer verbesserten Lernleistung in Zusammenhang stehen (Markant et al., 2014). So resultiert die aktive Kontrolle der zeitlichen Abfolge, in der einzelne Objekte erlernt werden, nach Markant und Kolleg_innen (2014) in einer verbesserten Wiedererkennungsleistung bei Versuchsteilnehmenden gegenüber Vergleichsgruppen, in denen keine aktive Kontrolle möglich ist. Dies untermauert auch weitere Untersuchungsergebnisse, die Erfolge durch aktives Lernen anhand weiterer Aufgabentypen belegen. Markant und Kolleg_innen schlussfolgern daraus, dass Teilnehmende, die aktive Kontrolle ausüben, vor allem durch eine selbstbestimmte Koordination neuer Informationen einen Vorteil gegenüber den Vergleichsgruppen aufweisen. Während diese Erkenntnisse einen relevanten Beitrag zum Verständnis von aktiven Lernprozessen bei Erwachsenen leisten, bleibt weitere Forschung erforderlich, um Aussagen über das entwicklungsbedingte Auftreten sowie zugrundeliegende kognitive Mechanismen treffen zu können.

Aktives Lernen und Wiedererkennungsleistung bei Kindern

An diesem Forschungsdesiderat setzt der Artikel „Memory enhancements from active control of learning emerge across development“ von Ruggeri und Kolleg_innen (2019) an. Ein zentrales Anliegen dieser Studie war es, zu erforschen, in welchem Alter Kinder von aktiven Lernprozessen in Form von verbesserter Wiedererkennungsleistung erstmalig profitieren. Dafür wurden von Ruggeri et al. in einem ersten Experiment 51 Kinder zwischen 5 und 8 Jahren dazu aufgefordert, sich ausgehend von dem oben beschriebenen Gedächtnisspiel auf dem Tablet so viele Bildobjekte wie möglich zu merken. Eine Woche nach dieser Intervention wurden Teilnehmende in einer Wiederholungsmessung erneut untersucht, um zu prüfen, ob langanhaltende Lerneffekte bestanden.

Die Auswertungen zeigten, dass die Wiedererkennungsleistungen für Inhalte, die in den aktiven Lernphasen gelernt wurden, insgesamt höher ausfielen (Ruggeri et al., 2019). Dies galt auch für spätere Wiederholungsmessungen, wobei die Wiedererkennungsleistung für aktiv und passiv erlernte Bildobjekte zwischen Erst- und Wiederholungsmessungen signifikant abnahm. Teilte man die Kinder in eine 6- und eine 8-jährige Gruppe ein, stellte sich heraus, dass es bei den 6-jährigen Kindern zu keinem signifikanten Unterschied zwischen der Gedächtnisleistung bei passiv und aktiv gelernten Gegenständen kam. Bei 8-jährigen Kindern hingegen konnte ein wiederholt auftretender und somit robuster Lernvorteil für aktiv erlernte Gegenstände über Erst- und Wiederholungsmessung hinweg beobachtet werden. Gegenstände, die länger und öfter betrachtet wurden, wurden darüber hinaus in beiden Bedingungen besser erlernt.

Zusätzlich wurde im ersten Experiment von Ruggeri und Kolleg_innen (2019) untersucht, welche konkreten Lernstrategien in den aktiven Bedingungen ursächlich für eine bessere Wiedererkennungsleistung gewesen waren. Dafür wurden die von den teilnehmenden Kindern verwendeten Lernstrategien anhand folgender Kriterien näher charakterisiert: (1) Häufigkeit, mit der einzelne Bilder angetippt wurden; (2) Distanz, die zwischen zwei konsekutiv gewählten Bildern lag und (3) Systematik, mit der einzelne Bilder nacheinander angetippt wurden. Bei genauerer Untersuchung dieser Lernstrategien zeichnete sich ab, dass ältere Kinder einzelne Bilder in der zweiten aktiven Lernphase häufiger antippten als jüngere. Außerdem wurde von Ruggeri et al. beobachtet, dass die räumliche Distanz zwischen zwei konsekutiv gewählten Bildern beim Lernen nur in den passiven Bedingungen Einfluss auf den Lernerfolg hatte. So hatten Teilnehmende in passiven Bedingungen dann einen Nachteil, wenn ihnen ein Video vorgespielt wurde, in dem die Distanz zwischen nacheinander angetippten Bildobjekten groß war, da diese gegenüber näheren Bewegungsmustern schwieriger nachzuvollziehen war.

