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Call for Papers

Frühe Bildung 3/2025

    Published Online:https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000636

    Schwerpunkt „Krisen und ihr Transformationspotential“

    Betreuung des Themenschwerpunktes: Katrin Lattner und Susanne Viernickel

    Die anhaltenden krisenhaften Ereignisse der vergangenen Jahre haben das Kita-System unter massiven Handlungsdruck gesetzt. Krisen sind massive Störungen des „normalen“ privaten oder beruflichen Lebens, ausgelöst durch nicht unmittelbar zu bewältigende Ereignisse oder Entwicklungen. Sie werden als schwerwiegende Beeinträchtigung bisheriger Lebensvollzüge, Prozesse oder Zielerreichungen erlebt (Salewski & Köhler, 2005, S. 214). Meist treten Krisen unerwartet und plötzlich ein, so dass ein Rückgriff auf eingespielte, routinierte Handlungsmuster und bisher tragfähige Strategien der Alltagsbewältigung nicht möglich ist. Krisen können aber auch als Symptomatik eines nicht (mehr) stimmigen Systems gelesen werden. Sie irritieren und geben Anlass zu Wandel und Veränderung, die einen Ausweg aus einem Zustand des Unwohlseins, zu verbesserter Passfähigkeit und sogar Innovation führen können: „Wenn Krise als Krise im Sinne ihrer Wortbedeutung als Scheideweg oder Entscheidungsmoment ernst genommen wird, bietet sich die Möglichkeit, wahrscheinlich aber vielmehr die Notwendigkeit, die gegenwärtigen Krisen als Gestaltungsaufgabe zu ergreifen“ (Widdascheck, 2023, S. 7).

    Im FBBE-System haben Krisen auf unterschiedlichen Ebenen Auswirkungen auf (Bildungs-)Politik, Einrichtungsträger bzw. Fachberatung, Teams und Einrichtungen sowie pädagogische Fachkräfte (vgl. u.a. Urban et al., 2011), aber auch auf deren Verhältnis bzw. Zusammenarbeit (Jankowicz & Lattner, in Druck). So sind Träger und Personal von Kindertageseinrichtungen gegenwärtig gefordert, auf multiple Krisen zu reagieren, die unmittelbar nacheinander, parallel bzw. in Verschränkung miteinander auftreten. Umweltbezogene Krisen von globalem Ausmaß wie Krieg, Pandemie oder Klimawandel treffen auf die systembezogene Krise des Mangels an pädagogischem Fachpersonal, verbunden mit hoher Mitarbeiter_innenfluktuation und steigenden Krankenständen. Darüber hinaus können akute Krisen auf der Ebene einzelner Träger oder Einrichtungen entstehen, etwa durch Kinderschutzvorfälle oder eskalierende Konflikte im Team, mit Eltern oder zwischen Kita-Leitung und Träger. Schließlich berühren und beeinflussen auch Krisen individueller Akteur_innen wie Sucht- oder Burnout-Problematiken von Mitarbeiter_innen oder krisenhafte Prozesse in den Familien bzw. bei Kindern das System Kita in seiner Gesamtheit.

    Der Umgang damit fordert insbesondere Fachkräfte in der Interaktions- und Beziehungsgestaltung mit Kindern und Familien heraus, irritiert Norm- und Normalitätskonstruktionen und forciert Veränderungen z.B. im Hinblick auf Alltagsstrukturen, Inhalte und Formate von Aus- und Fortbildungsangeboten, Digitalisierungsprozesse und das professionelle Selbstverständnis pädagogischer Akteur_innen (Jankowicz & Lattner, in Druck). Gerade in krisenhaften Zuständen ist die Bereitstellung bedarfsorientierter Unterstützungsleistungen (wie z.B. Betriebliches Gesundheitsmanagement, Supervision, Fortbildungsangebote, zusätzliche Kräfte für ggf. nicht-pädagogische Zusatzaufgaben) Voraussetzung dafür, dass die Ressourcen des pädagogischen Fachpersonals in den Einrichtungen gestärkt werden und deren Gesundheit bzw. Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben (u.a. Viernickel, Voss & Mauz, 2017).

    Mit der Zielperspektive einer resilienten Kita ist zu fragen, wie die „Qualität der Arbeitsbeziehungen innerhalb und zwischen den Ebenen des FBBE Systems und dessen organisationale Resilienz und Krisenfestigkeit“ (Lattner et al., 2022, S. 59) gestärkt werden können. Damit rückt neben der individuellen Herstellung von Stabilität in Krisen zugleich die institutionelle Verantwortung von politischen Entscheidungsträger_innen (in Bezug auf z.B. gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen) in den Fokus.

