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Editorial

Nicht replizieren: publizieren!?

Published Online:https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000253

Zusammenfassung. In der (Pädagogischen) Psychologie sind Replikationsstudien bislang extrem seltene Ausnahmen. Dieser Artikel legt dar, dass und warum Wiederholungsstudien unentbehrlich sind. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, warum – trotz des enormen Mehrwerts – nahezu keine Replikationen publiziert werden und warum viele „Ergebnisse“ der psychologischen Forschung nicht replizierbar sind. Dass es sich bei diesen Sachverhalten nicht um Vermutungen handelt, wird durch vorliegende Untersuchungen belegt. Die Ursachen dafür liegen in verschiedenen – teilweise voneinander abhängigen – Ebenen des Wissenschaftssystems: die verbreitete – aber abwegige – Ansicht, „statistische Signifikanz“ indiziere auch die Wahrscheinlichkeit, einen Befund replizieren zu können; die Verwechslung von „statistisch signifikant“ mit relevant; die Unsitte, getestete Untersuchungshypothesen erst im Nachhinein (ex post), also in Kenntnis der Resultate einer Studie, aufgestellt zu haben, aber in der Publikation als theoretisch abgeleiteten Ausgangspunkt (d. h. a priori formuliert) auszugeben; die α-Fehler-Inflationierung durch multiple statistische Signifikanztestungen; das exklusive Berichten von Ergebnissen, welche die Forschungshypothesen stützen, verbunden mit dem Unterschlagen abweichender Befunde; mangelnde Konstruktvalidität der verwendeten Messinstrumente; Lug und Betrug in der Wissenschaft; die Geringschätzung von Replikationen durch Zeitschriftenherausgeber, Gutachter und Drittmittelgeber. All das führt dazu, dass fast ausschließlich „statistisch signifikante“ und „neue“ Ergebnisse veröffentlicht werden und falsche Theorien persistieren. Als Gegenmaßnahmen werden beispielhaft genannt: eine großzügige finanzielle Förderung von Replikationsprojekten und ihrer Publikation; die nachdrückliche gutachterliche Befürwortung der Veröffentlichung methodisch adäquater Wiederholungsstudien; die Bereitschaft von Fachzeitschriften, dafür genug Platz bereitzustellen; die Anerkennung des großen wissenschaftlichen Werts von Wiederholungsstudien, auch in Berufungsverfahren. Daraus ergibt sich, dass mit den aufgezeigten Möglichkeiten und Forderungen zur Etablierung und Förderung von Replikationsstudien unterschiedliche Adressaten parallel angesprochen werden müssen. Nachhaltige Veränderungen sind allerdings nur erreichbar, wenn die einzelnen Akteure (Forscher; Gutachter; Zeitschriftenherausgeber; Berufungskommissionen; Drittmittelgeber) ihre individuelle Verantwortung anerkennen und entsprechende Taten folgen lassen.


Don't Replicate: Publicate!?

Abstract. To date replications of published research results are extremely rare exceptions in (educational) psychology. The following article emphasizes the great scientific benefits and indispensability of replication studies. The question is pursued why – despite the tremendous additional value – almost no replication studies are published and why many research findings could not be replicated. There are manifold reasons for these issues: The widespread – but absurd – opinion that “statistical significance” informs about the probability to replicate a research finding; the confusion of “statistical significance” with relevance; the bad habit to pose a tested hypothesis retrospectively (ex post), thus in knowledge of the findings of the study, but passing it off as the theoretical derived origin of the research work (i. e. formulated a priori); the inflation of the α-error due to multiple significance testing; exclusively reporting results which support the research hypotheses in conjunction with embezzling deviating findings; insufficient construct validity of the measures; fraud and deceit in science; the traditional contempt for replications by editors, reviewers and third-party funders. All these reasons lead to the fact that almost exclusively “statistical significant” and “new” results are produced and published and – therefore – false theories persist. Some essential countermeasures are outlined: a generous funding of replication studies and their publications; an emphatic reviewer's acceptance of methodically adequate replication studies; the willingness to provide sufficient space in journals for replication studies; the appreciation of the great scientific benefit of replication studies, also in appointment procedures. Consequently, this would mean that different addressees have to be approached with the countermeasures in order to establish and promote replication studies. However, sustainable changes can only be achieved if all protagonists (researchers; reviewers; journal editors; appointment committees; third-party funders) acknowledge their individual responsibility and suit the action to the word.

Literatur