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Open AccessOriginalarbeit

Motivierende Gesprächsführung mit Simulationspatient_innen lehren und prüfen

Ein Praxisbericht aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000637

Abstract

Zusammenfassung.Theoretischer Hintergrund: Simulationspatient_innen (SP) werden in der medizinischen Ausbildung zum Erlernen und Prüfen kommunikativer Kompetenzen eingesetzt. Fragestellung: Wie wird Motivierende Gesprächsführung (MI) mit SP an der Charité Berlin gelehrt und geprüft? Methode: MI wird im Modellstudiengang Medizin im 4. Semester gelehrt und im Rahmen einer Objective Structured Clinical Examination (OSCE) geprüft. Es wurden Lehr- und Prüfungsevaluationen und die Beobachtungsübereinstimmung erhoben. Die Komplexität von MI erfordert spezielle Methoden für das SP-Training. Ergebnisse: In der Lehrveranstaltungsevaluation gaben 74,5 % der Studierenden und 90 % der Dozierenden an, dass MI-Kompetenzen erworben wurden, in der Prüfungsstation erreichten Studierende einen Leistungsmittelwert von 78 % (SD = 2.1 %). Die Beobachtungsübereinstimmung lag bei r = .74 (p = .009), r = .88 (p < .001) und r = .47 (p = .091). Die Prüfenden bewerteten die MI-Prüfungsstation überwiegend (sehr) gut. Schlussfolgerungen: MI kann mit SP gelehrt und geprüft werden, birgt aber Herausforderungen für SP-Training und Testkonstruktion.

Teaching and Assessing Motivational Interviewing with Simulated Patients – A Field Report from Charité – Universitätsmedizin Berlin

Abstract.Background: Simulated patients (SPs) are used in medical education to teach and test communicative competence. Objective: How is motivational interviewing (MI) taught and assessed with SPs at the Charité Berlin? Methods: MI is taught in the 4th semester of the Model Medicine Curriculum and tested within the context of an Objective Structured Clinical Examination (OSCE). This article analyzes the teaching and assessment evaluations and interrater agreement. MI complexity requires specific methods for SP training. Results: Regarding the teaching evaluation, 74.5 % of students and 90 % of lecturers indicated having learned MI competencies; in the OSCE station, students achieved a performance mean of 78 % (SD = 2.1 %). Interrater agreement was r = .74 (p = .009), r = .88 (p < .001), and r = .47 (p = .091). The examiners primarily ranked the MI OSCE station as (very) good. Conclusions: MI can be taught and tested with SPs but bears challenges for SP training and test construction.

Theoretischer Hintergrund

Simulationspatient_innen (SP) werden weltweit zur Schulung und Überprüfung kommunikativer Kompetenzen in der medizinischen Ausbildung eingesetzt (Cleland et al., 2009; Nestel et al., 2018). SP sind Menschen jeden Alters mit oder ohne professionelle Schauspielausbildung, die in Gesprächssettings die Rolle von Patient_innen, Angehörigen oder Kolleg_innen einnehmen. An der Charité Universitätsmedizin Berlin sind ca. 140 SP in jährlich über 2000 Einsätzen im Studiengang Humanmedizin in Unterricht und Prüfungen aktiv. Darüber hinaus kommen SP in Studiengängen wie Gesundheitswissenschaften, Pflegewissenschaften und Zahnmedizin zum Einsatz. Dafür werden sie regelmäßig in der jeweiligen Rollendarstellung und im Geben von konstruktivem Feedback geschult. Das SP-Programm der Charité arbeitet mit klaren Standards für die SP-Auswahl, die Fallentwicklung, das Training der SP, eine sichere Arbeitsumgebung für SP sowie für kontinuierliche Qualitätssicherungsmaßnahmen. Dies wurde 2019 vom Ausschuss Praktische Fertigkeiten der Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) überprüft, welcher das SP-Programm der Charité als erstes deutschlandweit zertifizierte.

Die Effektivität des Einsatzes von SP und die positive Auswirkung auf die kommunikativen Kompetenzen von Studierenden konnten in vielen Studien nachgewiesen werden (Williams & Song, 2016). Die Arbeit mit SP bietet zahlreiche Vorteile: So können Studierende und Auszubildende im Unterrichtssetting in einem geschützten Rahmen Gesprächspraktiken üben, ohne Sorge tragen zu müssen, echten Patient_innen zu schaden. Fehler können und dürfen gemacht werden und werden in einem umfassenden Feedback im Anschluss aufgearbeitet (Owens & Gliva-McConvey, 2015). Diese Gesprächssimulationen und ihre Auswertung stellen somit Lernmöglichkeiten im Sinne des erfahrungsbasierten Lernens und der Reflective Practice dar (Kolb, 2014; Schön, 1983; Thistlethwaite & Ridgway, 2015). Zudem können SP passend zum Alter der darzustellenden Rolle ausgewählt werden, was die Realitätsnähe erhöht. Sie sind den Studierenden als Personen nicht bekannt, was dem klinischen Alltag entspricht und wodurch die Hürde, sich auf das Gespräch einzulassen, gesenkt wird (Kurtz et al., 2005). Dabei sind SP in der Lage, nach einer Interaktion die gespielte Rolle „abzustreifen“ (Dudley, 2012). So können sie subjektiv aus der Rollensicht heraus ein wertschätzendes und konstruktives Feedback geben, sich aber gleichzeitig von den erlebten Emotionen distanzieren und sachlich darüber berichten.

