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Open AccessOriginalarbeit

Wissenschaftskommunikation wissenschaftlich arbeitender Psycholog_innen im deutschsprachigen Raum

Eine Bestandsaufnahme

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000606

Abstract

Zusammenfassung: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung möchte in Zukunft Wissenschaftskommunikation gezielter fördern. Dies passt zu einer kürzlich veröffentlichten Forderung des Wissenschaftsrats, der sich von wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen mehr Wissenschaftskommunikation wünscht. Um Wissenschaftskommunikation gezielt fördern zu können, bedarf es allerdings zunächst einer Bestandsaufnahme über den aktuellen Umfang und die Art geleisteter Wissenschaftskommunikation. Vor diesem Hintergrund befragten wir in einer empirischen Erhebung wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen im deutschsprachigen Raum (N = 740). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich deutschsprachige Psycholog_innen insbesondere im internationalen Vergleich weniger häufig im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagieren. Als Hauptgrund für Wissenschaftskommunikation gaben die Teilnehmer_innen an, dass ihnen Wissenschaftskommunikation Spaß macht und dass sie der Gesellschaft und den Steuerzahler_innen gegenüber die Verpflichtung zur Wissenschaftskommunikation empfinden. Als hemmende Faktoren wurden mangelnde Zeit, geringe Priorisierung und Zweifel an der notwendigen eigenen Kompetenz genannt. Zur Förderung von Wissenschaftskommunikation wünschten sich die Teilnehmer_innen insbesondere stärkere institutionelle Unterstützung bei administrativen Aufgaben und Lehrtätigkeiten. In der Diskussion ordnen wir die Ergebnisse in den Rahmen vorheriger internationaler Umfragen ein und erörtern Möglichkeiten zur Förderung von Wissenschaftskommunikation.

Communication from Scientifically Active Psychologists in the German-Speaking Countries: An Empirical Evaluation of the Current Situation

Abstract: The German Federal Ministry of Education and Research (BMBF) expressly promotes communication from the scientific community. This corresponds to a recently published demand by the German Council of Science and Humanities (Wissenschaftsrat), which would like to see more communication from scientifically active psychologists. To promote scientific communication, however, it is first necessary to establish how and how much scientists are involved in scientific communication. This article presents a survey among scientifically active German-speaking psychologists (N = 740). The results show that German-speaking psychologists were less frequently engaged in scientific communication than researchers in other countries. The respondents stated that the main reason to engage in scientific communication was that it was fun and that they felt obligated to communicate scientific concerns to society and taxpayers. Lack of time, low prioritization, and doubts about one’s competence were the strongest inhibiting factors. More institutional support for administrative tasks and for teaching activities were the most frequently listed wishes to promote scientific communication. In the Discussion section, we put these findings in context with prior international surveys and consider means of promoting scientific communication.

„Nothing in science has any value to society if it is not communicated“ (Anne Roe, The making of a Scientists, 1953, p. 17)

In den letzten Jahren wurde der Ruf nach mehr Wissenschaftskommunikation durch Wissenschaftler_innen immer lauter. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beispielsweise hat in einem kürzlich veröffentlichten Grundsatzpapier angekündigt, Wissenschaftskommunikation als integralen Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens zukünftig stärker zu fördern und die Erforschung der Wissenschaftskommunikation zu intensivieren (BMBF, 2019). Ausgehend von dieser Forderung startete das BMBF im Herbst 2020 den Strategieprozess #FactoryWisskomm (2021). Ziel dieses Prozesses ist es, Wissenschaftskommunikation in den nächsten Jahren unter anderem strukturell stärker zu verankern und den Austauschprozess zwischen Wissenschaft und Gesellschaft besser zu verstehen. Die im April 2021 veröffentlichten Handlungsperspektiven (#FactoryWisskomm, 2021) definieren sechs zentrale Handlungsfelder. Konkret soll (1) der Kompetenzaufbau durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen ermöglicht und gefördert, (2) die Anerkennung und Reputation von Wissenschaftskommunikation gesteigert, (3) die Forschung zu Wissenschaftskommunikation gestärkt, (4) qualitativ gute Wissenschaftskommunikation gesichert, (5) Wissenschaftskommunikation – unterstützt durch die Politik – stärker gefördert und (6) der (digitale) Wissenschaftsjournalismus gefördert werden.

Die Psychologie eignet sich zur Wissenschaftskommunikation wie kaum eine andere Disziplin. Eine Besonderheit der Psychologie ist dabei, dass die Anwendung psychologischen Wissens (z. B. in Beratung, Psychoedukation, Lehramtsausbildung etc.) an die Kommunikation dieses Wissens geknüpft ist, sodass die Wissenschaftskommunikation den zugrundeliegenden Forschungsgegenstand selbst verändern kann (Bromme & Kienhues, 2014). Beispielsweise können Wechselwirkungen zwischen Lehrer_innen und Schüler_innen durch Informationen, die Wissenschaftler_innen mit der Öffentlichkeit teilen, beeinflusst werden.

Gleichzeitig ist die öffentliche Wahrnehmung der Psychologie geprägt von Mythen und Missverständnissen, die einer wissenschaftlichen Überprüfung häufig nicht standhalten (Furnham & Hughes, 2014; Lilienfeld, Lynn, Ruscio & Beyerstein, 2011). Ein Grund dafür könnte sein, dass sich wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen nicht hinreichend stark dafür engagieren, ihr psychologisches Wissen mit der Öffentlichkeit direkt zu teilen (Wissenschaftsrat, 2018). Da die Inhalte der Psychologie häufig nahe am Alltag der Menschen liegen und damit Einfluss auf das Erleben und Verhalten nehmen können, ist Wissenschaftskommunikation, die die Psychologie in einem realistischen Bild zeichnet, umso wichtiger. Nicht zuletzt aus diesem Grund verlangt der Wissenschaftsrat (2018) von der Psychologie mehr Engagement bei Transferaktivitäten. Unter Transfertätigkeiten versteht der Wissenschaftsrat neben einer Bandbreite verschiedener Aktivitäten wie zum Beispiel Beratung, Dienstleistungsaufgaben, oder kooperativer Forschung mit Industriepartner_innen insbesondere auch Wissenschaftskommunikation.

