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Open AccessOriginalarbeit

Methodische Vorgehensweisen bei der Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis

Published Online:https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000269

Abstract

Zusammenfassung. In Deutschland verpflichtet der Gesetzgeber jeden Arbeitgeber und jede Arbeitgeberin, Gefährdungen durch psychische Belastung zu ermitteln und entsprechend zu vermeiden, spezifiziert jedoch nicht, wie eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen ist. In dieser Studie wird in 37 qualitativen betrieblichen Fallstudien anhand teilstrukturierter Interviews mit betrieblichen Akteuren und Dokumenten inhaltsanalytisch untersucht, ob und wie Arbeitgeber methodische Spielräume auch jenseits von normativen Empfehlungen nutzen, um Gefährdungen ihrer Beschäftigten durch psychische Belastungen zu identifizieren. Die vielfältigen methodischen Herangehensweisen folgen drei Orientierungen, die mehr oder weniger gemeinsam verfolgt werden: 1) Messen und Bewerten definierter Konstrukte psychischer Belastung, 2) Erklären und Verstehen von Entstehungszusammenhängen problematischer, mit psychischer Belastung assoziierter Arbeitssituationen, und 3) Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes zum Nachweis einer Gefährdungsbeurteilung. Grenzen dieser Orientierungen werden in Fällen deutlich, in denen einseitig auf eine dieser Orientierungen fokussiert wird. Methodischer Entwicklungsbedarf wird insbesondere für (qualitative) Ansätze des „Erklärens und Verstehens“ aufgezeigt.

Methodological Approaches to Identify and Evaluate Psychosocial Risks in Business Practice

Abstract. In Germany, psychosocial risk assessments (PRA) are legally required. However, German legislation does not specify how PRA should be performed. This study explores operational procedures of PRA in 37 qualitative business case studies. Based on semistructured interviews with stakeholders (top and middle management, employee representatives, OSH officers) and documents, this study examines whether and how employers use methodological leeway beside normative recommendations to identify psychosocial risks. Results: The various methodological approaches follow three orientations that were employed more or less together: (1) measuring and evaluating constructs of the psychosocial work environment, (2) understanding and explaining problematic work situations associated with psychosocial risks, and (3) getting a document that is legally admissible to prove the PRA. Limitations of these orientations become apparent when the focus is only on one of these orientations. Further methodological development is needed for the (qualitative) approaches of understanding and explaining.

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet Arbeitgeber_innen, die Arbeit „so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“ (§ 4 Ziff. 1 ArbSchG). Dazu hat der_die Arbeitgeber_in gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG „durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind“. Seit 2013 wird explizit formuliert, dass sich „eine Gefährdung insbesondere ergeben kann durch … psychische Belastungen bei der Arbeit“ (§ 5 Abs. 3 ArbSchG). Psychische Belastung meint „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (DIN EN ISO 10075 – 1, 2000). Damit werden die Inhalte der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung explizit im Sinne des Belastung-Beanspruchungs-Modells (Rohmert & Rutenfranz, 1975) abgegrenzt von körperlicher und psychischer Beanspruchung, die die „individuelle, zeitlich unmittelbare Auswirkung der Belastung in Abhängigkeit von den individuellen Voraussetzungen und dem Zustand des Menschen“ (Zimolong, Elke & Bierhoff, 2007) meint und somit nicht Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung ist. Bezugnehmend auf Modelle, die Zusammenhänge zwischen Faktoren psychischer Belastung und Beanspruchungsfolgen beschreiben, wie beispielweise das Job-Demands-Resources Model (Bakker & Demerouti, 2007), das Job-Demand-Control-Support Model (Johnson & Hall, 1988) oder das Effort-Reward-Imbalance Modell (Siegrist, Klein & Voigt, 1997), werden eine Vielzahl von Stressoren und ihre Zusammenhänge mit physischer und psychischer Gesundheit diskutiert (vgl. BAuA, 2017; Rau & Buyken, 2015; Sonnentag & Frese, 2013). Ebenso wie bestimmte Arten und Ausprägungen körperlicher Belastung gesundheitsgefährdend sein können, kann auch die psychische Belastung der Arbeit gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen haben. Daher ist es erforderlich, die psychische Belastung der Arbeit in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Eine Orientierung, welche Aspekte dabei zu betrachten sind, bietet die Liste „Merkmalsbereiche und Inhalte der Gefährdungsbeurteilung“, auf die sich die Träger der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) (also Bund, Länder und Unfallversicherungsträger) verständigt haben (NAK, 2015) und die Bestandteil der gemeinsamen Erklärung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ist (BMAS, BDA & DGB, 2013). Demnach sind bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (1) die Arbeitsinhalte (z. B. Handlungsspielraum), (2) die Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitszeit), (3) die sozialen Beziehungen bei der Arbeit (z. B. zu Vorgesetzten), (4) die Arbeitsumgebung (z. B. physikalische Faktoren) und (5) Aspekte neuer Arbeitsformen (z. B. räumliche Mobilität) zu betrachten.

Die „Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ der GDA beschreiben einen Rahmen, in dem sich betriebliche Vorgehensweisen bewegen sollten (GDA, 2016; Beck & Splittgerber, 2016), eine diesbezüglich verbindliche gesetzliche Vorschrift gibt es allerdings nicht. Daher ist zu erwarten, dass sich eine Vielfalt an betrieblichen Herangehensweisen zur Bewältigung dieser Aufgabe herausgebildet hat.

Die GBPB wird in Deutschland noch nicht flächendeckend umgesetzt. So gaben bei einer Befragung von Betriebsräten nur 24 % an, dass in ihren Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchgeführt wurde (Ahlers, 2016) und nur 6 % der befragten Klein- und Kleinstbetriebe (Sczesny, Keindorf, Droß & Jasper, 2014). Vorliegende Surveystudien informieren zwar darüber, wie häufig Aspekte psychischer Belastung in betrieblichen Gefährdungsbeurteilungen berücksichtigt werden und unter welchen betrieblichen Rahmenbedingungen dies geschieht (Ahlers, 2016; Beck, Richter, Ertel & Morschhäuser, 2012; Milczarek et al., 2012). Welche konkreten Vorgehensweisen Unternehmen entwickeln, um in diesem Kontext Gefährdungen durch psychische Belastung aktiv zu erkennen und zu vermeiden und welche Erfahrungen sie mit ihrem Vorgehen sammeln, lässt sich mit Hilfe solcher Surveys nicht erschließen (für eine Aufbereitung betrieblicher Erfahrungen von Beispielen guter Praxis der GBPB in Deutschland vgl. Beck, Morschhäuser & Richter, 2014 und im europäischen Kontext vgl. Janetzke & Ertel, 2017).

Ziel der hier vorgestellten Studie ist es daher, das Spektrum betrieblicher Vorgehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung detaillierter zu untersuchen. Hierbei liegt der Fokus nicht auf eingesetzten Methoden und Instrumenten. Vielmehr wird untersucht, wie betriebliche Akteure methodisch vorgehen, um Ausprägungen psychischer Belastung zu erfassen und zu beurteilen, ob eine Gefährdung vorliegt und somit Handlungsbedarf besteht. Derzeit ist keine Studie bekannt, die dieses Spektrum methodischer Vorgehensweisen zum Erkennen und Beurteilen psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis untersucht.

Theoretischer Hintergrund und Fragestellungen

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung wird von der GDA als Prozess empfohlen, der sieben Schritte umfasst: (1) Festlegen von Tätigkeiten / Bereichen, (2) Ermittlung und (3) Beurteilung psychischer Belastung der Arbeit, (4) Entwicklung / Umsetzung von Maßnahmen, (5) Wirksamkeitskontrolle, (6) Aktualisierung / Fortschreibung und (7) Dokumentation (GDA, 2016). In diesem Beitrag wird auf den zweiten und dritten Schritt, den Vorgehensweisen zum Ermitteln und Beurteilen psychischer Belastung, fokussiert.

Zur Ermittlung von Ausprägungen psychischer Belastungen der Arbeit gibt es zahlreiche Verfahren und Instrumente. Einen Überblick geben Richter (2010), Böckelmann und Seibt (2011) sowie Neuner (2008). Jedoch sind nicht alle dieser Instrumente für die Zwecke der Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG entwickelt worden. Die in diesen Publikationen vorgestellten Instrumente sind vorwiegend quantitativer Natur, also auf die „numerische Darstellung empirischer Sachverhalte“ (vgl. Raab-Steiner & Benesch, 2015) ausgerichtet (Mitarbeiterbefragungen, standardisierte Beobachtungsinterviews). Die DIN EN ISO 10075 – 3 (2004) definiert grundsätzliche Anforderungen an Verfahren zur Messung psychischer Belastung, Beanspruchung und ihrer Folgen (siehe auch Nachreiner & Schütte, 2005). Diese werden vorwiegend anhand testtheoretischer Gütekriterien diskutiert (Objektivität, Reliabilität und Validität; vgl. auch Wieland & Trimpop, 2016).