An der Charité werden SP neben der Lehre in den praktischen Prüfungen, den Objective Structured Clinical Examinations (OSCEs) (Harden et al., 2016; Khan et al., 2013) eingesetzt. Hier werden klinische Settings so simuliert, dass die prüfungsrelevanten Verhaltensweisen (z. B. Anamnesefertigkeiten, Untersuchungsmethoden, Gesprächstechniken) bestmöglich durch die Studierenden gezeigt und von den Prüfenden beobachtet und beurteilt werden können. Im Modellstudiengang Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin finden im zweiten, vierten und neunten Semester OSCEs statt. Durchführung und Qualitätssicherung der OSCEs erfolgt zentral durch den Prüfungsbereich der Charité. Für den Einsatz von SP in Prüfungen ist ein hoher Standardisierungsgrad der Rollendarstellung entscheidend (Wallace, 2007).

Im vierten Semester wird die Gesprächstechnik Motivational Interviewing (MI) (Miller & Rollnick, 2015) vermittelt und geprüft. MI wurde ursprünglich zur Förderung der Behandlungsmotivation bei Alkoholabhängigen (Miller, 1983) entwickelt. Das Verfahren wird mittlerweile in unterschiedlichen Behandlungskontexten und bei verschiedenen Beratungsanlässen eingesetzt. Unter anderem hat sich MI als nachweislich wirksame Methode bei der Behandlung von substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen (Rauchen, Alkohol, Drogen) und in der Verhaltensmedizin (Ernährung, Bewegung, Safer Sex) (Lundahl et al., 2010) erwiesen. Im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen wird MI oftmals als Ergänzung angewendet. So zeigten beispielsweise Marker & Norton (2018), dass bei der Behandlung von Angststörungen die Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und MI hinsichtlich der Symptomreduktion einer Behandlung, die ausschließlich mit KVT durchgeführt wurde, überlegen war. Als eigenständiges psychotherapeutisches Behandlungsverfahren wird MI nicht betrachtet, sondern als Methode, die in andere Behandlungsverfahren sinnvoll integriert werden kann. Folgerichtig führen Rief, Schramm und Strauß (2021) MI unter den weiteren wissenschaftlich fundierten Psychotherapieverfahren und -methoden auf.

Miller und Rollnick (2015) beschreiben Grundhaltung und Kommunikationsstrategien von MI. Die Grundhaltung von MI setzt sich aus den Elementen Kooperation, Mitgefühl, Akzeptanz und Evokation zusammen. Die Anwendung von MI eignet sich insbesondere in Kontexten, in denen der Klient oder die Klientin Ambivalenz gegenüber einer Verhaltensänderung bewusst erlebt. Diese Ambivalenz kann im Gespräch durch Change Talk und Sustain Talk zum Ausdruck gebracht werden. Change Talk beschreibt dabei alle eigenständigen Äußerungen des Klienten oder der Klientin, die für eine Verhaltensänderung sprechen. Dies kann sich in Wünschen, Fähigkeitsbekundungen, Gründen oder Notwendigkeiten sowie selbstverpflichtenden oder aktivierenden Äußerungen und Berichten über vergangene Erfolge widerspiegeln. Sustain Talk bezieht sich hingegen auf die andere Seite der Ambivalenz und beschreibt eigenständig geäußerte Gründe für den Status Quo. Ziel von MI ist es, die Entscheidungswaage in Richtung der Veränderung positiv zu beeinflussen. Um dies zu erreichen, werden zum einen die grundlegenden Kommunikationsstrategien offene Frage, Würdigung, Reflexion und Resümee (englisches Akronym OARS) angewendet. Zum anderen kommen spezifische Techniken zum Einsatz, um die Wichtigkeit der Veränderung sowie Hoffnung und Selbstvertrauen zu erhöhen und flexibel mit Sustain Talk und mit möglicherweise auftretender Dissonanz im Gespräch umzugehen (Miller & Rollnick, 2015).

Effekte von Lehrveranstaltungen, die dem Erlernen der Methode MI im Medizinstudium dienen, auf den Wissenszuwachs und auf die Fähigkeit der Studierenden, diese Methode anzuwenden, wurden berichtet (Kaltman & Tankersley, 2020). Die Autor_innen schlossen in einen Review 16 Studien ein, die Curricula zu MI an verschiedenen medizinischen Hochschulen und Universitäten untersuchten. Die Curricula unterschieden sich sowohl hinsichtlich der Auswahl an theoretischen Inhalten, die vermittelt wurden, als auch hinsichtlich der praktischen Übungen, die durchgeführt wurden. Als praktische Übungen wurden Videoanalysen, Gespräche mit realen Patient_innen und Rollenspiele zwischen Studierenden eingesetzt sowie SP-Gespräche mit anschließendem strukturiertem Feedback. In allen inkludierten Studien wurden signifikante Effekte der Lehrveranstaltungen auf den Wissenszuwachs und die Verbesserung der Kompetenz, die Methode MI anwenden zu können, gefunden.

