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Open AccessOriginalarbeit

Gereizt und grübelnd?

Zusammenhänge zwischen den Merkmalen eines Change-Prozesses und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten sowie der moderierende Einfluss des Sozialkapitals

Published Online:https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000389

Abstract

Zusammenfassung: Die Studie untersucht, welche Merkmale eines Veränderungsprozesses einen Einfluss auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten (kognitive und emotionale Irritation) ausüben und inwiefern diese Zusammenhänge durch Sozialkapitalfaktoren moderiert werden. Als Merkmale des Veränderungsprozesses werden Ausmaß und Nutzen der Veränderungen für die Arbeitseinheit, die Auswirkungen der Veränderungen auf den eigenen Arbeitsplatz sowie der Umfang der Beteiligung am Veränderungsprozess betrachtet. Befragt wurden Beschäftigte einer Organisation, die sich zum Befragungszeitpunkt in einem umfassenden, langfristigen Veränderungsprozess befunden hat (Vollerhebung, n = 219). Die Ergebnisse zeigen, dass sich bestimmte Merkmale eines Veränderungsprozesses bedeutsam auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten auswirken. Die Moderatorenanalysen bestätigen, dass positiv empfundene Mitarbeiterführung (Führungskapital) und ein gutes Beziehungsklima (Netzwerkkapital) die Irritation bei denjenigen abpuffern können, bei denen der Veränderungsprozess besonders große Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz hat. Außerdem zeigt sich, dass positiv empfundene Organisationskultur sowie Mitarbeiterführung die Irritationen bei denjenigen abpuffern können, die den konkreten Veränderungsprozess als wenig nützlich empfinden.

Irritated and Broody? Relationship Between the Characteristics of a Change Process and the Psychological Stress of Employees as Well as the Moderating Effect of Social Capital

Abstract: The study examines which characteristics of a change process influence the psychological stress placed on employees (cognitive and emotional irritation) and to what extent these relationships are moderated by social factors. It considers the following characteristics of the change process: the extent and benefits of change processes for the work unit, the effects of the changes on one’s own workplace, and the extent of participation. We interviewed employees whose organization was in the midst of a comprehensive, long-term change process (full survey, n = 219). The results show that certain characteristics of a change process significantly affect and irritate employees. Moderator analyses confirm, for example, that positively perceived leadership and a positive team climate can weaken the irritation among those employees for whom the change process has particularly major effects in their own workplace. Results also show that a positively perceived organizational culture can weaken the irritation of employees who consider the specific change process to be less useful.

Psychische Gesundheit und organisationale Veränderungsprozesse

Eine Metastudie von Quinlan, Mayhew und Bohle (2001) zeigt bei 36 von 41 Studien negative Zusammenhänge zwischen der Gesundheit der Beschäftigten und organisationalen Veränderungen und ihren Folgen. Arbeitsbezogene Veränderungsprozesse werden häufig von betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Belastung oder Bedrohung wahrgenommen und können zu Stressreaktionen, Unwohlsein und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen (Kowalski, 2012). Negative Folgen von Veränderungsvorhaben auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten äußern sich z. B. in Form von emotionaler Erschöpfung oder Burnout (z. B. Day, Crown & Ivany, 2017; Dubois, Bentein, Mansour, Gilbert & Bédard, 2014).

Erschöpfungszustände können entstehen, wenn belastende Veränderungsbedingungen über einen längeren Zeitraum die individuellen Leistungsvoraussetzungen übersteigen und somit notwendige Erholungsprozesse beeinträchtigen (Rau, 2012). Der Einfluss organisationaler Veränderungsprozesse auf die physische und psychische Gesundheit sowie die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten ist in zahlreichen Studien untersucht worden, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf das individuelle Stressempfinden (ein Literaturüberblick findet sich in Michel & González-Morales, 2013). Arbeitsbezogene Veränderungsprozesse belasten Beschäftigte direkt, z. B. durch neue Herausforderungen und erforderliche Anpassungsprozesse, aber auch indirekt, z. B. durch Jobunsicherheit, Rollenkonflikte, Ambiguität (Robblee, 1998; Swanson & Power, 2001). Veränderungsprozesse vergrößern das Risiko an Depressionen, Angststörungen oder Burnout zu erkranken (z. B. Greenglas & Burke, 2000) und korrelieren mit Zynismus, Absentismus und psychischer Beanspruchung (Kalimo, Taris & Schaufeli, 2003).