„Moderierte Analyseworkshops“ erscheinen in den o.g. Übersichten nicht, werden aber von der GDA ebenfalls als Methode zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung empfohlen. Gemeint sind Methoden, bei denen „psychische Belastung in einem moderierten Diskussions- und Verständigungsprozess ermittelt wird“ (Beck, Morschhäuser & Richter, 2014). Zur Bewertung der Qualität wird die Akzeptanz bei den Beteiligten herangezogen und darauf verwiesen, dass die Qualität dieser Methode stark mit den Fähigkeiten des Moderators und der Zusammensetzung der Gruppe variiert (Richter & Schütte, 2014). Hacker (2015) verweist auf die eingeschränkte Anwendbarkeit psychometrischer Gütekriterien für Verfahren, mit denen „Betroffene“ der Arbeitsbedingungen (Führungskräfte, Beschäftigte) selbst die Ermittlung und Beurteilung von Belastungsausprägungen vornehmen.

Exemplarische Darstellungen ausgewählter Verfahren und Instrumente, die speziell zur GBPB entwickelt wurden, finden sich in BAuA (2014), Resch (2003) oder Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAmed, 2011). In kritischer Auseinandersetzung mit der DIN EN ISO 10075 – 3 Norm wird derzeit darüber diskutiert, anhand welcher Kriterien (zusätzlich zur methodischen Güte) geeignete Methoden, Instrumente und Verfahren speziell für die GBPB ausgewählt werden sollten bzw. welche Anforderungen an Methoden zur GBPB zu stellen sind (z. B. BAuA, 2014; Beck & Splittgerber, 2016; DGPs, 2016; Hacker, 2015; Paridon, 2013; Weigl et al., 2015).

Der Diskussion um Methoden zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der GBPB fehlt bisher ein vertiefender Blick in die betriebliche Praxis (auch jenseits von Beispielen guter Praxis). Das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahr 2015 gestartete Feldforschungsprojekt „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis (F2358)“ widmet sich daher u. a. folgenden zwei Fragen:

  1. 1.
    Welche methodischen Herangehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung von Ausprägungen psychischer Belastung werden in der betrieblichen Praxis entwickelt und umgesetzt?
  2. 2.
    Welche Erfahrungen sammeln betriebliche Akteure mit diesen Vorgehensweisen?

Methode

Qualitative, empirisch begründete Typenbildung methodischer Vorgehensweisen

Das Ziel der in diesem Beitrag vorgestellten Studie ist es, methodische Vorgehensweisen zum Ermitteln und Beurteilen psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis zu explorieren. Dazu eignen sich insbesondere qualitative Fallstudien (Yin, 2003), da diese Aufschluss über den Prozess der Gefährdungsbeurteilung und die Erfahrungen, die betriebliche Akteure mit diesem Prozess sammeln, geben können. Um wesentliche Merkmale methodischer Herangehensweisen herausarbeiten zu können, werden die Informationen aus Interviews und Dokumenten typologisierend ausgewertet (ausführlicher unter Datenauswertung; vgl. Kelle & Kluge, 2010).

Samplingstrategie

Die Samplingstrategie zielte darauf ab, die Varianz betrieblicher Vorgehensweisen zu maximieren. Sie orientierte sich am Konzept des Theoretischen Samplings, bei dem Fälle nach theoretischen Gesichtspunkten ausgewählt werden und nicht danach, inwieweit sie für eine bestimmte Grundgesamtheit repräsentativ sind (Eisenhardt & Graebner, 2007; Yin, 2003). Zur Akquise des betrieblichen Samples wurde zum einen auf Internetseiten und in Fachzeitschriften, die sich an Arbeitsschutzakteure richten, zur Projektteilnahme aufgerufen. Hierauf meldeten sich vor allem Unternehmen, die eine GBPB im Rahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes umsetzen. Zum anderen wurden Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger und staatlicher Arbeitsschutzbehörden gebeten, Unternehmen zu vermitteln, die aus ihrer Sicht eine GBPB durchgeführt oder adäquate Aktivitäten der Gefährdungsvermeidung unternommen haben.

Fälle wurden neu ins Sample aufgenommen, wenn sich das Vorgehen von bereits untersuchten Fällen unterschied. Darüber hinaus wurden verstärkt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten gesucht (vgl. Europäische Kommission, 2003), da Surveys in KMU bisher nur geringe Aktivitäten in Bezug auf eine GBPB registrierten und es wenig empirisches Wissen zum tatsächlichen Vorgehen beim Erkennen und Vermeiden von Gefährdungen durch psychische Belastung in KMU gibt.

Beschreibung des Samples

Das Sample umfasste 41 Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen (vgl. Tabelle 1). In die Auswertung wurden Fälle einbezogen, die organisierte Aktivitäten zum Erkennen und Vermeiden von Gefährdungen durch psychische Belastung mit dem Ziel der Gesunderhaltung der Beschäftigten aufwiesen. Vier Fälle wurden aus dem Sample ausgeschlossen, da zwar Aktivitäten zum Erkennen und Vermeiden von Gefährdungen durch psychische Belastung erkennbar waren, diese jedoch entweder nicht organisiert waren (d. h. dies waren keine zielgerichteten, geplanten, sondern spontane Aktivitäten, die die Interviewten erst durch gezieltes Nachfragen mit dem Thema „psychische Belastung“ in Beziehung setzten) oder nicht zum Ziel hatten, die Beschäftigten gesund zu erhalten (d. h. Fälle, in denen die Interviewten sich in der Begründung ihres Vorgehens auf andere Aspekte beschränkten, z. B. die Aufrechterhaltung reibungsloser betrieblicher Abläufe). So umfasst das finale Sample 37 betriebliche Fälle, von denen 17 Fälle kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind, so dass das Sample eine gute Basis bietet, nicht nur Vorgehensweisen in Großbetrieben, sondern auch in KMU zu untersuchen.

Tabelle 1 Überblick über die Verteilung der betrieblichen Fälle auf die verschiedenen Betriebsgrößen (vgl. Europäische Kommission, 2003) und Branchen

Datenerhebung

Methoden der Datenerhebung. Mit Hilfe verschiedener Methoden wurden Daten zu betrieblichen Vorgehensweisen beim Ermitteln und Beurteilen von Gefährdungen durch psychische Belastung erhoben (vgl. Bluhm, Harman, Lee & Mitchell, 2011). Zunächst wurden in einem telefonischen Erstinterview allgemeine Informationen zum Unternehmen, zum Vorgehen und zu den Interviewpartnern erfragt und in Memos festgehalten. Anschließend wurde mit den betrieblichen Gesprächspartnern ein teilstrukturiertes leitfadengestütztes Interview zu (1) Anlässen und Motiven, zur (2) Art und Weise der Umsetzung (Inhalte, Vorgehen zur Ermittlung und Beurteilung, Maßnahmen, beteiligte Akteure), zu (3) Erfahrungen mit dem Vorgehen und (4) zum betrieblichen Kontext (zentrale Tätigkeiten und Gefährdungen, Betriebsgröße und -organisation) vor Ort durchgeführt (Interviewleitfaden im Elektronischen Supplement 1). So konnten neben Informationen aus dem Interview auch Eindrücke vom Unternehmen in die Auswertung des Datenmaterials einfließen. Darüber hinaus wurden Dokumente analysiert, die Aufschluss über die Gestaltung des Ermittlungs- und Beurteilungsprozesses geben (z. B. Dokumente zur GBPB, wie eingesetzte Instrumente, Verfahrensanweisungen und betriebsinterne Ergebnispräsentationen und -berichte, aber auch Projektpläne, Sitzungsprotokolle und Presseberichte) und das Unternehmen näher beschreiben (z. B. Image-Broschüren, Unternehmensdarstellungen im Internet, unternehmensinterne Journale). Die Interviews wurden zwischen Juni 2015 und August 2016 durchgeführt.

Interviewer. Zur Erhöhung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit (vgl. Steinke, 1999) führten in 26 der 37 Fälle zwei Interviewer gemeinsam die Interviews durch. In 11 Fällen führte zur Förderung einer angemessenen Gesprächsatmosphäre (insbesondere in Kleinunternehmen) nur ein Interviewer die Interviews durch. Um auszuschließen, dass die Interviewten die Interviewer in einer evaluierenden Rolle wahrnehmen, was aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) denkbar gewesen wäre, wurde von den Interviewern eingehend darauf verwiesen, dass die Informationen zu den Vorgehensweisen dem Datenschutz unterliegen und von den Interviewern nicht bewertet, sondern ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken erhoben und in diesem Sinne vergleichend darstellend weiterverarbeitet werden.