Der Fokus dieses Artikels liegt auf der Lehre und Prüfung von MI nach Miller und Rollnick (2015) mithilfe von SP. Bisherige Publikationen thematisieren bereits den Einsatz von Rollenspielen und SP-Gesprächen zum Erlernen von MI (Chang et al., 2019; Childers et al., 2012). In einigen Artikeln wird dabei auch das Training der SP erwähnt bzw. die verwendeten Rollenskripte publiziert (Boykan et al., 2019; Jacobs et al., 2021; Mahoney et al., 2008). Der hier vorliegende Beitrag dient dazu, die Beschreibung der Fallkonstruktion und der Vorbereitung von SP bisheriger Publikationen zu vertiefen. Außerdem wird das Prüfen dieser Gesprächstechnik mittels einer an der Charité entwickelten literaturbasierten Checkliste beschrieben. Für die Erfassung der Leistung in der Anwendung von MI existieren bereits komplexe Erfassungsinstrumente wie der Motivational Interviewing Treatment Integrity Coding Manual 4.2.1 (MITI) (Moyers et al., 2016) oder auch der Behavior Change Counseling Index (BECCI), der von der University of Wales College of Medicine 2002 konzipiert wurde und der ebenfalls Aspekte zu MI enthält (Lane et al., 2005). Zum anderen gibt es auch kompaktere Ansätze (Haeseler et al., 2011) mittels derer versucht wird, die Kernelemente von MI zu erfassen. Die an der Charité eingesetzte Checkliste verfolgt das Ziel, MI in dessen Komplexität gerecht zu werden, gleichzeitig aber auch einfach handhabbar und zeitsparend anwendbar zu sein.

Fragestellung

Dieser Artikel setzt sich mit folgenden Fragestellungen auseinander:

  1. 1.
    Einsatz von SP: Was muss bei der Konzeption von MI-Rollen beachtet werden? Wie werden SP auf die Darstellung trainiert?
  2. 2.
    Lehre: Wie wird MI mithilfe von SP an der Charité Universitätsmedizin Berlin gelehrt? Wie bewerten Studierende und Dozierende diese Lehre?
  3. 3.
    Prüfungen: Wie wird MI am Standort Berlin mit SP geprüft? Wie erfolgt die Qualitätssicherung der Checkliste? Welche Ergebnisse erzielen die Studierenden?

Methode

An der Charité wird MI im Kommunikationsunterricht des vierten Semesters gelehrt und anhand von Rollenspielen und drei SP-Fällen geübt. Bei den praktischen Prüfungen am Ende des vierten Semesters werden MI-Kompetenzen in einer eigenen Prüfungsstation geprüft.

Einsatz von SP

Die SP-Rollenbeschreibungen für Lehre und Prüfungen wurden von Lehrverantwortlichen mit MI-Expertise entwickelt und werden stetig überprüft und weiterentwickelt. Die Rolleninhalte sind an das Lernziel angepasst, MI-Techniken anwenden zu können – sie sind so konzipiert, dass eine größtmögliche Resonanz auf spezifische MI-Techniken gewährleistet ist. Sie sind dabei so lebensnah wie möglich konstruiert: Wie bei allen SP-Rollen an der Charité werden neben der individuellen Krankheitsgeschichte auch Persönlichkeit, Auftreten, Einstellungen, das soziale Umfeld und Wünsche und Erwartungen an das ärztliche Gespräch entwickelt (Dudley, 2012; Nestel et al., 2015). Es wird zudem unterschieden zwischen Inhalten, die der Patient oder die Patientin frei erzählt, nur auf konkretes Nachfragen oder nur in angemessener Gesprächsatmosphäre berichtet. Die Ausgangslage bei allen MI-Rollen besteht darin, dass die Patient_innen ein hohes Maß an Ambivalenz bezüglich einer gesundheitsrelevanten Verhaltensänderung aufweisen. Der Patient oder die Patientin hat viele Gründe, die sowohl für als auch gegen eine Verhaltensänderung sprechen, was sich durch Diskrepanzen zwischen verschiedenen Zielen und Werten, Ängsten und Notwendigkeiten in den Verhaltensweisen ausdrückt. Dies bietet den Studierenden die Möglichkeit, durch die Anwendung von MI-Techniken ebenjene Diskrepanzen herauszuarbeiten und die Motivation in Richtung der Verhaltensänderung zu stärken. Überdies werden die SP in den Rollen angewiesen, mit ihrem Gegenüber in Dissonanz zu gehen, wenn sie bspw. belehrt oder bewertet werden. Wertung, Belehrung und Verordnung von Verhalten widersprechen der Grundhaltung von MI (Miller & Rollnick, 2015). Dissonanzen und die Verteidigung des Status Quo können auch bei MI-konformer Gesprächsführung vorkommen, Miller und Rollnick (2015) postulieren jedoch, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bei korrekter Anwendung von MI deutlich verringert.