Im Rahmen der vorliegenden Studie werden die Beanspruchungsfolgen im Kontext eines konkreten tiefgreifenden Veränderungsvorhabens in einer Organisation aus dem Bereich der Energie- und Wasserversorgung mit 370 Beschäftigten untersucht. Hierbei wird psychische Beanspruchung gemäß Mohr, Rigotti und Müller (2005) als kognitive und emotionale Irritation definiert. Kognitive Irritation äußert sich darin, dass die Beschäftigten nach der Arbeit nicht abschalten können und zuhause über diese nachdenken. Emotionale Irritation zeigt sich in Form von gereizten und nervösen Verhaltensweisen. Derartige Irritationen entstehen, wenn Beschäftigte ein Ungleichgewicht zwischen individuellen Ressourcen und den Belastungen durch die Arbeit wahrnehmen. Irritation wird als potenzielle Vorstufe von psychischen Störungen angesehen und entspricht somit dem Schweregrad einer psychischen Beeinträchtigung des Befindens (Mohr, Rigotti & Müller, 2005). Die vorliegende Studie untersucht zunächst folgende Forschungsfrage: Welche Merkmale eines Veränderungsprozesses üben einen Einfluss auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten aus?

Die Reaktionen auf Veränderungen werden nicht nur durch die subjektiv wahrgenommenen Merkmale des Veränderungsprozesses erklärt, sondern auch von individuellen (Vakola, Armenakis & Oreg, 2013), organisationsbezogenen bzw. situativen Faktoren (Rafferty, Jimmieson & Restubog, 2013), die den Zusammenhang moderieren. Im Rahmen der vorliegenden Studie werden daher drei ausgewählte organisationsbezogene Faktoren über den Bielefelder Sozialkapitalansatz (Badura, Greiner, Rixgens, Ueberle & Behr, 2013) als mögliche Moderatoren untersucht: Mitarbeiterführung, Organisationskultur und das Beziehungsklima. Studien zeigen, dass sich das Sozialkapital positiv auf die Bindung der Beschäftigten, die Güte der Zusammenarbeit, die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirkt (Badura, 2017). Ob das wahrgenommene Sozialkapital auch den Einfluss von Veränderungsprozessen auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten positiv beeinflussen kann, ist bisher noch nicht untersucht worden und stellt eine Forschungslücke dar, die zur zweiten Forschungsfrage führt: Inwiefern wird der Zusammenhang zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten von Aspekten des Sozialkapitals moderiert?

Merkmale von Veränderungs-prozessen und ihr Einflussauf Beanspruchungsfolgen

Obwohl einige Erkenntnisse zu den negativen Auswirkungen von betrieblichen Change-Prozessen auf die psychische Verfassung der Beschäftigten vorliegen, besteht Forschungsbedarf bezüglich der Frage, welche Merkmale der Veränderungssituation sich positiv auf die psychische Verfassung der Beschäftigten auswirken und somit zur Bewältigung der Veränderung beitragen (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2011; Mohr, 2011). Köper und Richter (2016) sehen außerdem Forschungsbedarf bei der Ermittlung von Faktoren, die den Zusammenhang zwischen dem Veränderungsprozess und der Gesundheit der Befragten moderieren. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass sich Individuen darin unterscheiden, wie stark sie von organisationalen Veränderungsprozessen betroffen sind oder wie sie auf diese reagieren (Caldwell, Herold & Fedor, 2004). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden daher ausgewählte Merkmale eines Change-Prozesses näher betrachtet, die nachfolgend eingeführt werden. Aufgrund der durchgeführten Literaturrecherche lässt sich vermuten, dass diese Konstrukte einen Einfluss auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten ausüben. Die Auswahl der Change-Merkmale, die im Rahmen der vorliegenden Studie Berücksichtigung finden, ist auch durch die Möglichkeiten ihrer Operationalisierung limitiert, da es hierzu nur wenig validierte Ratingskalen in deutscher Sprache gibt.