Interviewpartner. In 22 Fällen wurde das Interview allein mit dem federführenden Akteur, der in dem Unternehmen die Verantwortung für Aktivitäten zum Erkennen und Vermeiden von Gefährdungen durch psychische Belastung trug (z. B. Arbeitsschutz-Verantwortliche, Geschäftsführer, Human Resources o. ä.), durchgeführt (vgl. Tabelle 2). In weiteren 6 Fällen war zusätzlich zum federführenden Akteur ein weiterer Akteur als Interviewpartner beteiligt. In den übrigen 9 Fällen fanden Gruppeninterviews mit mehr als 2 Interviewpartnern statt.

Tabelle 2 Übersicht über federführende Akteure und die Interviewpartner (gesamt)

Datenaufbereitung

36 der 37 Interviews wurden aufgezeichnet, in einem Fall war keine Aufzeichnung möglich. Von den 36 Audioaufzeichnungen wurden 34 Interviews transkribiert. In zwei Fällen konnten die Audioaufzeichnungen aufgrund technischer Probleme nicht transkribiert werden. Für 33 Fälle, in denen die Interviews transkribiert wurden, liegen weitere Dokumente zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung und/oder Unternehmensdarstellungen vor. Auch in den Fällen, in denen die Interviews nicht transkribiert werden konnten, standen (mit einer Ausnahme) weitere Dokumente zur Verfügung. Für alle Fälle wurden Feldnotizen (Memos) angefertigt, insbesondere nach dem Erstinterview, aber auch zu den weiteren Kontakten mit den Interviewpartnern.

Die Daten können für Sekundäranalysen nicht zugänglich gemacht werden, da hierzu von den Interviewpartnern keine Einverständniserklärung vorliegt.

Erstellung eines tabellarischen Fallberichtes. Der Erstinterviewer erstellte zunächst zusammenfassend inhaltanalytisch (vgl. Mayring, 2000) einen tabellarischen Fallbericht. In der Tabelle ES_1 im Elektronischen Supplement 2 sind exemplarisch die Beziehungen zwischen der Ebene des Transkriptes und des Fallberichtes zur Veranschaulichung des Vorgehens dargestellt. Die Informationen aus den Memos aus den Vorgesprächen und den Dokumenten1 wurden eingearbeitet und auf Kohärenz geprüft („Triangulation von Informationsquellen“, vgl. Flick, 2009). Der Fallbericht wurde dann mit dem Zweitinterviewer abgestimmt („Triangulation von Perspektiven“, vgl. Flick, 2009). Bluhm et al. (2011) fordern, den „Teilnehmern eine Stimme zu geben“. Daher wurde den Interviewten, die hierzu bereit waren, der tabellarische Fallbericht zur Überprüfung übersandt. Somit erhielten diese die Möglichkeit, den Fallbericht zu validieren („kommunikative Validierung“, vgl. Steinke, 2005).

Datenauswertung

Fragestellung 1: Typisierung und Charakterisierung des in den betrieblichen Fällen umgesetzten methodischen Vorgehens. Aus den 37 betrieblichen Fällen wurden zunächst anhand der Beschreibungen und Begründungen des (methodischen) Vorgehens, aber auch anhand der Aussagen zu zentralen Belastungsfaktoren und Maßnahmen methodische Vorgehensweisen zum Ermitteln und Beurteilen psychischer Belastung herausgearbeitet („methodische Vorgehensweisen“, 1. Analyseebene; vgl. Abbildung 1). Dabei wurden in vielen Fällen mehrere voneinander abgrenzbare methodische Vorgehensweisen beschrieben. Folgende Themen wurden für jede dieser methodischen Vorgehensweisen zur Charakterisierung und Verdichtung herausgearbeitet und untersucht2: 1) Bezugspunkt der methodischen Vorgehensweise (Was rückt diese methodische Vorgehensweise in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung?), 2) Art der (Erkenntnis–) Prozesse (Wie erfolgt in dieser methodischen Vorgehensweise die Informationsermittlung?), 3) Standardisierungsgrad (Inwieweit ist diese methodische Vorgehensweise in gleicher Weise wiederholbar?), 4) Einsatz von Instrumenten (Inwieweit greift diese methodische Vorgehensweise auf Instrumente zurück?), 5) Rückgriff auf Regeln zur Beurteilung der Belastungsausprägung (Inwieweit erfolgt die Beurteilung der ermittelten Informationen regelgeleitet und ist somit explizit und nachvollziehbar?), 6) Ergebnis der Ermittlungs- und Beurteilungsprozesse (Zu welchem Ergebnis kommt diese methodische Vorgehensweise?). Hierzu wurden jeweils induktiv Subkategorien entwickelt und mit der Auswertungssoftware MaxQDA (Version 11, 2015) für alle methodischen Vorgehensweisen kodiert. Ziel war es, vom Material ausgehend zunehmend zu abstrahieren und zu verdichten, um verallgemeinernde Aussagen für die methodischen Vorgehensweisen ableiten zu können (Beispiele für die zunehmende Abstrahierung zur Ableitung verallgemeinernder Aussagen ausgehend vom tabellarischen Fallbericht finden sich in der Tabelle ES_2 im Elektronischen Supplement 2).

Anschließend wurden zur Bildung von Typen die Vorgehensweisen hinsichtlich ihres Bezugspunktes gruppiert und dann die Kategorien für die o.g. weiteren fünf Themen pro Gruppe verglichen und entsprechend zusammengefasst („Methodische Orientierungen“, 2. Analyseebene). Abschließend wurde erneut fallbezogen ausgewertet und zusammenfassend dargestellt, welche Typen von Vorgehensweisen in der jeweiligen methodischen Gesamtstrategie in den betrieblichen Fällen realisiert wurden (vgl. Kelle & Kluge, 2010; Integration methodischer Orientierungen in der betrieblichen „methodischen Gesamtstrategie“, 3. Analyseebene).

Abbildung 1 Auswertungsstrategie.

Fragestellung 2: Erfahrungen betrieblicher Akteure mit methodischen Vorgehensweisen). Um Erfahrungen, die betriebliche Akteure zu ihren methodischen Vorgehensweisen äußern, auf Typen von Vorgehensweisen beziehen zu können, wurden zunächst Fälle identifiziert, in denen Interviewpartner explizit Erfahrungen mit ihrem Vorgehen reflektierten und in denen stark auf einen Typ an Vorgehensweisen fokussiert wurde. Für diese Fälle wurden die Transkripte erneut hinsichtlich geäußerter Erfahrungen mit den methodischen Vorgehensweisen inhaltsanalytisch induktiv kodiert (Mayring, 2000).

Ergebnisse

Im Ergebnisteil wird zunächst ein allgemeiner Überblick über konkrete „methodische Vorgehensweisen“ gegeben, die in den hier untersuchten 37 Fällen realisiert wurden. Anschließend werden Typen methodischer Vorgehensweisen, die „methodischen Orientierungen“ charakterisiert (Fragestellung 1). Erfahrungen, die betriebliche Akteure mit ihren Vorgehensweisen gesammelt haben, werden direkt unter den jeweiligen Typen exemplarisch thematisiert (Fragestellung 2). Abschließend wird beschrieben, wie die methodischen Orientierungen in den betrieblichen „methodischen Gesamtstrategien“ integriert wurden.

Überblick über konkrete „methodische Vorgehensweisen“ zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung

Die betriebliche Praxis bietet eine große Vielfalt an methodischen Ansätzen zum Ermitteln und Beurteilen von Gefährdungen durch psychische Belastung. In 16 Fällen wurden Ausprägungen psychischer Belastung anhand von Mitarbeiterbefragungen mit Instrumenten ermittelt, die entweder eigens für dieses Unternehmen und diesen Zweck entwickelt oder aber für diesen Zweck erworben wurden. Die erworbenen Instrumente wurden in einigen Fällen unverändert eingesetzt, in anderen Fällen aber auch auf das Unternehmen sowohl sprachlich als auch inhaltlich angepasst oder um unternehmensspezifische Aspekte erweitert. Die Auswertung der Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen übernahmen sowohl betriebsinterne Akteure entsprechend mitgelieferter oder selbst entwickelter Auswertungsalgorithmen als auch externe Berater. Die Beurteilung, inwieweit eine kritische Belastungsausprägung und somit eine Gefährdung vorlag, erfolgte entweder anhand instrumentenseitig vorgegebener oder durch betriebliche Akteure festgelegter Beurteilungsregeln oder diskursiv in anschließenden Workshops bzw. Teambesprechungen. Anschließend wurden Ergebnisse in Berichtform oder als Präsentation aufbereitet und so dokumentiert.