Um die SP auf diese Aufgaben vorzubereiten, hat es sich als lohnenswert herausgestellt, in jedem Semester aufs Neue etwa 4,5 Stunden in entsprechende Rollentrainings für die SP zu investieren. In diesen Trainings, die von jeweils einer / einem SP-Trainer_in durchgeführt werden, werden fünf bis sieben SP gemeinsam auf ihre Einsätze vorbereitet. Den SP werden zunächst grundlegende Kenntnisse in MI vermittelt. Dies ist notwendig, damit sie in die Lage versetzt werden zu erkennen, ob durch die Studierenden MI-Techniken angewandt werden und die dahinterstehende Haltung im Sinne von MI erkennbar ist. Dabei besteht die große Herausforderung für Trainierende darin, sowohl ausreichend theoretische Grundlagen zu vermitteln und MI-Techniken praktisch zu üben als auch die SP nicht durch zu detaillierten theoretischen Input zu überfordern (Dudley, 2012). Tatsächlich sind MI-Rollen kognitiv hoch anspruchsvoll, da einerseits die Figur möglichst authentisch verkörpert werden soll und zeitgleich Elemente der Gesprächsführung des Gegenübers beobachtet und richtig identifiziert werden müssen, um schließlich die eigene Reaktion daran anzupassen. Um die SP zu diesen komplexen Aufgaben zu befähigen, werden in den Trainings neben der erwähnten theoretischen Einführung auch konkrete Übungen zum Äußern von Change Talk sowie zum Äußern von Dissonanz und Sustain Talk durchgeführt. In mehreren kurzen Rollenspielen nehmen die SP abwechselnd sowohl die Rolle der SP ein als auch die Rolle der Person, die MI anwendet. So wird den SP konkret auf Erfahrungsebene verdeutlicht, welche Herausforderungen die Studierenden bewältigen müssen und wie bestimmte Reaktionen der SP wiederum den Gesprächsverlauf beeinflussen können. Das Üben von Feedback bildet den Abschluss des Trainings. Die trainierende Person achtet hierbei darauf, dass das Feedback relevante und praktische Aspekte des Gesprächsverlaufs beinhaltet und die SP keine floskelhaften Formulierungen verwenden. So wird gewährleistet, dass die rollenspezifischen Punkte, an denen sich SP bei der Formulierung ihres Feedbacks an die Studierenden orientieren sollen, widerspiegeln, ob die Grundhaltung von MI wahrgenommen wurde und Techniken erfolgreich eingesetzt wurden.

In der Vorbereitung auf den Einsatz in Prüfungen sind weitere Aspekte zu beachten: Der Zeitrahmen der Prüfungsstation ist auf 8 Minuten begrenzt, die SP geben den Studierenden kein Feedback und zentrale Inhalte und Hinweise müssen standardisiert in jedem Prüfungsgespräch vorkommen. Die SP müssen die Ambivalenz ihrer Figur somit noch schneller erkennbar machen und auf korrekt angewandte MI-Techniken in hilfreicher Weise reagieren. Außerdem müssen sie unabhängig vom Gesprächsverlauf mehrfach in Dissonanz mit dem Gegenüber gehen, damit überprüft werden kann, ob die Studierenden in der Lage sind, flexibel und mit MI-konformer Haltung mit Beziehungsspannungen umzugehen. Zuletzt müssen die SP in der Lage sein, auch schnell wieder aus der Dissonanz herauszutreten, um neue Chancen für das Gespräch zu bieten. Dies kann einen Konflikt zwischen dem Anspruch einer möglichst authentischen Gesprächssituation und dem Bereitstellen von Möglichkeiten für zu prüfende Studierende hervorrufen, der für manche SP zunächst schwer anzunehmen sein kann.

Für den Einsatz in Prüfung und Lehre müssen SP zur Verkörperung von MI-Rollen so ausgewählt werden, dass ihnen zuzutrauen ist, diese komplexen Inhalte schnell zu verarbeiten und umzusetzen. Für diese Auswahl ist es notwendig, dass Fähigkeiten und Qualifikationen der einzelnen SP bekannt sind und erfasst werden. Im Berliner SP–Programm wurde hierfür eine spezielle SP-Datenbank auf ACCESS-Basis programmiert, in der Feedbackfertigkeiten, schauspielerische Kompetenzen und individuelle Stärken der SP regelmäßig dokumentiert werden. Grundlage für diese Einträge stellen Beobachtungen des Verhaltens der SP dar, die während der Trainings und bei den Einsätzen in Lehre und Prüfungen erfolgen. Dadurch kann langfristig auf Basis der gesammelten und dokumentierten Beobachtungsergebnisse entschieden werden, welche SP für welche Themen und Inhalte und insbesondere für MI-Einsätze am besten geeignet sind.

Lehre in Motivierender Gesprächsführung

Der Kommunikationskurs für Studierende erfolgt in Kleingruppen von neun Studierenden pro Lehrkraft und umfasst vier Termine à drei Unterrichtseinheiten (2 h 15 min / Unterrichtstermin) (Kienle et al., 2020). Der Kurs ist so konzipiert, dass die Vermittlung theoretischer Inhalte einen kleinen Teil der Unterrichtszeit ausmacht und ein großer Teil für interaktives Training mit vielen praktischen Übungen genutzt wird.