Ausmaß der Veränderungen

Als wesentlicher Einflussfaktor, der sich auf die Reaktionen der Beschäftigten auswirkt, wird in unterschiedlichen Studien das Ausmaß einer organisationalen Veränderung genannt (Caldwell et al., 2004; Fedor, Caldwell & Herold, 2006; Michel, By & Burnes, 2013; Michel, Stegmaier, Meiser & Sonntag, 2009a; Rafferty & Griffin, 2006). Mit diesem Konstrukt wird erfasst, wie stark sich die Arbeitsweisen und Prozesse einer Arbeitseinheit aus Sicht der Beschäftigten verändert haben. Das wahrgenommene Ausmaß der Veränderung kann die psychische Beanspruchung der Beschäftigten beeinflussen, wie eine Studie von Schraub, Stegmaier und Sonntag (2011) verdeutlicht. In einer Studie von Dahl (2011) wird zudem ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Veränderung und der Verschreibung von Medikamenten aufgrund von Stresssymptomen festgestellt.

Hierzu passend wird Hypothese 1 im Rahmen der vorliegenden Untersuchung geprüft: Je größer das wahrgenommene Ausmaß der Veränderung auf die Arbeitseinheit ist, desto stärker ist die psychische Beanspruchung (Irritation) der Beschäftigten.

Nutzen der Veränderungen

Neben dem Ausmaß der Veränderung wird auch der Nutzen der Veränderung als wesentliches Merkmal zur Charakterisierung und Untersuchung eines arbeitsbezogenen Veränderungsprozesses angesehen (Caldwell et al., 2004; Fedor et al., 2006; Michel et al., 2009a; Michel et al., 2013). Beschäftigte unterscheiden sich darin, inwiefern sie die Auswirkungen der Veränderung als positiv bzw. nützlich für den Erfolg ihrer Arbeitseinheit ansehen. Die zuvor genannten Studien zeigen außerdem, dass sich der Nutzen der Veränderung auf die Reaktionsweisen der Beschäftigten auswirkt. Bei der Studie von Michel et al. (2009a) wird beispielsweise ein indirekter Zusammenhang zwischen dem Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit und der emotionalen Erschöpfung der Befragten festgestellt, der durch die Variable Arbeitsplatzunsicherheit vermittelt wird.

Hierzu passend wird Hypothese 2 geprüft: Je größer der wahrgenommene Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit ist, desto geringer ist die psychische Beanspruchung (Irritation) der Beschäftigten.

Auswirkungen der Veränderungen auf den individuellen Arbeitsplatz

Zusätzlich zu den Merkmalen eines Change-Prozesses, die sich auf die Arbeitseinheit beziehen, empfehlen Michel et al. (2009a) in weiterführenden Studien auch individuumsbezogene Variablen zu berücksichtigen. Entsprechend betrachten Nebel (2012) sowie Nebel-Töpfer, Wolf und Richter (2012) in ihren Studien negative Auswirkungen der Veränderung, die sich auf den individuellen Arbeitsplatz eines Beschäftigten beziehen. Beide Untersuchungen stellen zwischen den negativen Auswirkungen der Veränderung auf die eigene Arbeit und den Burnout-Komponenten emotionale Erschöpfung und Zynismus positive Zusammenhänge fest.

Hierzu passend wird Hypothese 3 geprüft: Je größer die wahrgenommene Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz ist, desto stärker ist die psychische Beanspruchung (Irritation) der Beschäftigten.