Gleichzeitig möchte das BMBF Wissenschaftskommunikation im gesamten Wissenschaftssystem in Zukunft verstärkt fördern (BMBF, 2019). Die aus dessen Grundsatzpapier hervorgehende Forderung nach einem „Wandel hin zu einer kommunizierenden Wissenschaft“ impliziert, dass die Wissenschaft aus Sicht des BMBF bislang zu wenig mit der Öffentlichkeit kommuniziert. Unklar ist jedoch, auf welcher empirischen Basis diese Einschätzung beruht und inwiefern sie auf wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen zutrifft. Um eine Grundlage für eine empirisch fundierte Förderung von Wissenschaftskommunikation zu schaffen, führten wir eine erste empirische Bestandsaufnahme unter wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen durch. Dadurch leisten wir einen Beitrag zur Forderung der #FactoryWisskomm (2021) wonach nicht nur die Förderung von Wissenschaftskommunikation, sondern auch die Forschung zu Wissenschaftskommunikation in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erhalten soll. Dabei interessierten uns insbesondere die folgenden Fragen: Wer betreibt in welchem Ausmaß und in welcher Form Wissenschaftskommunikation in der Psychologie? Welche Gründe sprechen aus Sicht von forschenden Psycholog_innen für und gegen Wissenschaftskommunikation? Welche Barrieren gilt es aus ihrer Sicht abzubauen, um Wissenschaftskommunikation zu fördern?

Zur Beantwortung dieser Fragen orientierten wir uns unter anderem an einer kürzlich erschienenen Studie, die Wissenschaftskommunikation insbesondere im Sinne von Public Understanding of Science versteht (Könneker et al., 2018). Public Understanding of Science bezeichnet den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit mit dem Ziel, wissenschaftliche Inhalte fachfremden Personen und Institutionen zugänglich und verständlich zu machen. In unserer Untersuchung interessieren wir uns dabei für personale Wissenschaftskommunikation, bei der Forscher_innen direkt mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Diese Art personaler Wissenschaftskommunikation ist von medial vermittelter Wissenschaftskommunikation, bei der typischerweise Journalist_innen über Wissenschaft berichten, abzugrenzen. Könneker und Kollegen untersuchten in ihrer Studie zwischen 2014 und 2018 988 Wissenschaftler_innen in 89 Ländern (darunter auch Deutschland). Da diese Studie nur einen geringen Anteil deutschsprachiger Wissenschaftler_innen befragte und sich ausschließlich auf Jungwissenschaftler_innen in MINT-Disziplinen und den Wirtschaftswissenschaften konzentrierte, bleibt unklar, inwiefern sich die Ergebnisse auf ein breiteres Altersspektrum wissenschaftlich arbeitender Psycholog_innen in Deutschland übertragen lassen. Um diese Lücke zu schließen, befragten wir eine große Stichprobe wissenschaftlich arbeitender Psycholog_innen im deutschsprachigen Raum.

Wer betreibt wie häufig Wissenschaftskommunikation?

In den vergangenen beiden Dekaden haben sich mehrere Untersuchungen in verschiedenen Ländern mit der Frage beschäftigt, welche Wissenschaftler_innen wie häufig Wissenschaftskommunikation betreiben. Fächerübergreifende Daten aus dem englischsprachigen Raum zeigen, dass die Mehrheit der Wissenschaftler_innen zumindest hin und wieder Wissenschaftskommunikation betreibt – ein Trend, der in den letzten Jahren zugenommen hat. Zum Beispiel hat eine Umfrage aus dem Jahr 2000 noch ergeben, dass 56 % der Forschenden in Großbritannien zumindest einmal im Jahr vor der Befragung Wissenschaftskommunikation betrieben (Welcome Trust, 2000). Sechs Jahre später waren es bereits 74 % der Forschenden (The Royal Society, 2006) und im Jahr 2015 sogar 82 % (Hamlyn et al., 2015).

Auch in den USA ist personale Wissenschaftskommunikation laut aktueller Daten stark verbreitet. Dort gaben im Jahr 2015 rund 89 % aller Mitglieder der American Association for the Advancement of Science an, oft oder gelegentlich Wissenschaftskommunikation zu betreiben (Pew Research Center, 2015). Zum Engagement deutscher Wissenschaftler_innen im Bereich Wissenschaftskommunikation gibt es bisher nur wenige Untersuchungen. Eine kürzlich erschienene Studie ergab, dass sich auch die Mehrheit deutschsprachiger Jungwissenschaftler_innen im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagiert (Könneker et al., 2018). Allerdings ist dieses Engagement weniger stark ausgeprägt als bei Jungwissenschaftler_innen anderer Länder. Betrachtet man die Daten deskriptiv, zeigt sich, dass bei 10 von 12 abgefragten Wissenschaftskommunikationsformen deutschsprachige Jungwissenschaftler_innen weniger häufig Wissenschaftskommunikation betreiben als ihre internationalen Kolleg_innen (für Details siehe Tabelle 2). Da bisher keine Daten zu Psycholog_innen in Deutschland vorliegen, untersuchten wir in der vorliegenden Studie, wie häufig sich wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen im deutschsprachigen Raum im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagieren.

Um herauszufinden, warum manche Wissenschaftler_innen häufiger Wissenschaftskommunikation betreiben als andere, untersuchten frühere Forschungsarbeiten, was Wissenschaftler_innen, die häufig Wissenschaftskommunikation betreiben, von solchen unterscheidet, die dies eher selten tun. Ein Großteil dieser Forschung untersuchte dabei demographische Gesichtspunkte. Ein wiederkehrender Befund dieser Untersuchungen ist, dass die Häufigkeit von personaler Wissenschaftskommunikation mit ansteigendem Alter zunimmt (Bauer & Jensen, 2011; Bentley & Kyvik, 2011; Besley & Oh, 2013; Crettaz von Roten, 2011; Kreimer, Levin & Jensen, 2011; Kyvik, 2005; The Royal Society, 2006; Torres-Albero, Fernández-Esquinas, Rey-Rocha & Martín-Sempere, 2011; Welcome Trust, 2000; siehe Andrews et al., 2005; Jensen, 2011 für gegenteilige Ergebnisse). Wenn Alter mit der Häufigkeit an Wissenschaftskommunikation zusammenhängt, dann sollten auch andere Faktoren, die mit dem Alter zusammenhängen (wie z. B. Karrierestufe und h-Index), positiv mit der Häufigkeit von Wissenschaftskommunikation korrelieren. In unserer Untersuchung überprüften wir diese Hypothese.

