CME Sonografie 106: Bursa subacromialis – ein Mythos CME-Fragen
Abstract
Zusammenfassung. Im klinischen Alltag sind wir sehr häufig mit Bursitiden konfrontiert. Sie können in praktisch jeder Gelenksregion z.B. bei lokalen mechanischen Überlastungen oder nach einem Trauma oder im Rahmen einer entzündlichen Systemerkrankung auftreten. In dieser Übersichtsarbeit fokussieren wir auf die Bursen im Bereich der Schulter und möchten einen Beitrag leisten, um vom «Mythos Bursitis subacromialis» wegzukommen.
Abstract. In everyday clinical practice, we frequently encounter bursitis. It can occur in practically any joint region, for example in local mechanical overload situations, after a trauma or in the context of an inflammatory systemic disease. In this review we focus on the location of bursitis in the shoulder region and would like to contribute to get away from the “myth” called subacromial bursitis.
Im Artikel verwendete Abkürzungen
SAPS Subacromial Pain Syndrome
SIRVA Shoulder Injury Related to Vaccine Administration
Einleitung
Bursen sind für die normale Bewegung unerlässlich und spielen eine Rolle in der Pathogenese von Schulterschmerzen und -dysfunktionen. Bursen sind mit einer Synovialmembran ausgekleidet, was Koch bereits 1795 beschrieben hat [16]. Im klinischen Alltag sind wir sehr häufig mit Bursitiden konfrontiert. Diese können praktisch in jeder Gelenksregion auftreten. Pathologische Bursitiden können z.B. sowohl bei lokalen mechanischen Überlastungssituationen wie auch nach einem Trauma oder im Rahmen einer entzündlichen Systemerkrankung auftreten.
Das Vorhandensein einer Bursitis ist als Beispiel bei der Polymyalgia rheumatica ein Klassifikationskriterium (Tabelle 2) [1, 2, 3]:
Eine Zusammenstellung rheumatologischer Krankheitsbilder finden Sie hier: https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1024/1661-8157/a003767 [6].
In der Tabelle 1 ist eine Auswahl von Erkrankungen aufgelistet, die am Beispiel der Schulter eine Bursitis hervorrufen können.
Fallbericht
Der 60-jährige Patient beklagt drei Wochen postoperativ nach Rekonstruktion der degenerativ rupturierten Rotatorenmanschette starke anteriore Schulterschmerzen mit Schwellung. Klinisch ist die Haut gerötet. Der Patient ist in gutem Allgemeinzustand. Die Sonografie (Abb. 1) zeigt eine isoechogene Bursitis.
Anatomie
Im Folgenden fokussieren wir auf die Lage der Bursen im Bereich der Schulter und möchten einen Beitrag leisten, um vom «Mythos Bursitis subacromialis» als isolierte Bursa wegzukommen. Sowohl in der aktuellen Literatur, in den klassischen Lehrbüchern als auch im klinischen Alltag sprechen die meisten Kolleg:innen von der «Bursa subacromialis». De facto gibt es an der Schulter multiple Bursen, die z.B. subkutan (z.B. Bursa subcutanea acromialis), im Bereich des Ursprungs oder Ansatzes eines Muskels, zwischen Muskelgruppen/Faszien/Sehnen/Knochen (z.B. Bursa subdeltoidea) oder auch in Kontakt mit einem Gelenk/einer Gelenkkapsel (z.B. Bursa subtendinea m. subscapularis) liegen (Tabelle 3, Abb. 2).
Bursen «polstern» und vermindern die Reibung z.B. in Richtung Knochen. Monroe verfasste eine erste vollständige anatomische Beschreibung und illustrierte im 18. Jahrhundert in seinem Anatomiebuch «A description of all the bursae mucosae of the human body» eindrücklich die verschiedenen Bursen aller Körperregionen [12]. Bywaters publizierte 1965 eine Auswahl der Illustrationen und unterstrich die klinische Bedeutung der präzisen Kenntnis der anatomischen Lage der Bursen [13], um diese im Rahmen der Diagnostik und Differenzialdiagnose nicht zu verpassen. Bursen bestehen histologisch aus zwei Schichten: aus der Membrana fibrosa bzw. dem Stratum fibrosum und der Membrana synovialis bzw. dem Stratum synoviale, welche die Synovialflüssigkeit produziert und auch wieder resorbieren kann. Synovialzellen werden in Typ-A- und Typ-B-Zellen eingeteilt. Typ-A-Zellen sind für die Abwehr und die Phagozytose des Zelldetritus zuständig, wohingegen Typ-B-Zellen die Burseninnenflüssigkeit, die Synovia, bilden. Im Gelenk hat die Synovia vor allem eine nutritive Funktion, während sie in der Bursa mechanische Funktionen wahrnimmt, z.B. fixiert Hyaluronsäure (Hyaluronsäure liegt als Hyaluronat-Proteinkomplex in der Synovia vor) das Plasmadialysat im Bursalumen [16].