Zusammengefasst geben die Ergebnisse dieses ersten Experiments bereits wertvolle Antworten auf einige der eingangs genannten Forschungsfragen und bestätigen, dass die von Markant und Kolleg_innen (2014) beobachteten Erfolge durch aktives Lernen Erwachsener auch schon bei Kindern auftreten. So konnte beispielsweise beobachtet werden, dass 5- bis 8-jährige Kinder insgesamt von aktiven Lernprozessen durch verbesserte Erinnerungsleistung profitierten, wobei dieser Effekt erst ab einem Alter von 8 Jahren über Test sowie Retest hinweg robust ausfiel (Ruggeri et al., 2019, S. 86). Weiterhin wurde von Ruggeri et al. (2019) beobachtet, dass diejenigen Objekte, die länger und öfter untersucht wurden, in beiden Bedingungen besser erlernt wurden und ältere Kinder ihre Lernstrategien dahingehend anpassten, dass sie im zweiten aktiven Lernblock einzelne Objekte mit einer höheren Häufigkeit studierten. Ungeklärt blieb hingegen die Rolle des Metagedächtnisses und ob räumliche Gedächtnisleistung durch aktive Kontrolle beeinflusst wird.

In einem zweiten Experiment mit 48 Kindern im Alter von 4 bis 10 Jahren wurde daher im Anschluss von Ruggeri et al. (2019) untersucht, ob das Metagedächtnis aktiv Lernender für deren Lernerfolg verantwortlich sein könnte und ob aktives Lernen mit verbesserter räumlicher Gedächtnisleistung in Zusammenhang steht. Um diesen Fragen nachzugehen, wurde erneut der bereits beschriebene Versuchsaufbau mit einigen Anpassungen verwendet. Dieser unterschied sich lediglich dadurch, dass dem Experiment in der Lernphase eine Prä-Exposition vorgeschaltet wurde, in der nacheinander jeweils ein Drittel der im Raster vorhandenen Objekte gezeigt wurden und diese anschließend schrittweise erloschen. Die Bildobjekte waren in der ersten Sichtung der Lernphase dementsprechend einmalig unterschiedlich lang zu sehen, um zu untersuchen, inwiefern das Metagedächtnis für den Lernerfolg der Kinder in den aktiven Lernphasen eine Rolle spielte. Dem zugrunde lag die Überlegung, dass Kinder ihre Lernstrategien aufgrund unterschiedlicher Expositionsdauer einzelner zu lernender Objekte in der Prä-Exposition anpassen könnten, um im Anschluss effektivere Lernstrategien einzusetzen.

In den Untersuchungen konnte von Ruggeri et al. jedoch kein Zusammenhang zwischen einer Prä-Exposition und der Wiedererkennungsleistung beobachtet werden. Die Ergebnisse zeigten dennoch erneut, dass Objekte, die in aktiven Phasen erlernt wurden, besser wiedererkannt wurden. Dies galt auch für die Wiederholungsmessung, bei der die Wiedererkennungsleistung erneut im Vergleich zum Test abnahm. Darüber hinaus war der von Ruggeri et al. erfasste Wiedererkennungsvorteil bei aktiv gelernten Bildern für ältere Kinder erneut ausgeprägter. Im Gegensatz zum ersten Experiment konnten Vorteile durch aktive Lernphasen in diesem Experiment jedoch auch schon in der Gruppe von 6-jährigen beobachtet werden. Objekte, die länger studiert wurden, wurden in beiden Bedingungen besser von Kindern wiedererkannt. Eine erhöhte Häufigkeit, mit der Bilder angetippt wurden, war nach Ruggeri et al. nur bei passiv erlernten Bildern mit einer besseren Wiedererkennungsleistung verbunden.

Das zweite zentrale Anliegen des Versuchs von Ruggeri und Kolleg_innen (2019) war es, zu untersuchen, ob aktive Lernprozesse auch mit einer verbesserten räumlichen Gedächtnisleistung in Zusammenhang stehen. Dafür wurden Kinder in der Testphase gefragt, ob bestimmte Objekte, die wiedererkannt wurden, in der Lernphase auch an derselben Stelle wie in der Testphase aufgetreten waren. Während Kinder allgemein solche Objekte besser wiedererkennen und zuordnen konnten, die in beiden Phasen an derselben Stelle vorkamen, schnitten ältere Kinder besser darin ab, solche Objekte zu identifizieren, die an unterschiedlichen Stellen in Lern- und Testphase aufgetreten waren. Die Lernbedingungen hatten nach Ruggeri et al. dabei jedoch keinen Einfluss auf die räumliche Gedächtnisleistung. Innerhalb der aktiven Lerngruppe ging eine verbesserte räumliche Gedächtnisleistung mit einer höheren Häufigkeit einher, mit der Bildobjekte angetippt wurden.