    Für das geplante Schwerpunktheft „Krisen und ihr Transformationspotential“ laden wir Autor_innen zu Einreichungen unter nachfolgenden Fragestellungen ein:

    • Wie lassen sich Krisen im System frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung hinsichtlich ihrer Ursachen, Verläufe und Effekte beschreiben?
    • Wie erleben Kinder, Eltern, Träger und/oder pädagogische Fach- und Leitungskräfte oder auch Kita-Sozialarbeiter_innen Krisen und wie gehen sie damit um?
    • Welche Auswirkungen haben Krisen auf der institutionellen (z.B. Kita-Schließungen, konzeptionelle Anpassungen), interaktionalen (z.B. Interaktions- und Beziehungsgestaltung) und individuellen (z.B. Gesundheit, professionelles Selbstverständnis) Ebene?
    • Worin liegen Erklärungen für unterschiedliche Erlebens- und Umgangsformen sowie Auswirkungen von Krisen? Welche Muster, Einflussgrößen und -pfade lassen sich rekonstruieren?
    • Welche konstruktiven Lösungen und innovativen Ansätze werden im Kontext krisenhafter Ereignisse hervorgebracht? (Wie) lassen sich diese produktiv auch längerfristig für die Stabilisierung und/oder Weiterentwicklung zu einem resilienten Kita-System nutzen?
    • Welche Ressourcen bzw. Unterstützungsleistungen werden vom pädagogischen Fachpersonal bzw. Einrichtungsträgern vor, während und nach Krisensituationen aktiviert bzw. als unterstützend erlebt? Welche Rolle spielen Träger, Fachberatung, Weiterbildung sowie betriebliche, administrative und rechtliche Strukturen?
    • Wie können Erzieher_innen/Kindheitspädagog_innen resilient(er) für die pädagogische Praxis von Morgen ausgebildet werden? Welche neuen/ zusätzlichen Schwerpunkte gilt es in der Ausbildung in Zukunft zu implementieren?

    Erwünscht sind empirisch informierte Beiträge, die Bezüge zu Theoriebeständen/theoretischen Konzeptualisierungen herstellen und eine klare Orientierung an Gütekriterien bzw. Standards qualitativer und/oder quantitativer Sozialforschung erkennen lassen. Implikationen für die pädagogische Praxis sollen thematisiert werden. Willkommen sind explizit auch Beiträge auf der Grundlage ausgezeichneter Qualifikationsarbeiten.

    Manuskripteinreichungen werden an Prof. Dr. Susanne Viernickel ([email protected]) bis spätestens 01.05.2024 erbeten.

    Literatur

    • Jankowicz, V. & Lattner, K. (in Druck). „Die Normalität, die haben wir alle vermisst“ – Kita-Normalitätskonstruktionen pädagogischer Fachkräfte. In F. Beier A. Epp M. Hinrichsen I. Kollmer J. Lipkina P. Vehse (Hrsg.), (Neue) Normalitäten? Erziehungswissenschaftliche Auslotungen, Kontextualisierungen und Explikationen . Weinheim, Basel: Beltz. Google Scholar

    • Lattner, K. , Otto, A. , Strehmel, P. & Borkowski, S. (2022). Fachkräftegesundheit in Kitas in Zeiten von Corona. Darauf kommt es an! Oder? – Was sagt die Forschung? FORUM Jugendhilfe 4 (Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ) , 56–61. Google Scholar

    • Salewski, W. & Köhler, F. (2005). Krisenmanagement. In D. Frey L. von Rosenstiel C. Graf Hoyos (Hrsg.), Wirtschaftspsychologie (S. 214–219). Weinheim: Beltz. Google Scholar

    • Urban, M. , Vandenbroeck, M. , von Laere, K. , Lazzari, A. & Peeters, J. (2011). CoRe. Competence requirements in early childhood education and care. a study for the European commission directorate-general for education and culture. Final Report . University of East London, University of Ghent. Google Scholar

    • Viernickel, S. , Voss, A. & Mauz, E. (2017). Arbeitsplatz Kita. Belastungen erkennen, Gesundheit fördern . Weinheim: Beltz. Google Scholar

    • Widdascheck, C. (2023). Ist das Kunst oder kann das weg? Vom Kopf auf die Füße! Kita Fachtexte . Verfügbar unter https://www.kita-fachtexte.de/de/fachtexte-finden/ist-das-kunst-oder-kann-das-weg-vom-kopf-auf-die-fuesse Google Scholar