Die im klinischen Alltag am meisten betroffene Bursa ist die Bursa subdeltoidea
Mehrere Autoren [14] gehen davon aus, dass die Bursa subdeltoidea aus drei verschiedenen Teilen besteht:
- •Pars subdeltoidea, eigentliche Bursa subdeltoidea
- •Pars subacromialis der Bursa subdeltoidea
- •Pars subcoracoidea der Bursa subdeltoidea (seltener, inkonsistent, kommt in ca. 37% der Fälle vor [14])
Wir unterstützen und empfehlen, diese Einteilung im Alltag zu benutzen. Der subacromiale und der subcoracoidale Anteil der Bursa sind im Vergleich zum subdeltoidalen Teil deutlich kleiner (Abb. 3, 4, 5, 6, 7 und 8). Anatomische Beobachtungen rechtfertigen nicht die ausschliessliche Verwendung des Begriffs «subacromial» gegenüber «subdeltoid», in der aktuellen (englischsprachligen) Literatur wird in der Regel häufig die Bezeichnung «subacromiale-subdeltoide» Bursa verwendet. Eine isolierte «Bursa subacromialis», die nicht in Kommunikation mit der Bursa subdeltoidea steht, ist selten (je nach Literatur bis <6% [14]). Eine Trennung einer «Bursa subacromialis» von einer «Bursa subdeltoidea» könnte auch durch das gelegentliche Vorliegen von Adhäsionen oder einer synovialen Plica – wie wir es gut beim Kniegelenk kennen – oder aufgrund unterschiedlicher Präparationstechniken erklärt werden [14]. Die oberflächliche Schicht der Pars subacromialis der Bursa subdeltoidea liegt seitlich an der Unterfläche des Akromions und des Ligamentum coracoacromiale, ist mit der Fascia subdeltoidea verbunden und kann in der Fossa supraspinata zwischen dem M. trapezius und dem M. supraspinatus visualisiert werden; die tiefe Schicht ist mit der anterioren (Subscapularis) und lateralen (Supraspinatus, Infraspinatus) Rotatorenmanschette und dem Tuberculum majus verwachsen. Die Bursa erleichtert funktionell die Bewegung zwischen Humeruskopf und dem coracoacromialen Bogen. Gemäss Kennedy et al. [15] wurde in Kadaverstudien der subacromiale Teil der Bursa subdeltoidea als grösste Bursa gemessen:
Abmessungen, Mittelwert ± SD (Bereich) in cm, Messrichtung
- •Pars subacromialis der Bursa subdeltoidea: 5,6 ± 1,6 (2,1–8,0), anterior-posterior und 6,0 ± 1,6 (3,7–9,2), medial-lateral
- •Pars subdeltoidea, eigentliche Bursa subdeltoidea: 3,8, anterior-posterior und 2,5, medial-lateral
- •Bursa coracobrachialis: 2,3 ± 1,0 (0,9–3,7), medial-lateral und 2,6 ± 0,9 (1,2–4,8), superior-inferior
- •Bursa subcoracoidea: 1,5 ± 0,5 (0,9–2,2), medial-lateral und 1,6 ± 0,5 (1,0–2,3), superior-inferior
- •Bursa subtendinea subscapularis: 2,8 ± 1,0 (0,8–4,8)c, medial-lateral und 2,6 ± 1,1 (1,3–4,5)c, superior-inferior
Die vorgeschlagene Einteilung wird zudem unterstützt durch die unterschiedliche sensible Innervation der drei erwähnten Bursaabschnitte (Abb. 9):
- •Der subacromiale Bereich wird innerviert vom N. suprascapularis
- •der laterale N. pectoralis innerviert den subcoracoidalen und teilweise den subdeltoidalen Teil und
- •der N. axillaris innerviert die Pars subdeltoidea der Bursa subdeltoidea.