Zu Beginn des ersten Unterrichtstermins wird die bereits beschriebene Grundhaltung von MI erarbeitet. Der Schwerpunkt der folgenden Kurseinheiten dient dem praktischen Training der Gesprächsführungskompetenzen, die in MI eingesetzt werden. Dabei werden zunächst die grundlegenden Kommunikationsstrategien OARS erläutert und trainiert (Miller & Rollnick, 2015). Daran anschließend schulen sich die Studierenden darin, spezifische Techniken anzuwenden, die eingesetzt werden, um auf Change Talk zu reagieren (z. B. die Technik Wichtigkeitsrating), um flexibel mit Sustain Talk und Dissonanz umzugehen (z. B. die Technik Betonen der Wahlfreiheit) sowie Hoffnung und Selbstvertrauen zu erhöhen (z. B. die Technik Rückblick auf vergangene Erfolge). Trainiert werden die Basistechniken und die spezifischen Techniken durch folgende Unterrichtsmethoden: Videoanalyse aufgezeichneter Gesprächssituationen, Rollenspiele und SP-Gespräche. An drei der insgesamt vier Termine wird jeweils ein SP-Gespräch durchgeführt. Im ersten SP-Fall übt der oder die Studierende, ein ärztliches Gespräch zum Thema Nikotinentwöhnung zu führen. Im zweiten SP-Fall wird trainiert, Motivation zur Lebensstiländerung bei einem Patienten nach einem Schlaganfall zu fördern. Der dritte SP-Fall schult darin, die Therapieadhärenz bei einer dialysepflichtigen Person mit schwerer Niereninsuffizienz positiv zu beeinflussen.

Die Dozierenden haben vorab Zugriff auf die Rollenskripte und bereiten die Studierenden auf die bevorstehenden Gespräche vor. Die Studierenden erhalten jeweils eine Vorabinformation inklusive Aufgabenstellung für die einzelnen SP-Fälle, ohne jedoch bereits alle verfügbaren Informationen zu erfahren. Zur Veranschaulichung sind das Rollenskript und die darin enthaltenen Vorabinformationen für die SP-Interaktion des zweiten Unterrichtstermins der digitalen Fassung dieses Beitrags angefügt (Elektronische Supplemente, ESM 1). Das SP-Gespräch wird von einem oder einer Studierenden aus der Gruppe geführt, die anderen Studierenden sowie die Lehrkraft sind während des Gesprächs anwesend. Nach der Interaktion verlässt der oder die SP kurz den Raum, um das Feedback vorzubereiten. Die Feedbackrunde beginnt damit, dass der oder die Studierende Wünsche und Fragen äußern kann. Es folgt das SP-Feedback und anschließend die Rückmeldung von Studierenden und Dozierenden.

Da während der Corona-Pandemie der Kommunikationsunterricht online stattfand, wurden die SP-Gespräche als telemedizinische Videosprechstunde durchgeführt. Der Ablauf wurde nicht verändert.

Im Zeitraum zwischen Wintersemester 2015/16 und Wintersemester 2020/21 wurden alle 3274 Teilnehmenden der Unterrichtstermine gebeten, in einer freiwilligen Umfrage ihren Kompetenzzuwachs in der Anwendung von MI aufgrund des Kommunikationskurses zu beurteilen. Parallel dazu wurden auch die 304 Lehrenden seit Sommersemester 2016 gebeten, den Kompetenzzuwachs der Studierenden zu bewerten. Die Evaluation erfolgte durch zwei parallele Likert-Items, die fünf Antwortmöglichkeiten (stimme voll zu bis stimme gar nicht zu) beinhalteten. Im Wintersemester 2016/17 wurde keine Befragung der Lehrenden durchgeführt, daher fehlen Werte für dieses Semester. Im Sommersemester 2020 wurde der Unterricht einmalig ohne Einsatz von SP durchgeführt. Die erhobenen Daten dieses Semesters wurden deswegen nicht bei der Berechnung der Ergebnisse berücksichtigt.

Prüfung von Motivierender Gesprächsführung

Die MI-OSCE-Station ist Teil einer semesterübergreifenden mündlich-praktischen Stationenprüfung, die insgesamt aus 12 Prüfungsstationen besteht. Eine schlechte Leistung in einzelnen Stationen können die Studierenden mit besseren Leistungen in anderen Stationen ausgleichen. Die Leistung der Studierenden in der MI-Station wird durch Expert_innen der Charité mit ärztlich-psychiatrischem oder psychologischem Berufshintergrund mittels einer detaillierten Checkliste bewertet. Diese besteht aus neun Items. Die Antwortkategorien lauten vollständig erfüllt (1 Punkt), ausreichend (0.6 Punkte) und nicht erfüllt (0 Punkte). Der Summenscore der Skala dient zur Ermittlung des Mittelwerts. Die Bestehensgrenze beträgt 0.6.