Es gab auch Fälle (n = 5), in denen zur Ermittlung psychischer Belastung standardisierte Beobachtungsinterviews eingesetzt wurden, wobei die Beobachter entweder externe Berater, betriebsinterne Akteure oder Beschäftigte waren, die im Analyseteam oder allein beobachteten. Die Bewertung fand anhand vordefinierter Kriterien bzw. verankerter Skalen statt. In Analyseteams wurde die Bewertung diskutiert, bis eine Einigung erzielt wurde. Aber auch weniger detaillierte, dennoch vorstrukturierte Beobachtungen und Reflexionen anhand von Checklisten, die vorwiegend von innerbetrieblichen Arbeitsschutzakteuren vorgenommen wurden, waren in einigen der hier untersuchten Fälle (n = 4) methodische Quellen für Informationen über Ausprägungen psychischer Belastung.

Auch Workshops dienten in einigen Fällen (n = 12) der Ermittlung psychischer Belastung. Diese waren entweder alleinige Methode oder einer Mitarbeiterbefragung oder Beobachtungsinterviews zur Feinanalyse der Ergebnisse nachgelagert. Sie wurden nicht allein zur Ermittlung psychischer Belastung, sondern auch zur Beurteilung und zur Ableitung von Maßnahmen eingesetzt. Die Workshops wurden entweder durch externe Berater oder durch betriebsinterne Akteure, die sich für die Durchführung ausbilden ließen, moderiert.

Diese (eher) standardisierten3 und systematischen Methoden zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung wurden in der betrieblichen Praxis durch vielfältige Ansätze wenig und nicht standardisierter Vorgehensweisen des aktiven Erkennens von Ausprägungen psychischer Belastung ergänzt. So standen dem Einsatz standardisierter Beobachtungsverfahren unstrukturierte regelmäßige oder anlassbezogene, aber auch spontane Beobachtungen und Reflexionen während des Arbeitsalltags (z. B. durch mitarbeitende Geschäftsführer, Beschäftigte und andere betriebliche Akteure oder Beobachtungen eines Stabmitarbeiters bei regelmäßigen Rundgängen) gegenüber, die gezielt psychische Belastung in den Fokus nahmen (n = 14).

Ähnlich wie schriftliche Mitarbeiterbefragungen erheben auch wenig bis gar nicht standardisierte, spontane (z. B. Gespräche auf dem Flur oder beim Essen, „Flurfunk“), anlassbezogene (z. B. zur Besprechung konkreter betrieblicher Probleme, die mit psychischer Belastung im Zusammenhang stehen) oder regelmäßige Einzelgespräche (z. B. Jahresmitarbeitergespräch) Einzelbewertungen von Beschäftigten (n = 11). Spontane, anlassbezogene oder regelmäßige Gruppengespräche, in denen als fester Bestandteil Belastungen thematisiert wurden, sind das weniger systematische Pendant zu Analyseworkshops (n = 10).

Außerdem zogen in einigen Fällen betriebliche Akteure Dokumente (Krankenstandsanalysen, Zeiterfassung u. ä.) als zusätzliche Quelle hinzu, um Hinweise auf Ausprägungen psychischer Belastung zu erhalten (n = 2)4.

Zentrale „Methodische Orientierungen“ und Erfahrungen betrieblicher Akteure

Bei der näheren Untersuchung der betrieblichen „methodischen Vorgehensweisen“ wurden drei zentrale Bezugspunkte herausgearbeitet: 1) Konstrukte, die psychische Belastung beschreiben, 2) reale problematische Arbeitssituationen, die mit psychischer Belastung assoziiert werden und 3) das (vermeintlich) „rechtssichere“5 Dokument, mit dem die Durchführung der GBPB nachgewiesen werden soll. Hinsichtlich dieser Bezugspunkte wurden die „methodischen Vorgehensweisen“ gruppiert und dann geprüft, inwieweit auch die anderen Themen (Art der Erkenntnisprozesse, Standardisierungsgrad, Instrumenteneinsatz, Regeln zur Beurteilung, Ergebnis der Prozesse) zur Abgrenzung der Gruppen geeignet waren. Hierbei zeigte sich, dass sich drei Typen von methodischen Herangehensweisen in der betrieblichen Praxis auch in Bezug auf die anderen Themen gut voneinander abzugrenzen ließen. Diese unterschiedlichen Typen methodischer Herangehensweisen schließen sich keineswegs aus, sondern spiegeln sich jeweils mehr oder weniger in der „methodischen Gesamtstrategie“ wider. Dieser Aspekt wird im Anschluss an die Darstellung der drei grundlegenden Typen („Orientierungen“) methodischer Herangehensweisen noch einmal aufgegriffen.

Die drei Typen methodischer Herangehensweisen („Methodische Orientierungen“) werden im Folgenden charakterisiert (Fragestellung 1) und jeweils durch Erfahrungen betrieblicher Akteure, die in ihrem Vorgehen insbesondere einer dieser Orientierung folgten, ergänzt (Fragestellung 2).

„Bewerten und Messen von Konstrukten psychischer Belastung“

Bezugspunkt beim „Messen und Bewerten“ waren Konstrukte zur Abbildung psychischer Belastung, wie sie in Verfahren operationalisiert sind (z. B. Arbeitsintensität). Erkenntnis entstand hier durch Befolgen messtheoretischer Regeln, der (quantitativen) Mess- und Forschungslogik vergleichbar. Akteure reflektierten vor allem die Organisation der Datenerhebung und -auswertung (Verteilung von Fragebögen, Rücklauf, Gewährung des Datenschutzes, Eingabe der Fragebogenergebnisse in eine Excel-Maske, u. ä.). Verfahren in der betrieblichen Praxis, denen diese Orientierung zugrunde lag, waren standardisierte und validierte, aber auch ergänzte, angepasste und selbst entwickelte Instrumente zur Ermittlung psychischer Belastung (Mitarbeiterbefragung, standardisierte Beobachtungsverfahren). Die Beurteilung, inwieweit die Ausprägungen psychischer Belastung eine Gefährdung bedeuteten, erfolgte regelbasiert anhand von instrumentenseitig vorgegebenen oder von betrieblichen Akteuren selbst entwickelten Beurteilungskriterien. Die Ergebnisse der Auswertung wurden in Form von Charts, Tabellen, Präsentationen oder Berichten aufbereitet, die einen systematischen Überblick gaben über kritische und unkritische Belastungsausprägungen für die Belastungsfaktoren, deren Ausprägungen mit den entsprechenden Instrumenten erhoben wurden.

Erfahrungen betrieblicher Akteure. In einigen Fällen, in denen betriebliche Akteure stark auf Vorgehensweisen des „Messens und Bewertens von Konstrukten psychischer Belastung“ fokussierten und kaum Vorgehensweisen umsetzten, die andere Orientierungen verfolgten, gaben die von betrieblichen Akteuren geäußerten Erfahrungen bereits Hinweise auf mögliche Grenzen bei einseitigem Fokus auf diese Orientierung. So äußerte der Unternehmer eines kleinen Unternehmens, dass das eingesetzte Instrument keinen genaueren Aufschluss über konkrete Probleme lieferte und er somit bei der Maßnahmenentwicklung auf einen „Versuch-Irrtum-Prozess“ angewiesen war (vgl. Fallbeispiel 1).