Zudem deuten einige Studien darauf hin, dass Männer häufiger personale Wissenschaftskommunikation betreiben als Frauen (Bentley & Kyvik, 2011; Besley, 2015; Besley, Oh & Nisbet, 2013; Crettaz von Roten, 2011; Kreimer et al., 2011; Torres-Albero et al., 2011; Welcome Trust, 2000). Allerdings fanden einige Untersuchung einen umgekehrten Zusammenhang (Crettaz von Roten, 2011; Ecklund, James & Lincoln, 2012; Jensen, 2011) oder gar keinen Geschlechterunterschied (The Royal Society, 2006; siehe auch Bauer & Jensen, 2011). Die Forschung zu Geschlechterunterschieden in der Wissenschaftskommunikation zeigt also kein einheitliches Bild auf. Da aus Deutschland und der Psychologie keine Daten zu Geschlechtereffekten vorliegen, untersuchten wir in der nachfolgenden Studie, inwiefern sich Frauen und Männer in der Häufigkeit von personaler Wissenschaftskommunikation unterscheiden.

Welche Formate von Wissenschaftskommunikation werden genutzt?

Wissenschaftler_innen nutzen zur Wissenschaftskommunikation eine große Bandbreite verschiedener Formate. In Großbritannien gehören zum Beispiel Führungen durch wissenschaftliche Institute, populärwissenschaftliche Vorträge, die Beratung von Politik, sowie die Zusammenarbeit mit Schulen und Lehrer_innen zu den vier am häufigsten genutzten Formaten (The Royal Society, 2006). Erst danach folgen Interviews (z. B. für Zeitungen, Fernsehen und Radio) sowie das Verfassen eigener populärwissenschaftlicher Beiträge. Daten aus Deutschland legen nahe, dass wissenschaftliche Erkenntnisse am häufigsten über populärwissenschaftliche Vorträge, Institutsführungen und Interviews kommuniziert werden (Könneker, Niemann & Böhmert, 2018). Weniger häufig kommunizieren deutsche Wissenschaftler_innen mittels eigener populärwissenschaftlicher Artikel, Social-Media-Beiträgen und Vorlesungen für Kinder. Ausstellungen, öffentliche Podiumsdiskussionen, Science Slams, Webvideos und populärwissenschaftliche Bücher werden am seltensten für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit genutzt. Gänzlich offen geblieben ist in vorheriger Forschung, welche Formate wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen im deutschsprachigen Raum nutzen, um Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Dies untersuchten wir in der vorliegenden Studie.

Aus welchen Gründen wird Wissenschaftskommunikation betrieben?

Die Studie von Könneker et al. (2018) ist auch aufschlussreich in Bezug auf mögliche Motive für das Engagement in personaler Wissenschaftskommunikation in Deutschland und anderen Ländern. So gaben rund 75 % der Nachwuchswissenschaftler_innen außerhalb Deutschlands an, dass Wissenschaftskommunikation zum Erfolg in der wissenschaftlichen Karriere beiträgt. In Deutschland gaben dies nur 51 % der Befragten an. Als andere wichtige Faktoren für die Entscheidung zu Wissenschaftskommunikation gaben die Teilnehmer_innen die Freude daran und ein Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft an. Diese Untersuchung lässt allerdings offen, inwiefern diese Gründe auch für wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen zutreffend sind. Wir untersuchten dies in der vorliegenden Studie.

Welche Barrieren verhindern Wissenschaftskommunikation?

Die Ursachen, die Wissenschaftler_innen von Wissenschaftskommunikation abhalten, sind vielfältig. Einer der meistgenannten Gründe ist mangelnde Zeit (z. B., Könneker et al., 2018; The Royal Society, 2006). Auch fehlende Fördergelder, Probleme bei der Verbreitung der Kommunikation und eine fehlende Ausbildung oder nach eigener Einschätzung mangelnde Fertigkeiten in der Wissenschaftskommunikation werden genannt (Burchell, Franklin & Holden, 2009; Neresini & Bucchi, 2011). Andere Umfragen legen nahe, dass die Sorge, als wenig erfolgreiche_r oder unseriöse_r Wissenschaftler_in zu gelten, ein zusätzlicher Hindernisgrund sein kann (The Royal Society, 2006). Weitere Barrieren sind die Angst, dass Rezipient_innen der Kommunikation persönliche, familiäre oder andere Probleme mit dem / der Kommunikator_in besprechen oder diskutieren möchten (Burchell, Franklin & Holden, 2009). Außerdem besteht Unsicherheit im Umgang mit Laien (d. h. Wissenschaftler_innen wissen nicht genau, wie sie mit Laien kommunizieren sollen) und einige Wissenschaftler_innen befürchten, in der Öffentlichkeit bestünde ein mangelndes Interesse an Wissenschaft (Könneker et al., 2018). In der vorliegenden Umfrage untersuchten wir, welche Barrieren speziell wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen berichten.

Die vorliegende Untersuchung

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Bestandsaufnahme über den aktuellen Umfang und die Art geleisteter personaler Wissenschaftskommunikation unter wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen. Dabei interessierten uns insbesondere die folgenden Fragen: Wer betreibt in welchem Ausmaß und in welcher Form Wissenschaftskommunikation in der Psychologie? Welche Gründe sprechen aus Sicht von forschenden Psycholog_innen für und gegen Wissenschaftskommunikation? Welche Barrieren nehmen Wissenschaftler_innen wahr, die verhindern, dass sie (noch intensiver) Wissenschaftskommunikation betreiben? Welche Maßnahmen und Anreize könnten das Engagement an Wissenschaftskommunikation erhöhen?

Als Grundlage orientierten wir uns an der multinationalen Befragung von Jungwissenschaftler_innen verschiedener Disziplinen von Könneker et al. (2018). Diese Untersuchung ermöglicht deskriptive Vergleiche zwischen Psycholog_innen und Wissenschaftler_innen anderer Disziplinen in Deutschland und weiteren Ländern. Die Stichprobe von Könneker et al. (2018) enthielt allerdings nur Jungwissenschaftler_innen der MINT Disziplinen und Wirtschaftswissenschaften mit einem geringen Anteil an deutschsprachigen Wissenschaftler_innen. Um Schlussfolgerungen über wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen mit einem breiten Altersspektrum im deutschsprachigen Raum ziehen zu können, befragten wir deshalb eine deutschsprachige Stichprobe wissenschaftlich arbeitender Psycholog_innen. Zudem ergänzten wir die Fragen von Könneker et al. durch weitere Items, um die Wissenschaftskommunikation von wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen detaillierter abbilden zu können.