Aktives Lernen und Wiedererkennungsleistung bei Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung

Fantasia, Markant, Valeri, Perri & Ruggeri (2020) gingen in dem Artikel „Memory enhancements from active control of learning in children with autism spectrum disorder“ daraufhin der Frage nach, ob die beschriebenen Vorteile durch aktives Lernen auch für Kinder mit neurologischen Entwicklungsstörungen von Bedeutung sein könnten. Dafür wurden die oben genannten Experimente von Ruggeri und Kolleg_innen (2019) mit Kindern mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) repliziert. Anhand des bereits beschriebenen Gedächtnisspiels wurden nun 29 Kinder mit ASS im Alter von 6 bis 12 Jahren damit beauftragt, sich 64 Bildkärtchen einzuprägen.

Die Untersuchungen von Fantasia et al. (2020) zeigten, dass aktives Lernen auch bei Kindern mit ASS zu einer verbesserten Wiedererkennungsleistung führte. Dieser Effekt bestand auch noch bei der Wiederholungsmessung nach einer Woche. Weiterhin wurde beobachtet, dass die Wiedererkennungsleistung in Abhängigkeit des Lernverhaltens unterschiedlich ausfiel. So war die Wiedererkennungsleistung für Bildobjekte in beiden Bedingungen höher, wenn diese öfter und länger studiert wurden.

Untersuchungen der räumlichen Gedächtnisleistungen brachten hervor, dass erneut diejenigen Bildobjekte, die in der Lernphase und der Testphase an gleicher Stelle erschienen, besser wiedererkannt wurden (Fantasia et al., 2020). In der Wiederholungsmessung wurden solche Bildobjekte, die an unterschiedlichen Stellen vorkamen, weniger gut erkannt. Auch wurden Bildobjekte besser erlernt, wenn diese länger untersucht wurden. Die räumliche Gedächtnisleistung schien Fantasia et al. zufolge nicht von verschiedenen Lernphasen, der Häufigkeit, mit der Bildobjekte angetippt wurden oder vom Alter abzuhängen.

Untersuchungen des Lernverhaltens in aktiven Lernphasen zeigten, dass eine größere Häufigkeit, mit der Bildobjekte angetippt wurden, mit höherer Wiedererkennungsleistung zusammenhing. Auch führten weniger systematische Lernmuster in den passiven Bedingungen zu schlechteren Wiedererkennungsleistungen.

Während die Vorteile des aktiven Lernens bei Kindern mit ASS im direkten Vergleich zu Kindern ohne ASS etwas geringer ausfielen, waren die Vorteile innerhalb der Gruppe von Kindern mit ASS vergleichbar mit denen innerhalb der Gruppe von Kindern ohne ASS (Fantasia et al., 2020). Diese Ergebnisse legen außerdem nahe, dass motorische Handlungen keinen exklusiven Einfluss auf den Lernerfolg hatten, da diese in beiden Lerngruppen stattfanden.

Diese Ergebnisse sprechen laut Fantasia et al. (2020) dafür, dass heterogene Lerngruppen von aktiver Kontrolle des Lernprozesses profitieren könnten, wobei zu klären bleibt, ob sich diese Erkenntnisse über die Limitierungen der Laborforschung hinaus auch im Kontext schulischen Lernens bewähren würden. Zukünftige Forschung könnte über die Frage Aufschluss geben, ob auch Kinder mit Lernstörungen von aktiven Lernprozessen profitieren könnten.

Aktives Lernen und Wiedererkennungsleistung bei Kindern im Kontext schulischen Lernens

Damit oben genannte Erkenntnisse jedoch auch für die Schulpraxis relevant werden, bedarf es Untersuchungen mit Aufgaben, die schulischem Lernen entsprechen. In diesem Sinne wurde von Ruggeri und Kolleg_innen (2019) in einem dritten Experiment untersucht, ob Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren beim Fremdsprachenerwerb ebenfalls von aktiven Lernprozessen profitieren und welche Rolle kognitive Ressourcen wie das Arbeitsgedächtnis und exekutive Funktionen dabei spielen. Das für diese Untersuchung verwendete Gedächtnisspiel glich dem bereits beschriebenen Versuch mit folgenden Anpassungen: Die animierten Bildkärtchen enthielten auf der Rückseite zusätzlich entsprechende französische Vokabeln und die teilnehmenden Kinder wurden damit beauftragt, sich die Vokabeln einzuprägen. Die Testphase bestand folglich aus einer Gedächtnisprüfung mit Hinweisreizen, indem ein Bild gezeigt wurde, für das dann die entsprechende Vokabel selektiert werden musste. Außerdem nahmen Kinder im Vorfeld an einem Arbeitsgedächtnistest teil, um zu untersuchen, inwiefern individuelle Unterschiede der Arbeitsgedächtnisleistung den Erfolg aktiver Lernprozesse bedingen.