Fallbeispiel 1:

Der Unternehmer eines kleinen Unternehmens (ca. 20 MA) setzte in seinem Unternehmen ein von einer beratenden Institution empfohlenes Instrument zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung als Mitarbeiterbefragung ein. Er wertete die Ergebnisse entsprechend der Anleitung aus und stellte für einen Belastungsfaktor einen Handlungsbedarf fest. Auf die Frage, ob er einen genaueren Aufschluss bekommen habe, wo die Probleme lagen, antwortete der Unternehmer: „Nein, das hat sich jetzt […] noch nicht rauskristallisiert. Ich denke auch, das ist ein längerer Prozess, […] Und deshalb wäre jetzt meine Überlegung, dass ich irgendwo im Verlaufe des nächsten Jahres, […] einfach dann mal sage: ‚Okay, wie sieht das jetzt in einer zweiten Befragung aus? Ergeben sich jetzt irgendwo hier bestimmte Bewegungen?‘ Einfach, um zu sehen, sind die Maßnahmen oder die Aktionen, die wir zwischenzeitlich eingeführt haben […], waren die erfolgreich? Oder haben wir noch nicht den Schalter gefunden, an dem wir jetzt tatsächlich das beeinflussen können?“

„Verstehen und Erklären von problematischen Arbeitssituationen“, die mit psychischer Belastung assoziiert werden

Beim „Erklären und Verstehen“ bildeten reale problematische Arbeitssituationen, in denen psychische Belastung offensichtlich wurde, den Bezugspunkt des methodischen Vorgehens (z. B. in dem Fall eines Kleinunternehmens: Ein Mitarbeiter wünscht sich mehr Verantwortung und bekommt diese auch übertragen. Nach einiger Zeit nimmt der betriebliche Akteur Zeichen von Überforderung an diesem Mitarbeiter wahr. Um den Mitarbeiter vor anhaltender Überforderung zu schützen, wird ihm von da an für die verantwortungsvolleren Aufgaben ein erfahrener Mitarbeiter zur Seite gestellt). Erkenntnis entstand, dieser Orientierung folgend, durch kommunikativ-reflexive Prozesse, d. h. Prozesse, bei denen Informationen zu Belastungsausprägungen in der Interaktion mit anderen und durch spontane und gezielte Beobachtungen gesammelt und dann entsprechend allein oder gemeinsam vor den jeweiligen Erfahrungshintergründen reflektiert werden. Dieses methodische Vorgehen ist der qualitativen Forschungslogik vergleichbar (vgl. Fallbeispiele 2 und 3).

Fallbeispiel 2:

Der betriebliche Akteur eines kleinen Unternehmens berichtet, auf welche (organisierte) Weise er Informationen erhält und wie er mit diesen verfährt: „Alle Themen, die angesprochen werden, mal unabhängig, ob das ein Kollege im Zwiegespräch mit mir ist oder mit der Geschäftsführung, oder ob das bei den Büromeetings ist, oder ob ein Jahresmitarbeitergespräch, laufen bei uns in einen Aufgabenspeicher rein. […] Und dieser Aufgabenspeicher wird von mir im Blick behalten. […] immer zum Quartalsende gehen wir dann nochmal durch und gucken, was ist davon jetzt umgesetzt worden.“

Fallbeispiel 3:

Der Akteur eines mittleren sozialen Unternehmens berichtet von Widerständen gegen zu formalisierte Prozesse, weshalb in diesem Unternehmen der komunikativ-reflexive Weg bevorzugt wird: „[…] wir besprechen all diese Dinge im Team so, wie sie sich gerade ergeben. Das ist kein formalisiertes Verfahren. Wenn dann von außerhalb jetzt irgendwas kommt, wir sollen da was in eine Form bringen oder das mal in Worte fassen, dann ist da mit Widerstand zu rechnen nach dem Motto: Es hilft uns nicht. Wir regeln das, besprechen das miteinander, ne, da brauchen wir kein formalisiertes Vorgehen oder sonst irgendetwas. Das wollen die Kollegen nicht.“

Methoden, die dem „Erklären und Verstehen problematischer Arbeitssituationen“ dienten, waren weniger standardisiert. Es wurden nur selten bestehende Instrumente eingesetzt. Beobachtungen und Reflexionen, organisierte und spontane Einzel- und Gruppengespräche und intern oder extern moderierte Workshops lieferten Informationen über Belastungsausprägungen. Auch die Beurteilung erfolgte nicht standardisiert. Betriebliche Akteure nannten, wenn überhaupt, eher grobe, unspezifische Regeln zur Beurteilung psychischer Belastung (z. B. wahrgenommener Leidensdruck bei den Beschäftigten).

Im Ergebnis dieser Vorgehensweisen beschrieben betriebliche Akteure eher spezifische Probleme, deren Auswirkungen und Überzeugungen darüber, wie diese entstanden sind. Akteure gewannen offenbar eine Einsicht in Entstehungszusammenhänge problematischer Arbeitssituationen und konnten diese nutzen, um gezielte Maßnahmen abzuleiten, was in den Fällen, die in ihren Vorgehensweisen dieser Orientierung folgten, eher gelang.

Erfahrungen betrieblicher Akteure. Eine Erfahrung, die betriebliche Akteure teilten, die stark auf diese Orientierung fokussierten, zeigt sich in der Äußerung eines betrieblichen Akteurs. Dieser legt dar, dass zunächst ganz spezifische Belastungsfaktoren betrachtet wurden und erst jetzt der Fokus auf weitere psychische Belastungsfaktoren ausgeweitet wird (vgl. Fallbeispiel 4). Auch hier deutet sich eine Grenze an, die sich auftut, wenn sehr stark auf Vorgehensweisen zum „Verstehen und Erklären von problematischen Arbeitssituationen“ fokussiert wird und dabei die anderen Orientierungen nur wenig oder gar nicht verfolgt werden.

Fallbeispiel 4:

In einem mittleren Unternehmen, das soziale Dienstleistungen anbietet, wird das Thema psychische Belastung kontinuierlich in regelmäßigen Teamgesprächen thematisiert. Ergebnisse wurden in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens bereits mit Hilfe eines Gefährdungsbeurteilungsbogens dokumentiert. Die Beschäftigung mit dem Thema psychische Belastung wird als ein andauernder Prozess verstanden, der stetig weiterentwickelt wird. Einer der betrieblichen Akteure berichtet auf die Frage, wieso in einigen Bereichen des Unternehmens Gefährdungen durch psychische Belastung in der Dokumentation nicht ersichtlich werden: „Und zudem muss man auch sagen, […], dadurch, dass wir halt mit psychisch kranken Menschen arbeiten, [gehen wir] von einer psychischen Belastung im Zusammenhang mit dem Kontakt aus. Dass auch noch anderes psychische Belastung […] ist, das ist ein Prozess, wo wir dabei sind. Dass psychische Belastung auch heißt zum Beispiel im Küchenbereich, es ist heiß, die Kochdämpfe sind da, es ist eng. […] Oder, ich muss dieses Pensum schaffen. […]“

Der federführende Akteur weist auf die Schwierigkeit hin, den Prozess angemessen zu dokumentieren: „Und dann stehen wir als Unternehmung, aber auch im Verhältnis zu euch vor Ort ja immer vor der Anforderung, dass man gesetzlichen Anforderungen genügen muss, dass man dementsprechend die Dokumentation dazu verfassen muss, ne, das ganze Verfahren, zu Dingen, die vom Prinzip her ja alltäglich laufen, und dann aber irgendwie auch mit angemessenem Aufwand noch, oder begrenztem Aufwand, abgebildet werden müssen. Wo es aber ansonsten alles schon läuft.“

„Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes“ zum Nachweis der GBPB

Es gab in einigen Fällen Vorgehensweisen, bei denen der Prozess des eigentlichen Erkennens psychischer Belastung von betrieblichen Akteuren nur grob reflektiert wurde. Die beschriebenen methodischen Vorgehensweisen bezogen sich weder auf Konstrukte zur Abbildung psychischer Belastung noch auf konkrete problematische Arbeitssituationen, die sie mit psychischer Belastung assoziierten. Vielmehr waren sie auf das Dokument ausgerichtet, aus dem Beurteilungen zu Gefährdungen aufgrund psychischer Belastung und entsprechend allgemeine Vorschläge für Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen durch psychische Belastung hervorgingen und mit dem die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nachgewiesen werden sollte. Bei diesen Vorgehensweisen wurde deutlich, dass der Bezugspunkt des methodischen Vorgehens äußere Standards zum Nachweis einer Gefährdungsbeurteilung waren, das „Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes“ also im Zentrum der methodischen Entscheidungen stand. Methodisch wurde hier auf weniger standardisierte Beobachtungen und Reflexionen, und auf wenig differenzierte Checklisten zurückgegriffen. Diese Checklisten waren explizit so formuliert, dass der Nutzer angab, ob eine Gefährdung vorliegt oder nicht. Sobald eine Gefährdung vorlag, bestand Handlungsbedarf. Unklar blieb jedoch, wie die eigentliche Ermittlung der Belastungsausprägungen vorgenommen wurde. Ergebnis, wenn dieser Orientierung gefolgt wurde, war ein Dokument, das äußere Standards zum Nachweis einer GBPB erfüllte, Beurteilungen psychischer Belastung und (selten) abgeleitete Maßnahmen enthielt, jedoch eher unspezifische oder keine Informationen zu konkreten Ausprägungen psychischer Belastung lieferte.