Erfasst werden mit jeweils zwei Items: Ausdrucksformen von Empathie, die Kompetenz, Change Talk zu evozieren und die Kompetenz, auf Sustain Talk und Dissonanz flexibel zu reagieren. Mit einem Item wird die Kompetenz erfasst, Hoffnung und Selbstvertrauen zu evozieren. Die Gewichtung von je zwei zu einem Item wird der Tatsache gerecht, dass das Motivationsstadium der SP in der Prüfungsrolle von den zu prüfenden Studierenden erfordert, im Gespräch mehr Methoden einzusetzen, welche der SP die Wichtigkeit der Veränderung bewusster machen, als Methoden anzuwenden, die das Selbstvertrauen erhöhen.

Zwei weitere Items dienen der Erfassung der grundlegenden Kommunikationsstrategien (OARS): Mit je einem Item wird die Anzahl der offenen Fragen und die der Reflexionen festgehalten. Aufgrund der Kürze des Prüfungsgesprächs ist es meist nicht möglich, ein Resümee zu geben. Weiterhin haben je nach Gesprächsverlauf einige Studierende an geeigneter Stelle im Gespräch die Möglichkeit, Würdigungen zu äußern und andere nicht. Deswegen wurden für diese beiden Gesprächsführungsstrategien keine Items in die Checkliste aufgenommen. Die Checkliste ist weniger umfangreich aufgebaut als die Erhebungsinstrumente BECCI (Lane et al., 2005) oder MITI (Moyers et al., 2016) und wird dadurch dem zeitlich äußerst begrenzten Prüfungsgeschehen gerecht. Gleichzeitig werden die Techniken von MI detaillierter erfasst als in dem Erhebungsinstrument von Haeseler et al. (2011), um die Vielfalt der einsetzbaren Techniken in der Prüfung berücksichtigen zu können.

Ergänzend zur Checkliste liegt ein Leitfaden vor, der eine zusätzliche Bewertungsorientierung liefert. In dem Leitfaden werden die Verhaltensweisen, auf die sich die Items beziehen, explizit erläutert. Weiterhin wird definiert, mit welcher Häufigkeit die einzelnen Verhaltensweisen gezeigt werden müssen, um die entsprechende Bewertung in der jeweiligen Antwortkategorie (vollständig erfüllt, ausreichend, nicht erfüllt) zu rechtfertigen.

Zu Beginn eines jeden Prüfungstages findet eine einmalig zu besuchende MI-Schulung statt, die auf Inhalte und Struktur der Checkliste als auch auf die genaue Umsetzung des Leitfadens fokussiert. Nach der Schulung erfolgt die OSCE-Stationsstandardisierung mit allen Prüfenden des jeweiligen Tages unter Anleitung einer zuständigen Person des SP-Programms oder des Prüfungsbereichs. Hier stimmen sich die Prüfenden mit dem Ziel ab, anhand der Checkliste die Leistung der Studierenden objektiv zu beurteilen (Fuller et al., 2017; Preusche et al., 2012). Die SP spielen die Prüfungsstation einmal vor, wobei eine oder ein SP den Prüfling simuliert und die Prüfenden dabei die Checkliste ausfüllen. Nach entsprechender Abstimmung und Diskussion des Bewertungsmodus startet die Prüfung.

Zwischen Wintersemester 2019/20 und Wintersemester 2020/21 wurden insgesamt 893 Studierende in MI geprüft. Zur laufenden Qualitätssicherung der MI-Station zieht der Prüfungsbereich mehrere Kriterien heran, von denen hier eine Auswahl berichtet wird: Cronbachs Alpha der Checkliste lag im Wintersemester 2019/20 (N = 165) bei α = .68, im Sommersemester 2020 (N = 440) und im Wintersemester 2020/21 (N = 288) jeweils bei α = .63 und damit in einem fragwürdigen Bereich. Bei der Interpretation dieser Werte sollten neben den bekannten Konventionen (Bortz & Doering, 2006; Schmitt, 1996) weitere Aspekte bedacht werden, wie die Komplexität des zu erfassenden Konstruktes in Hinblick auf Inhalt und Struktur (Kline, 1999; Krüger et al., 2014; Schmitt, 1996). Wenn zudem der Determinationskoeffizient berechnet wird (Pell et al., 2010), wird ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt. Al-Osail et al. (2015) heben hervor, dass er in diesem Kontext als Reliabilitätsmaß interpretierbar ist. Er gibt an, wieviel Varianz einer abhängigen Variable durch eine unabhängige Variable erklärt wird. Zur Erhebung des Koeffizienten bewerteten die Prüfenden die Prüflinge zusätzlich zur Checkliste noch anhand eines globalen Ratings mit Schulnoten von 1 bis 5. Bessere Globalbewertungen sollten mit höheren Checklistenmittelwerten einhergehen.Die Prüfenden wurden vorab gebeten, die Globalnote unabhängig von der vergebenen Checklistenbewertung auf Basis ihrer Expertise zu vergeben. Die Determinationskoeffizienten lagen über die berücksichtigten Semester – Wintersemester 2019/20, Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21 – bei R² = .68, R² = .70, R² = .75, respektive R² = .74 (N = 616) und wiesen damit auf einen angemessenen Zusammenhang zwischen Globalbewertung und Checklistenscore hin (Pell et al., 2010).