Der Umfang der Beteiligung am Veränderungsprozess

Als weiteres zentrales Merkmal eines Veränderungsprozesses wird die Möglichkeit zur Partizipation angesehen (Michel, 2008; Stegmaier, 2016). Die Reaktionsweisen der Beschäftigten werden auch dadurch beeinflusst, wie stark sie sich an der Gestaltung der Veränderung beteiligen können (Stegmaier, 2016; Wanberg & Banas, 2000). Studien haben z. B. festgestellt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Partizipation am Change-Prozess und dem Wohlbefinden der Beschäftigten besteht (Sonntag & Spellenberg, 2005; Sverke, Hellgren, Näswall, Göransson & Öhrming, 2008). Darüber hinaus hängt der Umfang der Beteiligung an Entscheidungen in Unternehmen negativ mit depressiven Verstimmungen der Beschäftigten zusammen (Rixgens & Badura, 2012).

Hierzu passend wird Hypothese 4 geprüft: Je größer der wahrgenommene Umfang der Beteiligung am Veränderungsprozess ist, desto geringer ist die psychische Beanspruchung (Irritation) der Beschäftigten.

Das Sozialkapital einer Organisation im Change-Prozess

Die Gesundheit von Beschäftigten wird nicht nur durch Stressoren, sondern auch durch das soziale System der Organisation beeinflusst (Ehresmann, 2017). Coleman (1990) definiert Sozialkapital als diejenigen Aspekte der sozialen Struktur, die Werte schaffen und Handlungen von Individuen innerhalb einer sozialen Struktur erleichtern. Während der Begriff Sozialkapital allgemein in Bezug auf das Individuum verstanden wird (Seibert, Kraimer & Liden, 2001), wird er in der vorliegenden Studie explizit als organisationale Variable verwendet, die von den Befragten mit Blick auf ihr Unternehmen eingeschätzt werden soll.

Nach dem Bielefelder Sozialkapitalansatz (Badura et al., 2013) wirken sich insbesondere die subjektiv wahrgenommene Mitarbeiterführung („Führungskapital“), die Organisationskultur („Wertekapital“) sowie das Beziehungsklima („Netzwerkkapital“) positiv auf die Bindung der Beschäftigten, die Güte der Zusammenarbeit und das Wohlbefinden aus (Badura, 2017). Im Rahmen der vorliegenden Studie werden diese drei Facetten des Sozialkapitals hinsichtlich ihrer Moderatorenwirkung auf den Zusammenhang zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten untersucht. Unter Sozialkapital wird in der vorliegenden Studie dementsprechend „das soziale Vermögen einer Organisation verstanden, d. h. Umfang und Qualität der internen Vernetzung, der Vorrat gemeinsamer Überzeugungen, Werte und Regeln sowie die Qualität der Menschenführung“ (Badura, 2017, S. 38). Studien belegen zudem die negativen Zusammenhänge zwischen dem Sozialkapital einer Organisation und der psychischen Verfassung der Beschäftigten, wie Burnout (Ehresmann, 2017) oder emotionaler Erschöpfung (Driller, Ommen, Kowalski, Ernstmann & Pfaff, 2011).

Bestimmte Aspekte des Sozialkapitals (z. B. die soziale Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte) können darüber hinaus den negativen Einfluss von organisationalen Veränderungen auf die Gesundheit der Beschäftigten abmildern (Day et al., 2017; Rigotti & Otto, 2012). Folglich kann angenommen werden, dass das Sozialkapital einer Organisation eine puffernde Wirkung auf die Beziehung zwischen Change-Merkmalen und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten ausübt und somit die negativen Folgen von Veränderungsprozessen abmildert. Zu den drei o.g. Facetten des Sozialkapitals werden Moderatoreffekte mit folgenden drei Hypothesen getestet:

Hypothese 5: Je größer das Führungskapital ist, desto geringer wirkt sich der Einfluss der Merkmale des Veränderungsprozesses auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten aus.

Hypothese 6: Je größer das Netzwerkkapital ist, desto geringer wirkt sich der Einfluss der Merkmale des Veränderungsprozesses auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten aus.