Erfahrungen betrieblicher Akteure. Die Erfahrungen, die betriebliche Akteure sammelten, wenn sie auf die Erstellung eines rechtssicheren Dokumentes fokussierten, wurden nur selten reflektiert. Dennoch berichtete ein betrieblicher Akteur, dass dieses Vorgehen in seiner Organisation nur wenig erfolgreich war, es aber aus seiner Sicht dennoch die gesetzliche Verpflichtung erfüllte (Fallbeispiel 5). Auch hier deutet sich eine Grenze an, wenn das (vermeintlich) rechtssichere Dokument zum zentralen Bezugspunkt methodischer Entscheidungen wird: Wenn eine nur unzureichend reflektierte Auseinandersetzung mit Gefährdungen durch psychische Belastung im Unternehmen stattfindet, wird ein erfolgreicher Prozess der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, der in der Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen mündet, unwahrscheinlich, auch wenn für betriebliche Akteure der Eindruck entsteht, die Gesetzlichkeiten erfüllt zu haben.

Fallbeispiel 5:

Der Akteur einer großen Organisation, in der im Wesentlichen psychische Belastung im Rahmen von Begehungen mit Hilfe von Checklisten ermittelt und beurteilt wurde, berichtet: „Praktikabel, ja, […] wir arbeiten mit diesen Checklisten mit Betriebsarzt und vielen Unterstützern zusammen. Und (…) am Ende kommen […] meines Erachtens zu wenige Erfolge raus. […] Na ja, und (…) wir wuseln uns so durch. (Lacht.) Wir wuseln uns so durch. Ja. Also wir hoffen, wir machen es richtig. (…) Wir erfüllen die Gesetzlichkeit und (…) versuchen es dann bis zur Führungskraft zu bringen. Und wenn es aber dann irgendwann hängenbleibt, dann ist es halt so. Dann sind wir raus. (Lacht.) Haben unsere Schuldigkeit getan.“

Realisierung „methodischer Orientierungen“ in betrieblichen „methodischen Gesamtstrategien“

Nun wird dargestellt, wie die vorgestellten Orientierungen sich in den jeweiligen methodischen Gesamtstrategien zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung in den hier untersuchten betrieblichen Fällen widerspiegeln (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2 Anmerkung: Die Punkte symbolisieren die Fälle in dem in diesem Beitrag vorgestellten Sample. Beispiele für die Umsetzung konkreter „methodischer Vorgehensweisen“ in „methodischen Gesamtstrategien“ finden sich in der Abbildung ES_1 im Elektronischen Supplement 3. Abbildung 2. Charakterisierung der „Methodischen Orientierungen“ und deren Kombinationsmöglichkeiten in der „methodischen Gesamtstrategie“ zum Ermitteln und Beurteilen von Ausprägungen psychischer Belastung.

In einem Teil der Fälle wurden alle drei Orientierungen verfolgt, indem z. B. zunächst eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt wurde, anschließend Ergebnisse in Teambesprechungen diskutiert, beurteilt und Maßnahmen entwickelt wurden (dokumentiertes Vorgehen). Aber auch in dem Vorgehen eines Unternehmens, wo zunächst mit Beschäftigten Interviews geführt wurden, um abteilungsspezifische Probleme herauszuarbeiten, die dann Basis waren für die Entwicklung abteilungsspezifischer Fragebögen mit ausführlicher Dokumentation in Berichtform, wurden die drei Orientierungen realisiert (die Abbildung ES_1 im Elektronischen Supplement 3 liefert einen detaillierteren Überblick über die Umsetzung konkreter Vorgehensweisen in methodischen Gesamtstrategien).

In weiteren Fällen wurde darauf fokussiert, Ausprägungen psychischer Belastung mit standardisierten, validierten, aber auch angepassten, ergänzten und selbst entwickelten Instrumenten zur Mitarbeiterbefragung oder zur systematischen Beobachtung von Arbeitsbedingungen zu messen und zu bewerten (mit entsprechender Dokumentation). Kommunikativ-reflexive Prozesse des „Erklärens und Verstehens“ problematischer Arbeitssituationen wurden in diesen Fällen nicht reflektiert.

Darüber hinaus gab es Fälle, in denen insbesondere Prozesse des „Erklärens und Verstehens problematischer Arbeitssituationen“ reflektiert wurden, wobei in einigen dieser Fälle die Ergebnisse dokumentiert wurden (z. B. Fotoprotokolle von Workshops, Besprechungsprotokolle). In diesen Fällen wiederum wurden keine Vorgehensweisen des „Messens und Bewertens von Konstrukten psychischer Belastung“ umgesetzt.

In weiteren Fällen konnten betriebliche Akteure zwar Dokumente zur GBPB vorweisen, aus der Erläuterung des Vorgehens wurde jedoch nicht erkenntlich, dass dem Dokument ein entsprechender Prozess des Ermittelns von Ausprägungen psychischer Belastung zugrunde liegt.

Diskussion

Diskussion zentraler Ergebnisse: „Methodische Orientierungen“

In der betrieblichen Praxis folgen methodische Vorgehensweisen zum Ermitteln und Beurteilen psychischer Belastung drei zentralen Orientierungen: 1) Messen und Bewerten von Konstrukten psychischer Belastung, 2) Verstehen und Erklären von problematischen Arbeitssituationen, die mit psychischer Belastung assoziiert werden und 3) Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes.

Für den Prozess der GBPB bringen alle drei Orientierungen Stärken mit. Sie bringen jedoch betriebliche und mit der Überwachung betraute Akteure an Grenzen, insbesondere, wenn einseitig auf eine dieser Orientierungen fokussiert wird. Diese Stärken und Grenzen der drei methodischen Orientierungen werden im Folgenden diskutiert.

„Messen und Bewerten von Konstrukten psychischer Belastung“

Vorgehensweisen des „Messens und Bewertens von Konstrukten psychischer Belastung“, finden sich eher in Unternehmen, die Ausprägungen psychischer Belastung im Rahmen von Arbeitsschutzprozessen ermitteln und beurteilen, vermutlich, da diese Vorgehensweisen stark dem entsprechen, was Arbeitsschutzakteure traditionell praktizieren: Sie messen Ausprägungen „klassischer“ (stofflich-technischer und ergonomischer) Gefährdungsfaktoren und ergreifen Maßnahmen, wenn definierte „Grenzwerte“ über- bzw. unterschritten werden.

Eine besondere Stärke dieser methodischen Orientierung ist es, dass methodische Vorgehensweisen, die ihr folgen, einen systematischen Überblick über kritische und unkritische Ausprägungen psychischer Belastung im Unternehmen liefern. So wird klar ersichtlich, für welche Belastungsfaktoren Handlungsbedarf besteht. Auch sieht diese Orientierung die regelgeleitete Beurteilung von Belastungsausprägungen anhand expliziter Regeln vor. Verschriftlichungen, auf die diese Vorgehensweisen zurückgreifen (z. B. schriftliche Mitarbeiterbefragungen, verschriftlichte Beobachtungsprotokolle u. ä.), erleichtern offenbar die Dokumentation (in allen Fällen, in denen die methodischen Vorgehensweisen dieser Orientierung folgten, wurde das Vorgehen dokumentiert). Dadurch wird das Vorgehen für externe und interne Akteure nachvollziehbar und überprüfbar.

Zu Vorgehensweisen des „Messens und Bewertens von Konstrukten psychischer Belastung“ gibt es bereits einen Diskurs zu Qualitätsanforderungen (z. B. Nachreiner & Schütte, 2005; Rau, 2010; Wieland & Trimpop, 2016), die in Empfehlungen mündeten (DIN EN ISO 10075 – 3, 2004; GDA, 2016). Anhand dieser und vergleichbarer Kriterien kann die Qualität der Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung, die anhand dieser Vorgehensweisen vorgenommen wird, diskutiert werden. Dennoch, wenn das Messen und Bewerten psychischer Belastung anhand von psychologischen Konstrukten die einzige methodische Orientierung bleibt und andere Orientierungen nicht verfolgt werden, stoßen betriebliche Akteure offenbar an Grenzen. Betrieblichen Akteuren werden betriebliche Entstehungszusammenhänge der Belastungsausprägungen nicht klar und die Ergebnisse bleiben abstrakt. Somit fehlen betrieblichen Akteuren konkrete Ansatzpunkte für die Entwicklung von Maßnahmen.

„Verstehen und Erklären von problematischen Arbeitssituationen“

Insbesondere (aber nicht ausschließlich) in KMU, in denen Arbeitsschutzstrukturen eher rudimentär ausgebildet sind (Sczesny et al., 2014), spielen kommunikativ-reflexive, wenig bis gar nicht standardisierte und nur selten dokumentierte Vorgehensweisen eine große Rolle. Diese methodischen Vorgehensweisen, die sich daran orientieren, problematische Arbeitssituationen, die mit psychischer Belastung assoziiert werden, zu verstehen und zu erklären, unterstützen betriebliche Akteure dabei, eine Einsicht in Entstehungszusammenhänge dieser Probleme zu entwickeln. Dies ist eine besondere Stärke dieser Orientierung.