Methode

Teilnehmer_innen

Unser Ziel war es, Wissenschaftskommunikation von deutschsprachigen, wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen abzubilden. Um uns dieser Stichprobe zu nähern, akquirierten wir Teilnehmer_innen über zwei verschiedene Wege. Zum einen machte die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) am 16. Juni 2020 über ihren E-Mail-Verteiler alle Mitglieder der DGPs auf unsere Onlinestudie aufmerksam. Zum anderen schrieben wir alle Psychologieinstitute an deutschsprachigen Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Bitte zur Teilnahme und Weiterleitung des Links zur Onlinestudie an. Am 25. August 2020 beendeten wir die Datenerhebung. Vor der Datenanalyse schlossen wir sechs Personen aus, die angaben, dass sie in den letzten 24 Monaten nicht im Bereich der wissenschaftlichen Psychologie tätig waren. Der finale Datensatz umfasste 740 wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen (479 weiblich; 254 männlich; 2 divers; 5 keine Angabe) im Alter von 18 bis 83 Jahren (M = 37.48; SD = 11.31), die in Deutschland (90.1 %), Österreich (5.1 %), der Schweiz (2.7 %) oder andernorts (1.9 %) tätig waren. Die Teilnehmer_innen waren Doktorand_innen (36.8 %), Postdocs (28.4 %), Inhaber_innen einer unbefristeten Professur (21.1 %), einer Assistenzprofessur (z. B. Juniorprofessur, Assistant Professor, Nachwuchsgruppenleiter_in; 4.7 %) oder hatten eine andere Positionen inne (8.8 %). Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der Fachgruppenzugehörigkeiten der Teilnehmer_innen.

Um die Repräsentativität unserer Stichprobe zu überprüfen, verglichen wir unsere Stichprobe mit der Mitgliederzusammensetzung der DGPs. Allerdings spiegeln möglicherweise auch die DGPs-Mitglieder das akademische Personal in der Psychologie nicht repräsentativ wider. So ist der Altersdurchschnitt der DGPs-Mitglieder vermutlich höher als in der Zielpopulation, da promovierende Wissenschaftler_innen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit bereits Mitglied in der DGPs sind als Wissenschaftler_innen in einer fortgeschritteneren Karrierephase. Vergleicht man unsere Stichprobe dennoch mit der Verteilung der Mitglieder der DGPs zum Zeitpunkt der Befragung, dann zeigt sich große Übereinstimmung. So weicht die Verteilung der Fachgruppenzugehörigkeit unserer Stichprobe im Durchschnitt nur 1.1 % von der Verteilung in der DGPs ab (vgl. Tabelle 1). In Bezug auf Karrierestufe lässt sich feststellen, dass in unserer Stichprobe der Anteil promovierender Wissenschaftler_innen (37.3 %) nur geringfügig höher ist als in der DGPs (35 %). Da der Altersdurchschnitt der DGPs-Mitglieder vermutlich höher ist als in der Zielpopulation wissenschaftlich arbeitender Psycholog_innen, interpretieren wir den Unterschied in der Karrierestufe als Zeichen erhöhter (nicht verringerter) Repräsentativität.

Tabelle 1 Fachgruppenzugehörigkeiten in der DGPs und der Teilnehmer_innen in der vorliegenden Umfrage (in %, N = 740)

Ablauf

Nachdem die Teilnehmer_innen auf der ersten Seite des Online-Fragebogens über den Zweck der Studie informiert wurden und eine Einverständniserklärung unterzeichnet hatten, erfassten wir auf der zweiten Seite, ob die Teilnehmer_innen innerhalb der letzten 24 Monate im Bereich der wissenschaftlichen Psychologie tätig waren (ja vs. nein)1. Zudem erfassten wir auf einer 5-stufigen Skala, ob ihre Forschung eher anwendungs- oder grundlagenorientiert ist (1 = vollkommen grundlagenorientiert; 3 = beides; 5 = vollkommen anwendungsorientiert). Am Schluss der zweiten Seite erfassten wir demographische Daten (Geschlecht, Alter, Land des Arbeitgebers, momentane Karrierestufe, Jahr des Beginns der Dissertation und h-index gemäß Web of Science / Thomson / Reuters). Auf der dritten Seite gaben die Teilnehmer_innen auf einer Vier-Punkte-Skala (1 = nie; 2 = 1- bis 3-mal; 3 = 4- bis 6-mal; 4 = mehr als 6-mal) an, wie häufig sie welche Formate für Wissenschaftskommunikation in den letzten 24 Monaten genutzt hatten. Falls die Teilnehmer_innen in den letzten 24 Monaten zumindest einmal eines der Formate benutzt hatten, bewerteten sie auf der vierten Seite auf einer Fünf-Punkte-Skala (1 = überhaupt nicht; 5 = voll und ganz), inwiefern welche Gründe für ihr Wissenschaftskommunikationsengagement sprachen. Auf der fünften Seite bewerteten dann alle Teilnehmer_innen auf einer Fünf-Punkte-Skala (1 = überhaupt nicht; 5 = voll und ganz) Gründe, die sie daran gehindert hatten, (noch) mehr Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Auf der sechsten Seite bewerteten sie auf einer Fünf-Punkte-Skala (1 = überhaupt nicht; 5 = voll und ganz) Maßnahmen, die sie veranlassen könnten, in Zukunft häufiger Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Am Ende hatten alle Teilnehmer_innen die Möglichkeit Ihre E-Mail-Adresse anzugeben, um über die Ergebnisse der Untersuchung informiert zu werden.

Tabellen 2 – 5 zeigen eine Übersicht aller Items, sowie die Verteilung der Antworten, beziehungsweise die Mediane, Mittelwerte und Standardabweichungen.2

Ergebnisse

Wer kommuniziert wie häufig?

Um die Daten für die Analysen vorzubereiten, berechneten wir zuerst den Mittelwert über alle Aktivitäten in der Wissenschaftskommunikation in den letzten 24 Monaten. Bei der Interpretation dieses Mittelwerts gilt es zu beachten, dass die Teilnehmer_innen die Häufigkeit der Aktivitäten auf einer Vier-Punkte-Skala (1 = nie; 2 = 1- bis 3-mal; 3 = 4- bis 6-mal; 4 = mehr als 6-mal) angaben. Der Mittelwert entspricht daher nicht der tatsächlichen Anzahl aller Aktivitäten in der Wissenschaftskommunikation, sondern dem Mittelwert der Skalenpunkte.