Hypothese 7: Je größer das Wertekapital ist, desto geringer wirkt sich der Einfluss der Merkmale des Veränderungsprozesses auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten aus.

Methodisches Vorgehen

Untersuchungsdesign

Die vorliegende Studie knüpft an die zuvor genannten Studien an, die bereits Zusammenhänge zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der emotionalen Erschöpfung bzw. psychischen Beanspruchung der Beschäftigten untersucht haben. Hierzu werden Beschäftigte einer Organisation aus dem Bereich der Energie- und Wasserversorgung im Rahmen einer Fragebogenerhebung befragt, die sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung in einem umfassenden, über mehrere Jahre angelegten Veränderungsprozess befunden hat. Es wird hierzu bewusst nur eine Organisation ausgewählt. Eine Berücksichtigung mehrerer Organisationen ist bei einer Analyse der Merkmale eines Veränderungsprozesses nicht sinnvoll, da sonst zusätzliche organisationsbezogene Rahmenbedingungen als Störvariablen die Zusammenhänge beeinflussen würden und eine Vergleichbarkeit der Effekte der Veränderungsprozesse auf eine abhängige Variable nicht gegeben wäre.

Als Merkmale eines Change-Prozesses werden das Ausmaß der Veränderungen (bezogen auf die Arbeitseinheit), der Nutzen der Veränderungen (bezogen auf die Arbeitseinheit), die Auswirkungen der Veränderungen auf den individuellen Arbeitsplatz sowie der Umfang der Beteiligung am Veränderungsprozess als Unabhängige Variablen (UVs) betrachtet. Bisher wurden diese o.g. vier Change-Merkmale noch nicht gemeinsam als UVs in einer Studie im Zusammenhang untersucht. Die psychische Beanspruchung wird in dieser Untersuchung als kognitive und emotionale Irritation operationalisiert und bildet die Abhängige Variable (AV) dieser Studie. Um auch den Einfluss von sozialen Faktoren im Kontext von Veränderungsprozessen betrachten zu können, werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung drei Facetten des Sozialkapitals (Mitarbeiterführung, Organisationskultur und Beziehungsklima) als Moderatorvariable berücksichtigt. Von diesen drei Faktoren wird ein puffernder Effekt auf die Beziehung zwischen Change-Merkmalen und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten erwartet (vgl. Abbildung 1). Alle involvierten Konstrukte werden mit bewährten und validierten (und z. T. auch mit normierten) Ratingskalen als Querschnittsdaten gemessen.

Abbildung 1 Untersuchungsdesign der Studie (eigene Darstellung).

Organisationsbezogene Rahmenbedingungen

Die Untersuchung wurde am Beispiel einer Organisation aus dem Bereich der Energie- und Wasserversorgung mit 370 Beschäftigten durchgeführt, die zwischen 2015 und 2020 einen tiefgreifenden Veränderungsprozess durchgeführt hat. Der Change-Prozess betraf u. a. die Bereiche Strategiefindung, Prozessoptimierung, Umstrukturierung sowie Digitalisierung. Hierbei wurden Zuordnungen von Aufgaben und Arbeitsweisen der Beschäftigten stark verändert. Da jedoch nicht alle Bereiche der Organisation gleich stark von den Veränderungen betroffen waren, ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Bewertungen der Beschäftigten in Bezug auf die Merkmale des Change-Prozesses nicht nur auf individuellen Unterschieden in der Wahrnehmung beruhen.

Datenerhebung und Operationalisierung

Zur Erhebung der Daten wurde ein Fragebogen entwickelt, der soziodemografische Items sowie Ratingskalen zu den o.g. Konstrukten enthält. Im Rahmen einer Vollerhebung Ende 2018 wurde allen 370 Beschäftigten der Fragebogen via E-Mail zur Verfügung gestellt. Alle berücksichtigten Ratingskalen sind valide und haben gute bis exzellente Reliabilitätswerte. Für die Messung des wahrgenommenen Ausmaßes der Veränderung auf die Arbeitseinheit wurde eine Skala von Caldwell et al. (2004) eingesetzt. Für die vorliegende Untersuchung wurde die deutsche Übersetzung der Skala von Molter, Stegmaier, Noefer und Sonntag (2008) verwendet, die eine gute interne Konsistenz aufweist (α = .89, Beispiel-Item: „Die Veränderungen gingen einher mit Veränderungen der täglichen Routinen der Mitarbeiter dieser Abteilung“).