Jedoch stoßen auch hier betriebliche Akteure an Grenzen, wenn sie einseitig auf diese Orientierung fokussieren: Es werden zwar ganz spezifische Probleme näher untersucht, aber es entsteht kein Überblick über die gesamte Belastungssituation im Unternehmen. Es geraten eher sehr kritische Belastungsausprägungen in den Fokus, die sich bereits in Fehlbeanspruchungen oder durch gestörte unternehmerische Abläufe äußern. Betrieblichen Akteuren fällt es darüber hinaus schwer, diese stetigen kommunikativ-reflexiven Prozesse zu dokumentieren, was sowohl die interne Transparenz als auch die Nachvollziehbarkeit für externe Akteure erheblich einschränkt.

„Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes“

Den Prozess des Ermittelns und Beurteilens psychischer Belastung zu dokumentieren, bringt den Vorteil mit sich, dass betriebliche Akteure für interne und externe Akteure nachvollziehbar machen können, wie sie ihre arbeitsschutzgesetzliche Pflicht erfüllen.

Wenn jedoch der Nachweis einer Gefährdungsbeurteilung zum zentralen Bezugspunkt des methodischen Vorgehens wird und der eigentliche Prozess des Ermittelns von Ausprägungen psychischer Belastung in den Hintergrund gerät, stoßen betriebliche Akteure und externe Akteure ebenfalls an Grenzen. Erst ein organisierter und reflektierter Prozess des Ermittelns psychischer Belastung kann betrieblichen Akteuren einen systematischen Überblick über kritische und unkritische Belastungsausprägungen und ein tieferes Verständnis für spezifische Probleme, die mit „psychischer Belastung“ assoziiert werden, vermitteln. Dokumentationsstandards sind derzeit eher auf Ermittlungs- und Beurteilungsergebnisse ausgerichtet, als auf den Prozess selbst. Somit wird es möglich, ein Ergebnisdokument zu erstellen, dem kein reflektierter Prozess des Ermittelns und Beurteilens psychischer Belastung zugrunde liegt.

Integration verschiedener Orientierungen

In Fällen, in denen es gelingt, die drei methodischen Orientierungen zu integrieren, können Grenzen der einzelnen Orientierungen in Bezug auf eine GBPB kompensiert werden. So ermöglichen Vorgehensweisen, bei denen zunächst eine Mitarbeiterbefragung und / oder Beobachtungsinterviews durchgeführt werden und anschließend in moderierten Workshops oder Teambesprechungen die Ergebnisse dieser ersten Phase eingehender untersucht werden, sowohl einen systematischen Überblick über kritische und unkritische Belastungsausprägungen als auch ein tiefergehendes Verständnis der Entstehungsbedingungen kritischer Belastungsausprägungen. Durch eine (verständliche) Dokumentation wird bei diesem Vorgehen die Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Auch bei dem Vorgehen, bei dem Fragebögen (die die von der GDA [2016] empfohlenen Belastungsfaktoren berücksichtigen), als Interviewleitfaden genutzt werden, erhalten betriebliche Akteure sowohl einen systematischen Überblick, als auch, durch Nachfragen zu den einzelnen Antworten, ein vertieftes Problemverständnis. Wenn dieses Vorgehen entsprechend dokumentiert wird, wird es auch für externe Akteure nachvollziehbar.

Bisher wird der Fokus bei Empfehlungen zur methodischen Ausrichtung der GBPB stark auf das Messen und Bewerten von Ausprägungen psychischer Belastung gelegt. Die Untersuchung und Reflexion von Entstehungsbedingungen kritischer Belastungsausprägungen in dem jeweiligen konkreten betrieblichen Kontext als eine Aufgabe des methodischen Vorgehens im Rahmen der GBPB wird jedoch bisher kaum explizit thematisiert. Dabei zeigt sich in den in dieser Studie untersuchten Fällen, dass gerade dieses tiefere Problemverständnis offenbar wichtige Ansatzpunkte für zielgerichtete Maßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen durch psychische Belastung liefert.

Implikationen für den Einsatz und die Bewertung methodischer Vorgehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der GBPB

Aus den Ergebnissen dieser Studie ergeben sich folgende zentrale Anforderungen für die Planung, Umsetzung und Bewertung methodischer Vorgehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung: Die Gesamtstrategie des methodischen Vorgehens sollte so ausgerichtet sein, dass sie sowohl a) einen systematischen Überblick über die gesamte Belastungssituation im Unternehmen in Bezug auf psychische Belastungsfaktoren, als auch b) ein tieferes Verständnis für Entstehungsbedingungen kritischer Belastungsausprägungen im konkreten betrieblichen Kontext ermöglicht. Eine weitere Frage, die sich daraus ableitet, dass die GBPB durch externe Aufsichtsakteure überwacht wird, ist die Frage nach einer angemessenen Dokumentation: Wie kann eine Dokumentation so gestaltet werden, dass neben den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung auch nachvollziehbar wird, wie Ausprägungen psychischer Belastungen ermittelt, beurteilt und Entstehungsbedingungen kritischer Ausprägungen untersucht wurden?

Ziel muss also sein, ein methodisches Vorgehen umzusetzen, das die Stärken der in diesem Beitrag vorgestellten methodischen Orientierungen vereint und dabei Grenzen der einzelnen Orientierungen überwindet.

Implikationen für die Entwicklung methodischer Vorgehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der GBPB

Während es bereits einen umfangreichen Diskurs zu Qualitätsanforderungen an quantitative Verfahren zum Messen und Bewerten psychischer Belastung gibt, entwickelt sich ein Diskurs über die Qualität „qualitativer“, kommunikativ-reflexiver Vorgehensweisen eher zögerlich (vgl. Breitling, 2016; Hacker, 2015). Da diese Vorgehensweisen in der betrieblichen Praxis verbreitet und dahingehend zielführend sind, dass sie zu einem tieferen Verständnis betrieblicher Gestaltungsprobleme führen und so nützliche Informationen für die Entwicklung von Maßnahmen liefern können, sollte unbedingt die Qualitätsdiskussion intensiviert werden. Hierzu müssten zunächst Qualitätskriterien entwickelt werden, die sich an der Qualitätsdiskussion zu Methoden qualitativer Forschung orientieren können (vgl. Breitling, 2016), jedoch die unterschiedlichen Zielsetzungen von Forschung und betrieblichen Arbeitsgestaltungsprozessen berücksichtigen. Während beim Einsatz qualitativer Methoden im Rahmen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse die Ableitung verallgemeinerbarer Aussagen, die über den Einzelfall hinausweisen, im Vordergrund stehen, geht es bei Gestaltungsprozessen im Unternehmen um die Ableitung konkreter Erkenntnisse, die für diesen Einzelfall zutreffen.

Darüber hinaus sollten hochwertige (qualitative) Methoden zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung entwickelt werden, die sowohl einen systematischen Überblick über die Belastungssituation geben und eine Beurteilung der Gefährdung nach expliziten Regeln ermöglichen, als auch das Bedingungsgefüge bei der Entstehung kritischer Belastungsausprägungen untersuchen. Derartige qualitative, kommunikativ-reflexive Verfahren, die Unternehmen bei der gründlichen Analyse ihrer Probleme, die hinter kritischen Belastungsausprägungen stehen, unterstützen, finden sich bisher nur selten in der methodischen Literatur zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der GBPB (Ausnahmen u. a. BAuA, 2014; Hacker, 2015). Ein Grund hierfür könnten Standards für die Publikation von Verfahren sein, denen „qualitative“ Vorgehensweisen schwerer gerecht werden (können) (Bluhm et al., 2011; Kidd, 2002) und die dazu führen, dass qualitative Verfahren seltener publiziert werden. Qualitätskriterien, Publikationsstandards und die Publikationspraxis für Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung sollten so weiterentwickelt werden, dass auch hochwertige qualitative Verfahren veröffentlicht werden können. Ein weiterer Grund könnte eine mögliche geringere Akzeptanz qualitativer Herangehensweisen auf Seiten von Arbeitsschutzakteuren sein, die durch grundlegende Orientierungen und mentale Modelle im „klassischen“ Arbeitsschutz begründet sein mögen.