Von den 740 Teilnehmer_innen hatten 640 (86.5 %) in den letzten 24 Monaten zumindest einmal Wissenschaftskommunikation betrieben (siehe Tabelle 2 für weitere Details) und folglich 100 Teilnehmer_innen nicht. Eine Korrelationsanalyse zeigte, dass Psycholog_innen umso mehr Wissenschaftskommunikation betrieben, je angewandter sie ihre Forschung einschätzten. Dieser Zusammenhang war allerdings äußerst klein (r = .08, p = .03).

Geschlecht

Ein t-Test für unabhängige Stichproben zeigte, dass Männer (M = 1.38; SD = 0.35) etwas häufiger Wissenschaftskommunikation betrieben als Frauen (M = 1.27; SD = 0.25), t‍(731) = 4.72, p < .001, d = 0.37. Allerdings waren die Frauen in unserer Stichprobe jünger als die Männer und im Durchschnitt in weniger hohen Karrierestufen angestellt (ts > 8.14, ps < .001, ds > 0.66). Kontrolliert man statistisch für den Einfluss der Karrierestufe, so ist der Effekt des Geschlechts auf Wissenschaftskommunikation nicht mehr signifikant, F‍(1, 667) = 0.85, p = .356.

Alter und Karrierestufe

Um uns der Frage weiter zu nähern, wer Wissenschaftskommunikation betreibt, korrelierten wir die mittlere Häufigkeit des Engagements in der Wissenschaftskommunikation in den letzten 24 Monaten mit verschiedenen Variablen, die mit dem Alter zusammenhängen. Neben dem Alter, r = .38, p < .001, korrelierten auch die Karrierestufe (r = .47, p < .001), die Anzahl an Jahren seit Beginn der Dissertation (r = .37, p < .001) und der h-Index (r = .35, p < .001) mit der mittleren Häufigkeit an Wissenschaftskommunikation.

Alter und Karrierestufe korrelierten in unserer Stichprobe stark (r = .78, p < .001). Deshalb berichten wir im weiteren Verlauf nur die Korrelationen mit der Karrierestufe, da wir – bei aller Vorsicht der Interpretation korrelativer Daten – die Karrierestufe als relevantere Einflussvariable für Wissenschaftskommunikation erachteten.

Tabelle 2 Übersicht über Items und Antworten zu den Formaten von Wissenschaftskommunikation

Formate von Wissenschaftskommunikation

Tabelle 2 zeigt, dass deutschsprachige Psycholog_innen am häufigsten über populärwissenschaftliche Vorträge (47.2 % der Teilnehmer_innen haben dies mindestens einmal innerhalb der vergangenen 24 Monate getan), Interviews (z. B. Radio & Fernsehen, 46.9 %) und soziale Medien (z. B. Twitter oder Facebook, 41.5 %) kommunizierten. Am wenigsten häufig wurde Wissenschaftskommunikation über Science Slams, Webvideos, Vorlesungen für Kinder und eigene populärwissenschaftliche Bücher betrieben (alle < 7.5 %). Vergleicht man diese Werte deskriptiv mit den Angaben von Könneker et al. (2018), so lässt sich feststellen, dass sich deutschsprachige Psycholog_innen ungefähr gleich häufig wie deutsche Jungwissenschaftler_innen anderer Disziplinen, aber etwas weniger als internationale Jungwissenschaftler_innen anderer Disziplinen in den verschiedenen Bereichen der Wissenschaftskommunikation engagieren (siehe Tabelle 2).

Im nächsten Schritt wandten wir uns der Frage zu, ob der oben berichtete allgemeine Anstieg an Aktivitäten der Wissenschaftskommunikation mit der Karrierestufe in gleicher Weise für alle ihre Formate gilt. Dazu korrelierten wir die Karrierestufe mit der Häufigkeit, mit der verschiedene Formen der Wissenschaftskommunikation betrieben werden (siehe Tabelle 2). Es zeigte sich, dass fast alle Formen der Wissenschaftskommunikation mit ansteigender Karrierestufe häufiger ausgeübt wurden. Es gab jedoch deutliche Unterschiede in den Effektstärken.

Gründe für Wissenschaftskommunikation

Bei den Gründen für Wissenschaftskommunikation wurden die Reichweite (M = 4.07, SD = 0.98), die Verpflichtung gegenüber Steuerzahler_innen (M = 3.73, SD = 1.23), die erlebte Freude (M = 3.66, SD = 1.05), die moralische Verpflichtung (M = 3.66, SD = 1.16), sowie die Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrads (M = 3.57, SD = 1.17) am stärksten gewichtet. Zusätzliche Zitierungen (M = 1.05, SD = 1.09), Evaluationen (M = 2.43, SD = 1.27) und die Chancen auf dem Jobmarkt (M = 1.25, SD = 2.44) spielten für die Teilnehmer_innen hingegen nur eine untergeordnete Rolle (siehe Tabelle 3).

Um herauszufinden, warum sich erfahrenere von weniger erfahrenen Wissenschaftler_innen hinsichtlich der Häufigkeit von Wissenschaftskommunikation unterscheiden, betrachteten wir die Korrelationen zwischen den Gründen für Wissenschaftskommunikation und der Karrierestufe (siehe Tabelle 3). Es zeigten sich nur wenige substantielle Zusammenhänge. Allerdings zeigt sich: Je früher sich die Wissenschaftler_innen in ihrer Karriere befanden, desto größer war der erhoffte Nutzen von Wissenschaftskommunikation für den Jobmarkt (r = -.36) und desto mehr zusätzliche Zitationen erhofften sie sich (r = -.21).

Barrieren für Wissenschaftskommunikation

Die Faktoren, die die Wissenschaftskommunikation aus Sicht der Teilnehmer_innen am stärksten hinderten (vgl. Tabelle 4) waren Zeitmangel (M = 3.80, SD = 1.12), Priorisierung anderer Aufgaben (M = 3.57, SD = 1.27) und mangelnde Ausbildung im Bereich der Wissenschaftskommunikation (M = 3.24, SD = 1.24). Barrieren, die Sorgen über die Wirkung von oder Vorbehalte gegenüber Wissenschaftskommunikation ansprachen (bringt nichts, macht keinen Spaß, geringes Interesse, meine Forschung ist nicht geeignet) wurden niedrig gewertet (alle M < 2.05).