Aktuell wurde im Prüfungszyklus im April 2021 eine Pilotstudie durchgeführt, in der je eines von drei Mitgliedern des Autor_innenteams mit je einer prüfenden Person in einer zugewiesenen MI-OSCE-Station die Studierendenleistung anhand der Checkliste bewertete. Alle Prüfenden und die drei Beobachter_innen besuchten vor Beginn der Prüfung die Stationsstandardisierung. Zur Bestimmung der Beobachtungsübereinstimmung wurden die Checklistenergebnisse der jeweiligen Beobachtungspaare korreliert. Es wurden insgesamt 37 Prüflinge beobachtet. Außerdem wurde eine schriftliche Prüfendenevaluation im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21 durchgeführt, die auf Grundlage der Evaluationsbogenvorlage von Schultz et al. (2008) konzipiert wurde. Neben einer Gesamteinschätzung der Station auf einer Schulnotenskala von 1 (sehr gut) bis 5 (mangelhaft) beinhaltete die Evaluation dreistufige Items, unter anderem zur Schwierigkeit (leicht bis schwer), zum Anwendungsbezug (hoch bis gering) der OSCE-Station und zur Struktur der Checkliste. An der Evaluation zur MI-Station nahmen insgesamt 30 Prüfende teil. Da Prüfende in seltenen Fällen in mehreren Semestern prüfen, ist nicht auszuschließen, dass vereinzelt Personen wiederholt an der Evaluation teilgenommen haben.

Zur Auswertung der Daten wurden die Befragungssoftware EvaSys und die Software IBM SPSS Statistics für Windows, Version 27, verwendet.

Ergebnisse

An der Lehrevaluation des Kommunikationskurses im vierten Semester nahmen zwischen dem Wintersemester 2015/16 und dem Wintersemester 2020/21 802 Studierende und 112 Lehrende teil. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 aufgeführt.

Abbildung 1 Prozentuale Verteilung der Antworten aus der Lehrevaluation auf die Aussage: „Ich habe / Die Studierenden haben durch den Kommunikationskurs gelernt, Gespräche nach dem Modell der motivierenden Gesprächsführung (Miller & Rollnick, 2015) zu führen.“

Die Studierenden der Charité erreichten in der MI-Station im vierten Semester des Modellstudiengangs vom Wintersemester 2019/20 bis zum Wintersemester 20/21 einen mittleren Prozentsatz von 78 % (SD = 2.13, N = 893), die einzelnen Item-Mittelwerte lagen zwischen 61 % und 91 %. Bei 87 % der Studierenden lag der erreichte Stationsmittelwert oberhalb der festgelegten Bestehensgrenze von 60 %. Die Berechnung der Beobachtungsübereinstimmung ergab, dass bei zwei Beobachtungspaaren in Hinblick auf die individuellen Stationsmittelwerte signifikante Korrelationen vorlagen, nämlich r = .74 (p = .009, N = 11) und r = .88 (p < .001, N = 12). Die aufgeklärte Varianz der Beobachtungspaare betrug folglich 55 % respektive 77 %. Für das dritte Beobachtungspaar lag eine nicht signifikante Korrelation vor, r = .47 (p = .091, N = 14), die aufgeklärte Varianz betrug 22 %. Die Auswertung der schriftlichen Evaluationen ergab, dass 20 % der Prüfenden die MI-Station als schwer erachteten, 66 % als mittelschwer und 14 % als leicht (n = 29). Von den Prüfenden stuften 96 % die Gesamtheit der Stationskonzeption auf einer Schulnotenskala von 1 bis 5 als sehr gut oder gut ein, 4 % vergaben ein befriedigend (n = 25). Den Anwendungsbezug der Station schätzten 71 % als hoch, 29 % als mittel ein (n = 28). Des Weiteren empfanden 79 % die Aufteilung der Punktevergabe der Checkliste als sinnvoll, 21 % als verbesserungswürdig (n = 28). Lediglich die Angaben zur Zeitvorgabe und die Klarheit der Kriterien zur Punktevergabe (Leitfaden) wurden teilweise kritisch eingeschätzt. So empfanden 41 % der Prüfenden die Zeitvorgabe von 8 Minuten pro Prüfling als zu knapp (n = 29) und 39 % die Klarheit des Leitfadens als verbesserungswürdig (n = 28).