Die Blutversorgung der Bursa im kaudalen Teil und der Rotatorenmanschettensehnen auf der bursalen Seite erfolgt durch dieselben Arterien: Die craniale und caudale Bursa werden hauptsächlich von der Arteria thoracoacromialis, Arteria suprascapularis und vordere und hintere Arteria circumflexa humeri versorgt. Der kraniale Teil wird hauptsächlich anterior durch die Arteria thoracoacromialis und posterior und medial durch die Arteria circumflexa humeralis posterior versorgt. Beim kaudalen Teil sind anterior die Arteria circumflexa humeralis anterior und posterior und medial die Arteria circumflexa humeralis posterior beteiligt. Die Arteria suprascapularis verzweigt sich an der Oberseite des Ligamentum coracohumerale und die Arteria subcoracoidea verzweigt sich an der Unterseite desselben Bandes. Letztere versorgt auch die Strukturen des Rotatorenmanschettenintervalls in der Nähe der caudalen Bursa [14].
Im Folgenden werden einzelne Beispiele häufiger Bursitiden mit Schwerpunkt Bursa subdeltoidea mit den drei Anteilen im Ultraschallbild dargestellt (Abb. 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28 und 29).
CME Fragen
Teil 1: «CME Sonografie 106: Bursa subacromialis – ein Mythos», S.833
Im Jahr 2022 vergibt die SGAIM 1 Creditpunkt für die korrekte Bearbeitung (60%) von zwei CME-Beiträgen pro «Praxis»-Ausgabe. Den zweiten CME-Beitrag finden Sie auf S.847, den Antworttalon auf S.854.
Frage 1: Welche Aussage zur Bursa subdeltoidea stimmt? (Einfachauswahl)
- a)a) Diese Bursa subdeltoidea kommuniziert immer mit dem Gelenk.
- b)Die Bursa subdeltoidea besteht aus fünf Anteilen.
- c)Eine Bursitis subdeltoidea spricht immer für eine Polymyalgia rheumatica.
- d)Eine Bursitis subdeltoidea kommt nach einem Trauma nie vor.
- e)Die Bursa subdeltoidea besteht aus drei Anteilen.
Frage 2: Was kann zu einer Bursitis subdeltoidea führen? (Einfachauswahl)
- a)Ein Trauma
- b)Eine rheumatoide Arthritis
- c)Ein mechanisches subakromiales Impingement
- d)Eine retraktile Kapsulitis
- e)Alle Antworten stimmen
Frage 3: Welche Aussagen zur Abbildung 30 stimmen? (Mehrfachauswahl)
- a)Es erfolgt eine Injektion in die Bursa subscapularis.
- b)Es erfolgt eine Injektion in die Bursa subdeltoidea.
- c)Es erfolgt eine Injektion in die Bursa subacromialis.
- d)Es wird eine «in plane»-Technik angewandt.
- e)Es wird eine «out of plane»-Technik angewandt.
Frage 4: Welche Bursitis liegt nicht im Schulterbereich? (Einfachauswahl)
- a)Bursa subtendinea m. infraspinati
- b)Bursa subcutanea acromialis
- c)Bursa olecrani
- d)Bursa infraserrata
- e)Bursa supraserrata
Frage 5: Welche Bursa kommuniziert beim Gesunden praktisch immer mit dem glenohumeralen Gelenk? (Einfachauswahl)
- a)Bursa subdeltoidea, Pars subacromialis
- b)Bursa subdeltoidea, Pars subdeltoidea
- c)Bursa subdeltoidea, Pars subcoracoidea
- d)Bursa subcutanea acromialis
- e)Bursa subtendinea m. subscapularis
Frage 6: Welche Nummer bezeichnet die entzündete Bursa subdeltoidea? (Abb.31) (Einfachauswahl)
- a)1
- b)2
- c)3
- d)4
- e)5
Frage 7: Welche Aussage zur Lage der Bursa subcoracoidea stimmt? (Einfachauswahl)
- a)Die Bursa liegt posterior des Processus coracoideus und medial vom Ansatz der Sehne des M. pectoralis minor.
- b)Die Bursa liegt anterior des Processus coracoideus und lateral vom Ansatz der Sehne des M. pectoralis minor.
- c)Die Bursa liegt zwischen dem Processus coracoideus und der Clavicula.
- d)Die Bursa liegt zwischen dem Processus coracoideus und der 1. Rippe.
- e)Alle Antworten stimmen.
Frage 8: Das Vorhandensein einer Bursitis ist ein Klassifikationskriterium bei der Polymyalgia rheumatica. Welche Bursen sind in den Klassifikationskriterien erwähnt? (Mehrfachauswahl)
- a)Bursa olecrani
- b)Bursa trochanterica
- c)Bursa subscapularis
- d)Bursa subdeltoidea
- e)Bursa infraserrata
Bibliografie
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