Der wahrgenommene Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit wurde ebenfalls mit einer Skala von Caldwell et al. (2004) gemessen, die bereits in mehreren Studien im deutschsprachigen Raum eingesetzt wurde (Michel et al., 2009a; Michel et al., 2013; Nebel, 2012; Nebel-Töpfer et al., 2012). Für die vorliegende Untersuchung wurde eine neue Übersetzung der Items angefertigt (durch Übersetzen und Rückübersetzen mit Muttersprachlern), die eine exzellente interne Konsistenz aufweist (α = .92). Die Items der neuen Übersetzung finden sich in Tabelle 1.

Tabelle 1 Items der Skala Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit

Zur Erhebung der wahrgenommenen Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz wurde ebenfalls eine Skala von Caldwell et al. (2004) genutzt, die bereits in mehreren deutschsprachigen Studien verwendet wurde (Nebel, 2012; Nebel-Töpfer et al., 2012; Richter, Nebel & Wolf, 2010). Für die vorliegende Untersuchung wurde eine neue Übersetzung der Items ins Deutsche angefertigt, die eine gute interne Konsistenz aufweist (α = .87). Die Items der neuen Übersetzung finden sich in Tabelle 2.

Tabelle 2 Items der Skala Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz

Der wahrgenommene Umfang der Beteiligung am Veränderungsprozess wurde mit einer Skala von Wanberg und Banas (2000) gemessen. Für die vorliegende Studie wurde die deutsche Übersetzung der Skala von Michel, Stegmaier, Meiser und Sonntag (2009b) verwendet, (Beispiel-Item: „Ich hatte einen gewissen Einfluss auf die vorgeschlagenen und durchgeführten Veränderungen“).

Die psychische Beanspruchung der Beschäftigten wurde mithilfe der Irritations-Skala von Mohr, Rigotti und Müller (2005) erhoben, (Beispiel-Item: „Ich muss auch zu Hause an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken“). Die Subskalen kognitive und emotionale Irritation wurden hierbei zu einem Gesamtwert zusammengerechnet, was gemäß der Beschreibung des Messverfahrens möglich ist. Die Messung des Sozialkapitals erfolgte mithilfe des Bielefelder Sozialkapital-Index von Rixgens (2010). Hierzu wurden die drei Subskalen Führungskapital (Mitarbeiterführung, Beispiel-Item: „Mein direkter Vorgesetzter behandelt alle seine Mitarbeiter fair und gerecht“), Netzwerkkapital (Beziehungsklima, Beispiel-Item: „Der Umgangston zwischen den Kolleginnen und Kollegen in unserer Abteilung ist meistens gut“) und Wertekapital (Organisationskultur, Beispiel-Item: „Die Wertschätzung eines jeden einzelnen Mitarbeiters ist in unserem Unternehmen sehr hoch“) erhoben.

Auswertungsmethoden

Um festzustellen, welche Merkmale eines Veränderungsprozesses sich auf die Irritation der Beschäftigten auswirken, wurde eine multiple lineare Regressionsanalyse durchgeführt. Alle vier Merkmale des Veränderungsprozesses sowie ausgewählte soziodemografische Merkmale wurden somit gleichzeitig als unabhängige Variablen (UVs) in das Regressionsmodell aufgenommen, das die Varianz der Kriteriumsvariable aufklären soll. Als soziodemografische Variablen wurden das Alter, die Dauer der Organisationszugehörigkeit sowie das Geschlecht berücksichtigt, wobei das Geschlecht als nominalskalierte Variable in Form einer Dummyvariablen in das Modell aufgenommen wurde.