Die Barrieren galten im Wesentlichen für erfahrene und weniger erfahrene Wissenschaftler_innen in ähnlicher Form. Nennenswerte Korrelationen mit der Karrierestufe ergaben sich lediglich bei Items, die ein Defizitempfinden auf Seiten von Jungwissenschaftler_innen nahelegen: So empfanden Jungwissenschaftler_innen im Vergleich zu älteren Wissenschaftler_innen eher, dass es ihnen an notwendiger Ausbildung (r = -.28), (institutioneller) Unterstützung (r = -.23) und finanziellen Mitteln (r = -.21) für Wissenschaftskommunikation fehlte.

Anreize für Wissenschaftskommunikation

Die Teilnehmer_innen sprachen sich zur Förderung von Wissenschaftskommunikation insbesondere für eine Entlastung von institutionellen Verpflichtungen (wie z. B. geringeres Lehrdeputat) aus (M = 3.95, SD = 1.23). Auch der Notwendigkeit von institutioneller Unterstützung bei der Durchführung, Organisation und Verbreitung von Wissenschaftskommunikation (z. B. Hilfe beim Verfassen von Pressemitteilungen, Korrekturlesen, o. ä.) wurde deutlich zugestimmt (M = 3.72, SD = 1.21). Darüber hinaus gaben die Teilnehmer_innen an, dass eine finanzielle Förderung von Wissenschaftskommunikation, eine gleiche Gewichtung von Wissenschaftskommunikation und Publikationen in Fachzeitschriften sowie Bonuszahlungen sie zu mehr Wissenschaftskommunikation bewegen könnten (alle M > 3.54). Weniger Anreiz sahen die Teilnehmer_innen hingegen in der Vergabe von Auszeichnungen für Wissenschaftskommunikation (M = 2.44, SD = 1.30; vgl. Tabelle 5).

Auffallend ist, dass sämtliche zur Auswahl stehenden Anreize und Fördermöglichkeiten höhere Zustimmungsraten von Wissenschaftler_innen in weniger fortgeschrittenen Karrierestufen erhielten, im Vergleich zu weiter fortgeschrittenen Karrierestufen (alle r < -.16). Die einzige Ausnahme von dieser Regel stellte der Wunsch nach Entlastung bei institutionellen Verpflichtungen dar (z. B. Lehrdeputat, Gremienarbeit).

Tabelle 3 Gründe für Wissenschaftskommunikation
Tabelle 4 Barrieren für Wissenschaftskommunikation
Tabelle 5 Fördermöglichkeiten und Anreize

Diskussion

Das BMBF attestiert deutschen Wissenschaftler_innen, dass sie zu wenig mit der Öffentlichkeit kommunizieren – eine Feststellung, die der Wissenschaftsrat in seinem Gutachten über die Lage der Psychologie teilt (Wissenschaftsrat, 2018). Die empirische Basis für diese Feststellung ist allerdings unklar. Die aus dem Bericht des BMBF resultierende #FactoryWisskomm (2021) hat das Ziel, in den nächsten Jahren Wissenschaftskommunikation stärker zu verankern und den Austauschprozess zwischen Wissenschaft und Gesellschaft besser zu verstehen. Mit dem Ziel, dieser Diskussion empirische Daten beizusteuern und die Grundlage für mögliche Fördermaßnahmen zu schaffen, befragten wir 740 wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen mit einem breiten Alters- und Karrierespektrum im deutschsprachigen Raum.

Vergleich mit anderen Untersuchungen

Die große Mehrheit (86.5 %) der befragten wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen gab an, dass sie sich zumindest einmal in den letzten zwei Jahren im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagiert hatte. Trotz dieses hohen Niveaus liegt dieser Wert unterhalb des Engagements, das in fachübergreifenden Untersuchungen in anderen Ländern dokumentiert wurde (Hamlyn et al., 2015; Könneker et al., 2018; Pew Research Center, 2015). Vergleicht man deskriptiv die vorliegenden Ergebnisse von wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen hingegen mit jenen von deutschen Wissenschaftler_innen verschiedener Fachrichtungen (Könneker et al., 2018), so zeigt sich, dass Psycholog_innen ungefähr gleich häufig wie andere deutsche Wissenschaftler_innen Wissenschaftskommunikation betreiben. Bedenkt man allerdings, dass Könneker et al. nur Jungwissenschaftler_innen befragten und ältere Wissenschaftler_innen häufiger Wissenschaftskommunikation betreiben als Jungwissenschaftler_innen, dann liegt der Schluss nahe, dass sich deutschsprachige Psycholog_innen insgesamt sowohl im internationalen, als auch im nationalen Vergleich weniger häufig im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagieren. Diese Schlussfolgerung sollte allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, da wir sie anhand der vorhandenen Informationen nicht empirisch testen konnten.

Ähnlich wie bei ihren nationalen Wissenschaftskolleg_innen gehörten auch bei den Psycholog_innen populärwissenschaftliche Vorträge und Interviews zu den beliebtesten Formaten der Wissenschaftskommunikation. Psycholog_innen gaben allerdings etwas seltener an, Institutsführungen anzubieten als Wissenschaftler_innen anderer Fachdisziplinen. Dafür engagieren sich Psycholog_innen nach eigener Aussage stärker in sozialen Medien.

Wie in früheren Untersuchungen engagierten sich auch in unserer Studie Männer häufiger in der Wissenschaftskommunikation als Frauen (Bentley & Kyvik, 2011; Besley, 2015; Besley et al., 2013; Crettaz von Roten, 2011; Kreimer et al., 2011; Torres-Albero et al., 2011; Welcome Trust, 2000). Dieser Effekt ließ sich jedoch vollständig durch Unterschiede in der Karrierestufe erklären, da die Frauen in unserer Stichprobe im Vergleich zu den Männern in statusniedrigeren Positionen angestellt waren.

Die Ergebnisse zu Altersunterschieden decken sich mit vergangenen Forschungsarbeiten. Wie bisherige Studien mit Wissenschaftler_innen anderer Fachrichtungen in verschiedenen Ländern (Bauer & Jensen, 2011; Bentley & Kyvik, 2011; Besley & Oh, 2013; Crettaz von Roten, 2011; Kreimer et al., 2011; Kyvik, 2005; The Royal Society, 2006; Torres-Albero et al., 2011; Welcome Trust, 2000), fanden auch wir mit steigendem Alter eine Zunahme an Wissenschaftskommunikation. Wie vermutet korrelierten auch andere Faktoren, die mit dem Alter zusammenhängen, mit dem Ausmaß an Wissenschaftskommunikation, nämlich die Karrierestufe und der h-Index. Rödder (2012) erklärt den Alterseffekt damit, dass sich ältere Personen häufig in höheren Karrierestufen befinden, von denen mehr personale Wissenschaftskommunikation verlangt wird. In unserer Befragung gab es kaum Zusammenhänge zwischen der Karrierestufe und den erfragten Gründen für Wissenschaftskommunikation. Es zeigte sich lediglich, dass sich Jungwissenschaftler_innen eher als erfahrene Wissenschaftler_innen Vorteile auf dem Jobmarkt und eine Steigerung an Zitierungen durch Wissenschaftskommunikation versprachen.

