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Free AccessKommentar

Zur prognostischen Funktion von Prüfungsleistungen bei der Master-Studierendenauswahl

Kommentar zu Lindner, M. A. et al. (2021). Ein Plädoyer zur Qualitätssicherung schriftlicher Prüfungen im Psychologiestudium

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000535

Kommentar zum Positionspapier „Lindner, M. A. et al. (2021). Ein Plädoyer zur Qualitätssicherung schriftlicher Prüfungen im Psychologiestudium

Im Positionspapier von Lindner, Sparfeldt, Köller, Lukas und Leutner (2021) werden wichtige Aspekte der Qualitätssicherung schriftlicher Hochschulprüfungen differenziert und zugleich erfreulich schlüssig dargestellt. Dabei werden zwei zentrale Funktionen dieser Prüfungen benannt: die Lern- und Leistungsdiagnose (im Sinne von inhaltlicher Validität) sowie die Motivation für angemessenes Lernverhalten (Assessment Drives Learning; Lindner, et al., 2021, S. 96). Zumindest im Bachelor-Studium kommt allerdings noch eine weitere Funktion hinzu: die Verwendung von Studienleistungsdaten als Kriterium für die Zulassung zum Master-Studium. Die Benotung von Studienleistungen soll zwar die konkret beobachtbare Leistung bewerten und nicht die Erwartungen bezüglich des weiteren Studienerfolgs ausdrücken (vgl. Schuler & Schult, 2018). Da sich aber ein positiver Zusammenhang zwischen Bachelor- und Master-Studienleistungen zeigt und Bachelor-Noten unaufwändig erfassbar sind, werden sie häufig für die Zulassung zum Master–Studium als Auswahlkriterium herangezogen (Schult, Hofmann & Stegt, 2019). Zuverlässige Auswahlkriterien sind gerade auch im Fach Psychologie nötig, da die große Mehrheit der Bachelor-Studierenden den Master-Abschluss anstrebt, die Zahl der Master-Studienplätze jedoch um mindestens 16 % zu klein ist (Antoni, 2019, S. 10). Standort-übergreifende Zulassungsverfahren mit Studierfähigkeitstests fehlen bislang in der Psychologie. Lediglich für die Bachelor-Zulassung gibt es mit dem Studierendenauswahlverfahren Psychologie Baden-Württemberg1 ein einsatzbereites Instrument.

Die bisherige Heterogenität bei der Bewertung von Studienleistungen zwischen und auch innerhalb von Hochschulen schränkt die prognostische Validität von Bachelor-Noten im Fach Psychologie ein. Hinzu kommt, dass im Bachelor-Studium fast ausschließlich sehr gute und gute Abschlussnoten vergeben werden (Antoni, 2019, S. 10). Die damit verbundene Varianzeinschränkung reduziert die prognostische Validität ebenfalls. Standardisierte Testverfahren können unter solchen Umständen auch in der Spitzengruppe mit Bestnoten eine differenzierte Studienerfolgsprognose bieten (vgl. für das Fach Medizin Kadmon & Kadmon, 2016). Die stringente Umsetzung der Vorschläge zur Qualitätssicherung von Lindner et al. (2021) würde die Vergleichbarkeit von Studienleistungen erhöhen und entsprechend die Bachelor-Noten prädiktiv valider machen, da konstruktfremde Störvarianz bei der Notengebung wegfallen würde. Wenngleich es gilt, die Freiheit der Lehre zu wahren, bieten gerade die Grundlagenfächer im Bachelor-Studium hinreichend viele geteilte Paradigmen, die eine weitgehende Angleichung ermöglichen (Spinath et al., 2018). Auch wenn inzwischen mehrere Jahrgänge ihr Master-Studium mehr oder weniger erfolgreich abgeschlossen haben, klafft immer noch eine empirische Lücke bei der prognostischen Validität von Bachelor-Noten hinsichtlich des Erfolgs im Master-Studium. Angesichts der umfänglichen Daten der Studierendensekretariate und der Relevanz für die Qualitätsentwicklung der Hochschulen besteht hier dringender Forschungsbedarf (Schult et al., 2019). Eine transparente Dokumentation der Zusammenhänge zwischen Bachelor- und Master-Noten wäre als Benchmark für zukünftige Zulassungstests enorm wichtig und könnte jedenfalls genutzt werden, um die Qualitätssicherung schriftlicher Prüfungen langfristig zu evaluieren.

Literatur

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Dr. Johannes Schult, Referat 21 „Diagnoseverfahren“, Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW), Heilbronner Straße 172, 70191 Stuttgart,