Die Ergebnisse von Ruggeri et al. (2019) brachten hervor, dass aktiv erlernte Vokabeln tatsächlich mit verbesserter Erinnerungsleistung in der ersten Testphase in Verbindung standen. Weiterhin schnitten ältere Kinder in beiden Bedingungen besser ab. Außerdem wurde beobachtet, dass die Arbeitsgedächtnisleistung positiv mit der Erinnerungsleistung korrelierte. Bildobjekte, die wiederholt untersucht wurden, wurden in beiden Bedingungen signifikant häufiger wiedererkannt.

In den Untersuchungen des Lernverhaltens in den aktiven Lernphasen beobachteten Ruggeri et al. ebenfalls, dass die Häufigkeit, mit der Bildobjekte angetippt wurden, sich in den aktiven Lernphasen erneut vom ersten zum zweiten Durchlauf erhöhte, wobei ältere Kinder häufiger Bildobjekte antippten und weniger systematische Suchmuster aufwiesen.

Es konnte dementsprechend auch bei Untersuchungen mit schulnahen Aufgabenformaten bei jüngeren Kindern beobachtet werden, dass aktive Lernprozesse vorteilhaft wirken. Weiterhin konnte in den Publikationen zusammengenommen ein robuster Effekt bei Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren beobachtet werden (Ruggeri et al., 2019; Markant et al., 2016; Fantasia et al., 2020) (siehe Tab. 3).

Tabelle 3 Zentrale Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen

Diskussion

Dass aktive Lernprozesse für die Vermittlung von Wissen grundsätzlich geeignet sind, zeigen diverse Untersuchungen (Deslauriers, McCarty, Miller, Callaghan & Kestin, 2019; Freeman et al., 2014; Theobald et al., 2020; Wieman, 2014). Der Begriff des aktiven Lernens umfasst jedoch eine große Bandbreite von Konzepten und Theorien, wodurch ein präzises Verständnis einzelner, dem aktiven Lernen zugrundeliegender kognitiver Prozesse erschwert wird. Aus diesem Grund eignet sich gerade für Lehrkräfte ein Blick in die psychologische Forschung, die konkretere Aussagen über spezifische Lernprozesse ermöglicht, um entsprechende unterrichtliche Angebote machen zu können (Mörth, Paridon & Sonntag, 2021). Daher wurden im vorliegenden Artikel die Vorteile des aktiven Lernens anhand solcher Publikationen erörtert, die gemeinsam ein kohärentes Gesamtbild mehrjähriger kognitionspsychologischer Forschung auf dem Gebiet des aktiven Lernens abbilden (siehe Tab. 3). Diese Untersuchungen zeigen zusammengenommen, dass Kinder entgegen früheren Annahmen schon ab einem Alter von 6 bis 8 Jahren von aktiven Lernstrategien hinsichtlich einer gesteigerten Gedächtnisleistung profitieren und dass sie dies durch effektive Anpassungen ihrer gewählten Lernstrategien tun (Ruggeri et al., 2019; Markant et al., 2016; Fantasia et al., 2020). Aufgrund der Ergebnisse erscheint es weiterhin plausibel, dass langfristige Lernerfolge durch aktive Lernprozesse erreicht werden könnten, wodurch Schüler_innen beispielsweise im Laufe ihrer Schulzeit kumulativ profitieren könnten (Ruggeri et al., 2019, S. 91). Eine stärkere Integration kognitionspsychologischer als auch neurobiologischer Forschungsergebnisse in die Bildungsforschung und die schulische Praxis wäre daher besonders wertvoll (Owens & Tanner, 2017; Weinstein, Sumeracki & Caviglioli, 2019).

Limitationen

Im vorliegenden Artikel wurde aktives Lernen anhand ausgewählter kognitionspsychologischer Forschungsarbeiten erörtert. Während diese Herangehensweise für ein präziseres Verständnis grundlegender kognitiver Prozesse dienlich sein kann, ist sie mit Limitationen verbunden. Aufgrund der deutlich höheren Komplexität der Schulpraxis gilt es zu beachten, dass bei der Interpretation der Forschungsergebnisse stets weitere Aspekte und Perspektiven (pädagogischer-, didaktischer- sowie fachwissenschaftlicher Natur) mitgedacht werden müssen. Somit könnten die hier geschilderten Forschungsergebnisse als Ausgangspunkt für zukünftige Bildungsforschung verstanden werden.