Diskussion

Sowohl der Großteil der Studierenden als auch der Lehrenden bewerteten den Kompetenzzuwachs in MI durch den Kommunikationskurs als hoch. Dies weist darauf hin, dass sich das Unterrichtskonzept mit SP zum Erlernen von MI gut eignet, womit sich unser Praxisbericht in die Reihe publizierter Curricula zu MI im Medizinstudium und ihrer positiven Effekte eingliedert (Kaltman & Tankersley, 2020). Der berichtete Kompetenzzuwachs kann jedoch nicht unmittelbar auf den Einsatz von SP zurückgeführt werden, da es sich bei dem vorliegenden Bericht nicht um eine randomisierte Studie mit einer Kontrollgruppe aus Studierenden handelt, denen MI ohne Einsatz von SP vermittelt wurde. Eine solche Untersuchung konnte unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht durchgeführt werden, da es ethisch und rechtlich nicht vertretbar wäre, den Studierenden unterschiedliche Voraussetzungen zum Erwerb einer Kompetenz zu bieten, die im Anschluss an das Semester in einer OSCE geprüft wird. Andere Autor_innen haben jedoch bereits untersucht, ob der Einsatz von SP beim Erlernen von MI zu einer höheren MI-Kompetenz führt als das Üben anhand von Rollenspielen mit anderen Teilnehmenden (Lane et al., 2008; Mounsey et al., 2006). Lane et al. (2008) fanden signifikante Verbesserungen der MI-Kompetenz in beiden Gruppen im Vergleich zur Baseline, jedoch konnten in beiden Studien keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen gefunden werden. Zieht man die höheren Kosten von SP in Betracht, sollte also durchaus abgewogen werden, welche Methode zum Lehren von MI gewählt wird. Im Falle von praktischen Prüfungen sind SP für eine standardisierte Rollendarstellung jedoch unverzichtbar. Aus unserer Sicht ergibt es daher ebenfalls Sinn, auch schon im Unterricht mit SP zu arbeiten, unter anderem, um die Studierenden mit dieser Methode vertraut zu machen. Die grundlegenden Vorteile von SP im Vergleich zu Rollenspielen wie ein authentischeres Setting und konstruktives Feedback aus Patient_innen-Perspektive bleiben ebenfalls bestehen (Dudley, 2012; Owens & Gliva-McConvey, 2015).

Die Mehrheit der prüfenden Expert_innen stuften die MI-OSCE-Station insgesamt als sehr gut oder gut ein. Sie empfanden sie mehrheitlich als realitätsnah und bewerteten die Aufteilung der Punktevergabe der Checkliste überwiegend als sinnvoll. Der mittlere erreichte Prozentsatz der Studierendenleistung als auch die Bestehensrate in der MI-Station weisen darauf hin, dass sie gut zu bewerkstelligen ist. Dies deckt sich mit den Einschätzungen der Prüfenden, die die Station mehrheitlich als mittelschwer einstuften. Die Beurteilung des Leitfadens durch die Prüfenden weist darauf hin, dass die Kriterien zur Punktevergabe für die Items nochmals überdacht werden sollten, um die Handhabbarkeit der Checkliste weiter zu erhöhen. Die in dem Pilotprojekt erhobene Interrater-Reliabilität lag in Hinblick auf die durch die Studierenden erreichten Checklistenmittelwerte bei zwei Beobachtungspaaren in einem guten, bei einem Beobachtungspaar in einem nicht zufriedenstellenden Bereich. Für die Folgestudien werden deshalb, zusätzlich zur Anpassung des Leitfadens zur Checkliste, die vor den Prüfungen stattfindenden Standardisierungsmaßnahmen nochmals kritisch reflektiert und überarbeitet. Zusammenfassend weisen die hier dargestellten Ergebnisse gemeinsam mit den laufend erhobenen Werten zu Cronbachs Alpha und den Determinationskoeffizienten darauf hin, dass die Checkliste einsetzbar ist, weitere Analysen und Revisionen jedoch angezeigt sind. Die Durchführung einer konfirmatorischen Faktorenanalyse zum Nachweis einer theoriebasierten Faktorenstruktur, die Bestimmung der Interraterreliabilität bei Einsatz von mehr als zwei Beobachter_innen (Wirtz & Caspar, 2002) sowie für das Prüfungsformat OSCE gängige Analysen wie die Ermittlung der Generalizability Koeffizienten (Brennan, 2001) sind geboten.

Schlussfolgerungen

Der Einsatz von SP beim Lehren und Prüfen von MI erfordert detaillierte Rollenbeschreibungen und Trainingskonzepte, in denen den SP sowohl die Grundlagen dieser Gesprächstechnik als auch spezifische – und im Falle der Prüfungen hochstandardisierte – Reaktionsmuster vermittelt werden. Die SP-gestützte Vermittlung von MI im Rahmen des an der Charité eingesetzten Lehrkonzeptes wird von Lehrenden und Studierenden als effektiv erlebt. Zur Prüfung von MI in OSCEs wird eine als mittelschwer eingestufte Prüfungsstation eingesetzt, die von Expert_innen als realitätsnah bewertet und von den Studierenden gut bewerkstelligt wurde. Die Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes für das Prüfen dieser Gesprächstechnik beinhaltet das Spannungsfeld zwischen der Findung eines praktikablen, unter Zeitlimit einsetzbaren Messinstrumentes auf der einen und der zufriedenstellenden Operationalisierung des komplexen Konstrukts auf der anderen Seite.

Elektronische Supplemente (ESM)

Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000637

Das Autor_innenteam dankt dem Team Qualitätssicherung der Charité, insbesondere Martin Krebber, für die Bereitstellung der Ergebnisse der Studierenden- und Dozierendenevaluation.

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