Derartige Methodenentwicklungen könnten Unternehmen, die mit Hilfe von Vorgehensweisen des Messens und Bewertens kritische Ausprägungen psychischer Belastung identifiziert haben, (methodisch hochwertige) Unterstützung beim Entwickeln eines tieferen Problemverständnisses bieten. Akteure in KMU, die kommunikativ-reflexive Vorgehensweisen des Erklärens und Verstehens praktizieren, könnten derartige Methodenentwicklungen nutzen, um ihr methodisches Vorgehen entsprechend auszuweiten, so dass ein zu enger Fokus auf sehr spezifische Belastungsfaktoren und eine zu starke interessengeleitete Beurteilung von Ausprägungen psychischer Belastung vermieden wird (sofern andere Interessen als die Vermeidung von Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten bei der Beurteilung im Vordergrund stehen).

Implikationen für die weitere Forschung in diesem Themenfeld

Die in diesem Beitrag vorgestellte Studie konnte zeigen, welche methodischen Vorgehensweisen zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung tatsächlich in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden. Sie ist die erste Studie, die dies in dieser Differenziertheit tut. Zukünftige Forschung sollte sich der Frage widmen, wie Methodenentscheidungen in der betrieblichen Praxis getroffen werden und welche Aspekte hierbei eine Rolle spielen. So ist beispielsweise zu vermuten, dass die verschiedenen inner- und außerbetrieblichen Akteure sehr unterschiedliche Vorstellungen (mentale Modelle) von „psychischer Belastung“ und dem Prozess der Gefährdungsbeurteilung haben, was wiederum die Methodenentscheidungen beeinflusst und zu Konflikten führen kann. Auch Zusammenhänge zwischen Methodenentscheidungen und verschiedenen Unternehmensspezifika, wie z. B. vorhandene Strukturen des Arbeitsschutzes, Unternehmensgröße, oder Art der Qualifikation der Akteure für die GBPB sollten systematisch untersucht werden, um zum einen das Wissen um zielgruppengerechte Methoden zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung vervollständigen zu können, zum anderen aber auch eine gezielte Ansprache und Unterstützung von Unternehmen bei der Bewältigung dieser Aufgabe erreichen zu können. Dazu ist es wichtig, das Bild von Stärken und Grenzen der jeweiligen Orientierungen zu vervollständigen, um letztlich Methodenentscheidungen in Unternehmen zu unterstützen, die eine bewusste und tiefgründig reflektierte Auseinandersetzung mit psychischer Belastung in den Unternehmen ermöglichen. Denn nur so kann der Weg gebahnt werden für eine reflektierte Arbeitsgestaltung, die gesundheitliche Gefährdungen durch psychische Belastung vermeidet.

Methodische Limitationen

Die gewählte Samplingstrategie, die sich am Konzept des Theoretischen Samplings orientiert, sichert zu, dass die Varianz in Bezug auf das untersuchte Phänomen maximiert wird, so dass dieses facettenreich dargestellt werden kann. Es können aber auf Basis dieser Daten keine Verteilungsannahmen geprüft werden.

Das Untersuchungsdesign sah vor, die Unternehmen zu einem Zeitpunkt zu besuchen. Daher haben die Darstellungen der methodischen Vorgehensweisen den Charakter von Momentaufnahmen. Die Unternehmen waren in Bezug auf den in den Empfehlungen zur Umsetzung der GBPB dargestellten Zyklus (GDA, 2016) sehr unterschiedlich fortgeschritten: Das Spektrum reichte von Fällen, in denen der Zyklus bereits mehrfach durchlaufen wurde, bis hin zu Fällen, die das erste Mal diesen Zyklus begonnen und noch nicht abgeschlossen hatten. Dies mag insbesondere Aussagen zu Bewertungen des methodischen Vorgehens beeinflusst haben, da einige Akteure bereits umfangreiche Erfahrungen mit dem Prozess gesammelt hatten, andere Akteure jedoch noch nicht auf den Prozess als Ganzes zurückblicken konnten. Die Beschreibungen des methodischen Vorgehens selbst sollten hiervon jedoch nicht beeinträchtigt sein.

Eine weitere Limitation besteht darin, dass in dieser Studie keine Analysen zur Qualität der methodischen Vorgehensweisen durchgeführt wurden, da die Qualitätskriterien, die bisher für (Mess–)‌Methoden psychischer Belastung entwickelt wurden, nicht für das gesamte, hier dargestellte methodische Spektrum adäquat anwendbar sind. In diesem Beitrag lag der Schwerpunkt auf der Darstellung von Grenzen, die sich prinzipiell aus der „methodischen Orientierung“ ergeben.

Die Autoren_innen dieses Beitrages möchten sich herzlich bei allen Personen bedanken, die diese Studie tatkräftig unterstützt haben: 1) unseren Interviewpartnern, die uns tiefe Einblicke in ihre Unternehmen und ihr Vorgehen bei der GBPB gewährten; 2) den Experten bei Unfallversicherungsträgern, die uns bei der Vermittlung von Interviewpartnern unterstützten und uns so den Zugang zu sehr aufschlussreichen Fällen ermöglichten; 3) Wibke Leistner, Kristin Seigies und Diana Eichhorn für ihre engagierte Mitarbeit in diesem Projekt und 4) dem Projektbeirat und den anonymen Gutachtern, die durch ihre wertvollen Kommentare zur Schärfung und Konkretisierung der Aussagen in diesem Artikel beigetragen haben.

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1Für die vorliegende Fragestellung wurden insbesondere Dokumente hinzugezogen, die Einblick in die Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung gewährten: z. B. eingesetzte Fragebögen, Checklisten, Workshop-Planungen, Protokolle aus Sitzungen, in denen das Vorgehen abgestimmt wurde, Verfahrensanweisungen, Projektplanungsunterlagen, Ergebnispräsentationen und -berichte, Dokumentationen für die Vorlage beim Unfallversicherungsträger, Fotoprotokolle aus Workshops. Diese Dokumente wurden mit den im Fallbericht zusammengefassten Informationen aus den Interviews auf Übereinstimmung geprüft. In einigen Fällen wurden Informationen aus den Dokumenten, die nicht im Interview genannt wurden, im Fallbericht ergänzt (z. B. berücksichtigte Belastungsfaktoren, die aus einem Fragebogen übertragen werden konnten, im Interview aber nicht umfassend genannt wurden). Widersprüchliche Informationen lagen nicht vor.

2Diese Themen ergaben sich zum einen in der Auseinandersetzung mit dem Fallmaterial, zum anderen aus dem Erfahrungshintergrund der Autoren zur Methodendiskussion im Rahmen diagnostischer Prozesse.

3Der Begriff „standardisiert“ bezieht sich auf Vorgehensweisen, für die die Interviewpartner Standards reflektierten, die zusichern, dass das Vorgehen in vergleichbarer Weise wiederholt werden kann. Dabei variieren die Grade der Standardisierung von „gar nicht standardisiert“ bis zu „stark standardisiert“. Reflektierte Standards können sich z. B. auf Zeit/Ort der Ermittlung beziehen (z. B. spontane, nicht geplante Thematisierung psychischer Belastung in Gesprächen vs. festgelegter (einmaliger oder regelmäßiger) Termin für Teambesprechungen oder festgelegter Zeitraum für Datenerhebung (Fragebögen / Beobachtungsinterviews / Workshops) bis hin zu Projektplanungs-(Gantt–)‌Diagrammen), auf das Frageformat bei der Ermittlung psychischer Belastung (z. B. vordefinierte Fragen in Fragebogeninstrumenten vs. offene, nicht vorformulierte Fragen zu Vorkommnissen, die mit den verschiedenen Faktoren psychischer Belastung im Zusammenhang stehen), auf das Antwortformat (z. B. offene, narrative Beschreibungen problematischer Situationen vs. Likert-skaliertes Antwortformat in Fragebögen bzw. verankerte Skalen in Beobachtungsinterviews), oder auch auf die Auswertung der erhaltenen Informationen (nicht reflektierte Bewertung der Informationen vs. Auswertung nach vorgegebenen Algorithmen) beziehen.

4Die Summe aller „methodischen Vorgehensweisen“ übersteigt die Zahl untersuchter Fälle, da in vielen Fällen mehrere „methodische Vorgehensweisen“ realisiert wurden.

5Der Begriff „rechtssicher“ im Zusammenhang mit der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung weist darauf hin, dass die Dokumentation mit dem Ziel des Nachweises der Einhaltung von Rechtsnormen vorgenommen wird und Kontrollen durch die staatlichen Aufsichtsorgane und die Unfallversicherungsträger standhalten soll.

Dr. Katja Schuller, Dr. Anika Schulz-Dadaczynski, Dr. David Beck, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), FG 3.5 Psychische Belastungen, Nöldnerstraße 40 – 42, 10317 Berlin, E-Mail