Vergleicht man unsere Ergebnisse zu den Beweggründen für Wissenschaftskommunikation mit Angaben von Jungwissenschaftler_innen verschiedener Disziplinen (Könneker et al., 2018), lässt sich ebenfalls große Übereinstimmung finden. So geben sowohl die wissenschaftlich arbeitenden Psycholog_innen in unserer Stichprobe als auch Jungwissenschaftler_innen anderer Fachrichtungen in der Könneker et al. (2018) Stichprobe an, dass der Spaß an Wissenschaftskommunikation und die wahrgenommene Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und den Steuerzahler_innen zentrale Motive für ihr Engagement in der Wissenschaftskommunikation sind. Der wichtigste (zuvor nicht erfragte) Grund für Wissenschaftskommunikation war in unserer Untersuchung aber die Reichweite im Vergleich zur Veröffentlichung von Artikeln in Fachzeitschriften. Psychologische Wissenschaftler_innen betreiben demnach vor allem deshalb Wissenschaftskommunikation, weil sie davon ausgehen, damit mehr (und andere) Menschen erreichen zu können. Darüber hinaus stellten die Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrads und des Verständnisses für die eigene Forschung wichtige Argumente für Wissenschaftskommunikation dar.

Unsere Ergebnisse zu den Hindernissen von Wissenschaftskommunikation decken sich ebenfalls über weite Strecken mit den Angaben deutscher Jungwissenschaftler_innen verschiedener Fachdisziplinen (Könneker et al., 2018). So sahen die Wissenschaftler_innen in beiden Stichproben mangelnde Zeit als größte Barriere der Wissenschaftskommunikation. Einhergehend mit mangelnder Zeit sind unsere weiteren Befunde, die über bisherige Untersuchungen hinausgehen. Unsere Teilnehmer_innen gaben an, dass sie andere Aufgaben stärker priorisieren und sich für Wissenschaftskommunikation nicht ausreichend ausgebildet fühlen. Es scheint also so zu sein, dass nicht Vorbehalte gegenüber Wissenschaftskommunikation per se die Wissenschaftskommunikation hindern, sondern dass sich die Wissenschaftler_innen mangelhaft für Wissenschaftskommunikation ausgebildet fühlen, andere Aufgaben für ihre Karriere für wichtiger halten und damit zu wenig Zeit für Wissenschaftskommunikation bleibt.

Förderung von Wissenschaftskommunikation

Das BMBF möchte in Zukunft Wissenschaftskommunikation vermehrt fördern. Dazu bedarf es gezielter Fördermaßnahmen. Unsere Ergebnisse zum Abbau von Barrieren liefern erste Anhaltspunkte für eine mögliche Förderung von personaler Wissenschaftskommunikation. So wünschen sich Wissenschaftler_innen insbesondere institutionelle Unterstützung bei der Wissenschaftskommunikation, und zwar einerseits in Form von zeitlicher Entlastung und andererseits bei der Aufbereitung und Verbreitung von Wissenschaftskommunikation. Förderung von personaler Wissenschaftskommunikation müsste also nicht notwendigerweise Wissenschaftskommunikation an sich fördern, sondern vielmehr Rahmenbedingungen schaffen, die es Wissenschaftler_innen ermöglichen, mehr Zeit für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit aufzubringen. Als mögliche Maßnahme wäre es deshalb denkbar, zum Beispiel ein geringeres Lehrdeputat oder Entlastungen bei administrativen Aufgaben direkt an die Verpflichtung zu mehr personaler Wissenschaftskommunikation zu koppeln.

Damit die gewonnene Zeit auch tatsächlich für Wissenschaftskommunikation mit hoher Qualität genutzt wird, erscheint es uns sinnvoll, gleichzeitig Anreize für hochwertige Wissenschaftskommunikation zu schaffen. Beispielsweise könnten Drittmittelgeber_innen wie die DFG und das BMBF eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie bei der Vergabe von Fördermitteln wissenschaftskommunikatives Engagement noch stärker als bisher honorieren und erleichtern. Möglicherweise sind auch bereits existierende Fördermöglichkeiten für Wissenschaftskommunikation im Rahmen von Drittmittelanträgen noch zu wenig bekannt. Diese Frage lässt unsere Untersuchung allerdings offen, da wir die Teilnehmer_innen nicht danach gefragt hatten. Auf universitärer Ebene könnten Stellenausschreibungen auf allen Statusebenen Wissenschaftskommunikation explizit als ein Kriterium bei der Besetzung der Stellen aufnehmen, so wie dies seit einigen Jahren zunehmend für die Umsetzung von Prinzipien offener und transparenter Forschung der Fall ist. Darüber hinaus könnte die institutionelle Unterstützung von Wissenschaftskommunikation (z. B. Verfassung und Verbreitung von Pressemitteilungen) stärker gefördert werden.

Da sich viele Wissenschaftler_innen zu wenig kompetent für Wissenschaftskommunikation fühlen, sollte die Förderung zusätzlich im Bereich der wissenschaftlichen Ausbildung ansetzen – eine Forderung, die von der #FactoryWisskomm (2021) geteilt wird. Ein sinnvoller Ansatzpunkt wäre es, Kurse zur Vermittlung notwendiger Kompetenzen für Wissenschaftskommunikation in die regulären Curricula universitärer Weiterbildungsprogramme (z. B. im Rahmen von Masterstudiengängen oder Graduiertenkollegs) aufzunehmen, die an einigen Standorten bereits bestehen. Neben den in unserer Umfrage erfragten Maßnahmen wird eine erfolgreiche Förderung von Wissenschaftskommunikation auch vom Angebot attraktiver und innovativer Wissenschaftskommunikationsformate abhängen. Dabei stehen auch verschiedene Kommunikationsplattformen und Wissenschaftsjournale im Fokus. Möglich wäre zum Beispiel, dass Publikationen in Fachzeitschriften verstärkt auch Elemente von Wissenschaftskommunikation beinhalten. Beispielsweise könnten Fachartikel zusammen mit allgemeinverständlichen Kurzbeschreibungen, sogenannter Plain Language Summaries, veröffentlicht werden (Kerwer, Chasiotis, Stricker, Günther & Rosman, 2021). Damit Wissenschaftler_innen auch tatsächlich die breite Öffentlichkeit erreichen, bedarf es unseres Erachtens zudem zielgruppenorientierter Plattformen und professionelle Unterstützung, die wiederum durch verschiedene Fördereinrichtungen unterstützt werden könnten.