Um zu testen, ob das Sozialkapital einen moderierenden Einfluss auf die Zusammenhänge zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der Irritation der Beschäftigten nimmt, wurden moderierte Regressionsanalysen durchgeführt. Es wurde somit jeweils ein Merkmal des Change-Prozesses, ein Faktor des Sozialkapitals sowie deren Interaktionsterm gemeinsam als UVs in einem Regressionsmodell berücksichtigt. Um Aussagen über den Moderatoreffekt treffen zu können, wurde inferenzstatistisch getestet, ob sich der Regressionskoeffizient der Interaktionsvariablen signifikant von null unterscheidet.

Weil Regressionsanalysen leicht von Ausreißern verzerrt werden können (Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2015), wurde vor jeder Regressionsanalyse in dieser Untersuchung je eine robuste lineare Regression durchgeführt und deren Residuen mit dem Hampel-Test auf Ausreißer geprüft. Um darüber hinaus die Zuverlässigkeit der Regressionsanalysen beurteilen zu können, wurden deren Voraussetzungen jeweils mit mehreren Testverfahren überprüft (Shapiro-Wilk-Test, Breusch-Pagan-Test, Durbin-Watson-Test, RESET-Test sowie der Varianzinflationstest).

Ergebnisse

Beschreibung der Untersuchungsvariablen

Von allen 370 Beschäftigten des Energie- und Wasserversorgungsunternehmens haben sich n = 219 an der Befragung beteiligt (Rücklaufquote 59 %). 70 % der teilnehmenden Personen sind männlichen und 30 % weiblichen Geschlechts, während 71 % der Beschäftigten zum Erhebungszeitpunkt männlich und 29 % weiblich waren. Das durchschnittliche Alter der Stichprobe beträgt 42.3 Jahre, während das Durchschnittsalter aller Beschäftigten zum Zeitpunkt der Erhebung bei 42.8 Jahren lag. Die durchschnittliche Organisationszugehörigkeit der Stichprobe beträgt 16.6 Jahre, während die durchschnittliche Organisationszugehörigkeit aller Beschäftigten zum Zeitpunkt der Erhebung bei 17.1 Jahren lag. Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der deskriptiven Statistiken zu den involvierten Konstrukten.

Tabelle 3 Deskriptive Statistiken zu den Ratingskalen

Für die AV Irritation liegen Normwerte vor (Mohr, Müller & Rigotti, 2005). Der Mittelwert und die Standardabweichung liegen bei der vorliegenden Studie etwas über dem Mittelwert und der Standardabweichung der Normstichprobe (M = 24.79, SD = 9.71). Um erste Eindrücke über die Zusammenhänge zwischen den Variablen zu erhalten, wurden die Korrelationskoeffizienten der involvierten Konstrukte berechnet (vgl. Tabelle 4).

Tabelle 4 Interkorrelationen der Untersuchungsvariablen

Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalyse

Wie der Tabelle 5 zu entnehmen ist, weisen bei der multiplen linearen Regressionsanalyse das Ausmaß der Veränderung (b1 = – 1.09, p = .003), der Nutzen der Veränderung (b2 = – 0.49, p = .041) sowie die Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz (b3 = 1.00, p < .001) einen signifikanten Einfluss auf die Irritation der Beschäftigten auf.

Tabelle 5 Vollständiges Modell der multiplen Regressionsanalyse zur Überprüfung der Zusammenhangshypothesen