Weiterhin wurden für diesen Artikel Forschungsarbeiten herangezogen, die thematisch aufeinander aufbauen und ähnliche Ansätze verfolgt haben. Aus diesem Grund erhebt diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann nicht alle Forschungsperspektiven und Ergebnisse berücksichtigen.

Relevanz für die Praxis

Die im vorliegenden Artikel besprochenen Publikationen liefern außerdem wertvolle Impulse für eine von Digitalisierungsprozessen geprägte Bildungspraxis. Digitale Technologien verändern maßgeblich die Art und Weise, wie gelernt und gelehrt wird und erfordern entsprechende Kompetenzen seitens der Lehrkräfte (Delgado, Vargas, Ackermann & Salmerón, 2018; Mishra & Koehler, 2006; Redecker & Punie, 2017). Eine moderne Schulpraxis sollte laut der „Strategie für Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz vor allem „individuelles und selbstgesteuertes Lernen fördern […] sowie die selbstbestimmte Teilhabe an der digitalen Gesellschaft ermöglichen“ (Kultusministerkonferenz [KMK], 2017, S. 15). Dass der Förderung aktiver Lernprozesse gerade für eine autonome Navigation des Internets eine zentrale Rolle zukommt, scheint naheliegend (De Simone, Battisti & Ruggeri, 2021; Palalas & Wark, 2020). So wird selbstreguliertes Lernen auch von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) als zentrale Kompetenz für das Lernen mit Technologien in einer digitalen Welt beschrieben (OECD). Um digitale Lernangebote in diesem Sinne effektiv in die Unterrichtspraxis einzubinden, ist ein tieferes Verständnis einzelner, dem aktiven Lernen zugrundeliegender kognitiver Mechanismen sowie die Kenntnis aktueller Forschung unentbehrlich und sollte fester Bestandteil evidenzbasierter Lehrer_innenbildung sein. Die Kenntnis psychologischer Inhalte stellt darüber hinaus auch einen wichtigen Bestandteil der Wissenskomponente professioneller Kompetenz von Lehrkräften dar (Kunter, Pohlmann & Decker, 2020). So könnte diese Kenntnis dazu beitragen, dass Lehrkräfte ihr Wissen für die Förderung aktiver Lernprozesse nutzen (Surkamp & Viebrock, 2018) sowie um Probleme, die im Zusammenhang mit aktiven Lernprozessen auftreten, zu reflektieren und entsprechende Anpassungen im Sinne des „reflective practitioner“ vorzunehmen (Schön, 1983).

Zukünftige Forschung, die aufbauend auf diesen Erkenntnissen versucht herauszuarbeiten, inwiefern schulisches Lernen von einer Implementierung aktiver Lernprozesse profitieren könnte, wäre für einen Transfer kognitionspsychologischer Erkenntnisse in die Bildungspraxis von immensem Wert. Dabei sollten auch metakognitive Fähigkeiten näher untersucht werden, da diese erwiesenermaßen eine tragende Rolle in der Entwicklung Lernender spielen (Ruggeri et al., 2019) und gerade im Rahmen schulischen Lernens von großer Bedeutung sind (Dermitzaki & Kallia, 2021; Hattie, 2010). Weiterhin könnte nach Ruggeri und Kolleg_innen (2019, S. 92) allein das Gefühl wahrgenommener Selbstbestimmtheit, welches mit einer Steigerung der Motivation und verbesserter episodischer Gedächtnisleistung in Zusammenhang steht, bei aktiven Lernprozessen für beobachtbare Erfolge verantwortlich sein. Dies stützt bestehende Annahmen, denen zufolge Autonomie und Motivation für den Lernerfolg von Schüler_innen von großer Bedeutung sind (Hattie, 2010). Dass aktives Lernen auch bei Kindern mit einer diagnostizierten Autismus-Spektrum-Störung zu Lernvorteilen führt (Fantasia et al., 2020), spricht für die Implementierung aktiver Lernprozesse in heterogene Lerngruppen. Zusammengenommen bietet das Feld der kognitiven Psychologie demnach viele fruchtbare Anknüpfungspunkte für die Förderung und kontinuierliche Weiterentwicklung einer evidenzbasierten Unterrichtspraxis.

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