Mögliche Einschränkungen der vorliegenden Studie und zukünftige Forschung

Ein Vorteil unserer Umfrage gegenüber früheren Untersuchungen zur personalen Wissenschaftskommunikation ist, dass unsere Befragung eine große Bandbreite an Wissenschaftler_innen in allen Erfahrungs- und Karrierestufen sowie in der Breite der psychologischen Disziplinen abdeckt. Dennoch können wir Selektionseffekte nicht ausschließen. Es ist naheliegend, dass ein bestehendes Interesse an Wissenschaftskommunikation auch zur Teilnahme an unserer Befragung motiviert hat. Daraus folgt, dass die Befragung möglicherweise neben der Motivation auch die Häufigkeit von betriebener Wissenschaftskommunikation eher über- als unterschätzt.

Zudem ist es wichtig zu betonen, dass die Angaben der Wissenschaftler_innen ihre persönlichen Einstellung gegenüber Wissenschaftskommunikation und ihre Wünschen für die Förderung von Wissenschaftskommunikation widerspiegeln. Die Frage, ob die Umsetzung dieser Wünsche tatsächlich den Anteil an Wissenschaftskommunikation erhöhen würde, kann diese Studie nicht beantworten. Vielmehr sollen die Befragungsdaten dazu beitragen, das Verständnis der zugrundeliegenden Motive von Wissenschaftskommunikation zu erhöhen und damit eine Diskussionsgrundlage für mögliche Fördermaßnahmen zu schaffen.

Unsere Studie liefert wichtige Hinweise für Umsetzung der Forderung des BMBF nach mehr personaler Wissenschaftskommunikation. Allerdings kann die Forderung des BMBF durchaus kritisch betrachtet werden. So stellt sich nicht nur die Frage, wie allgemein mehr Wissenschaftskommunikation, sondern insbesondere, wie qualitativ hochwertige Wissenschaftskommunikation gefördert werden kann (siehe dazu auch #FactoryWisskomm, 2021). Dabei stellt sich nicht zuletzt auch seit der sogenannten Replikationskrise die Frage, wie robust einzelne Befunde sind (z. B. Friese & Frankenbach, 2020; Genschow et al., 2021; Open Science Collaboration, 2015), wann der richtige Zeitpunkt für Wissenschaftskommunikation ist (IJzerman et al., 2020) und wie hohe Qualitätsnormen für Wissenschaftskommunikation als Teil guter wissenschaftlicher Praxis verankert und gesichert werden können (König & Crusius, 2020). Unsere Studie kann diese Fragen nicht beantworten; sie sollten aber in zukünftigen Umfragen stärker berücksichtigt werden.

Auch andere Fragestellungen wurden in unserer Studie nicht berücksichtigt, beispielsweise, über welche spezifischen Themen bevorzugt kommuniziert wurde, welche über Wissenschaftskommunikation hinausgehenden Transferaktivitäten geleistet werden (wie z. B. kooperative Forschung mit Industriepartner_innen), ob Psycholog_innen Drittmittel zur Förderung von Wissenschaftskommunikation beantragen und wie die mediale Wissenschaftskommunikation durch Journalist_innen gefördert und in ihrer Qualität gesichert werden sollte. Diese Themen könnten in zukünftiger Forschung verstärkt berücksichtigt werden.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich wissenschaftlich arbeitende Psycholog_innen insbesondere im internationalen Vergleich weniger stark im Bereich der Wissenschaftskommunikation engagieren – und dies, obwohl sich die meisten Teilnehmer_innen unserer Untersuchung durchaus vieler positiver Aspekte von Wissenschaftskommunikation bewusst sind. Andere Aufgaben werden jedoch stärker priorisiert. Das ist keine unvernünftige Entscheidung, wenn man bedenkt, dass Wissenschaftskommunikation bei der Vergabe von Stellen, Lehrstühlen und Drittmitteln im deutschsprachigen Raum bislang keine oder bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Daher erscheint Wissenschaftskommunikation für Wissenschaftler_innen, die eine wissenschaftliche Karriere verfolgen möchten und noch nicht die oberste Karrierestufe erreicht haben, als eine Investition mit schlechter Kosten-Nutzen-Bilanz. Entlastung bei anderen Tätigkeiten (wie z. B. Lehre und Verwaltung) wurde von den Teilnehmer_innen unserer Befragung als wichtigste Maßnahme zur Förderung von Wissenschaftskommunikation genannt. Eine solche Maßnahme könnte insbesondere in Kombination mit entsprechenden Anreizstrukturen für Wissenschaftskommunikation erfolgversprechend sein. Ein weiterer Ansatz liegt in Fördermaßnahmen im Bereich der Ausbildung, die darauf abzielen, Wissenschaftler_innen mehr Selbstvertrauen und Kompetenz für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu verleihen.

Elektronische Supplemente (ESM)

Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000606

Wir möchten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und namentlich Frau Anne Klostermann für die Unterstützung bei der durchgeführten Umfrage danken.

Literatur

1Die Teilnehmer_innen beantworteten die Frage: „Waren Sie innerhalb der letzten 24 Monate im Bereich der wissenschaftlichen Psychologie tätig?“ mit „ja“ oder „nein“. Die Teilnehmer_innen gaben auch an, ob andere Gründe zutreffend sind und konnten diese in ein offenes Antwortfeld eintragen.

2Die Teilnehmer_innen auch angeben, ob andere Gründe zutreffend sind und diese in ein offenes Antwortfeld eintragen. Diese Gründe konnten sie dann wieder auf einer 5-Punkte-Skala einschätzen. Während die numerischen Ratings in die Analyse einflossen, analysierten wir die offenen Angaben nicht genauer, da sie sich sehr stark voneinander unterschieden und nur rund 10 % der Teilnehmer_innen die Textfelder ausfüllten. Eine Auswertung der Angaben wäre deshalb nicht repräsentativ für die Stichprobe.