Es liegt allerdings ein negativer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Veränderung und der Irritation der Beschäftigten vor, der somit nicht der angenommenen Wirkbeziehung von Hypothese 1 entspricht und auf eine Wechselwirkung zwischen dem Ausmaß der Veränderung und mindestens einer weiteren UV zurückzuführen ist. Es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Beteiligung am Veränderungsprozess und der Irritation der Befragten (b4 = – 0.17, p = .541). Ebenfalls keinen bedeutsamen Einfluss auf die Irritation haben das Alter (b5 = 0.08, p = .406), die Dauer der Organisationszugehörigkeit (b6 = – 0.07, p = .479) sowie das Geschlecht (b7 = 1.47, p = .368). Da in dem berechneten Regressionsmodell nicht alle UVs signifikante Regressoren darstellen, wurden die unbedeutenden Variablen entsprechend der bei Eid et al. (2015) beschriebenen Rückwärtselimination schrittweise aus dem Modell entfernt. Das Ergebnis des finalen Modells, das somit nur statistisch bedeutsame UVs enthält, ist in Tabelle 6 aufgeführt.

Tabelle 6 Finales Modell der multiplen Regressionsanalyse zur Überprüfung der Zusammenhangshypothesen

Wie bei dem zuvor berechneten Modell haben das Ausmaß der Veränderung (b1 = – 1.09, p = .002), der Nutzen der Veränderung (b2 = – 0.58, p = .004) sowie die Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz (b3 = 0.97, p < .001) einen signifikanten Einfluss auf die Irritation der Befragten. Das finale multiple Regressionsmodell erklärt mit einem adjustierten multiplen Determinationskoeffizienten von R2adj. = .23 insgesamt 23 % der Varianz der Kriteriumsvariable Irritation. Die Effektgröße der Varianzaufklärung liegt nach Cohen (1988) in einem mittleren Bereich. Neben der Betrachtung der eben genannten Effektgröße wurden zur Beurteilung der Güte des Modells die Modellvoraussetzungen geprüft. Tabelle 7 zeigt, dass mit Ausnahme der Forderung nach normalverteilten Residuen sämtliche Voraussetzungen des Regressionsmodells erfüllt sind.

Tabelle 7 Voraussetzungsprüfungen zum finalen Modell der multiplen Regressionsanalyse
Tabelle 8 Regressionsanalyse zur Überprüfung der Moderationshypothese „Auswirkung x Führungskapital“

Einfluss des Führungskapitals als Moderator

Die Ergebnisse zum Einfluss der drei Faktoren des Sozialkapitals bestätigen für die drei Subskalen Führungskapital, Netzwerkkapital und Wertekapital moderierende Wirkungen auf den Zusammenhang zwischen den Merkmalen des Veränderungsprozesses und der psychischen Irritation. Die Ergebnisse zum Einfluss des Führungskapitals zeigen, dass in zwei Modellen signifikante Moderatoreffekte gefunden wurden:

Das erste Modell bestätigt, dass das Führungskapital den positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz und der Irritation der Beschäftigten moderiert (vgl. Tabelle 8). Hierbei wurde eine puffernde Wirkung des Führungskapitals festgestellt, sodass der eben beschriebene Zusammenhang umso geringer ist, je stärker das Führungskapital ausgeprägt ist. Die Regressionsgerade berechnet sich wie folgt:

()

()

Wie der Tabelle 8 zu entnehmen ist, weist die Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz einen signifikanten positiven Einfluss auf die Irritation der Beschäftigten auf (b1 = 1.88, p < .001). Zwischen dem Führungskapital und der Irritation der Befragten besteht hingegen kein signifikanter Zusammenhang (b2 = 0.32, p = .235). Neben dem Moderatoreffekt liegt somit auch ein bedeutsamer Haupteffekt vor, der entsprechend der aufgestellten Hypothese wirkt. Insgesamt erklärt das Modell 24 % der Varianz der Kriteriumsvariable Irritation. Die Effektgröße der Varianzaufklärung liegt mit einem adjustierten multiplen Determinationskoeffizienten von R2adj. = .24 nach Cohen (1988) in einem mittleren Bereich. Neben der Betrachtung der eben genannten Effektgröße wurden zur Beurteilung der Güte des Regressionsmodells die Modellvoraussetzungen geprüft. Die Ergebnisse der Voraussetzungsprüfungen in ESM 1 zeigen, dass die wesentlichen Voraussetzungen mit Ausnahme von zwei Punkten erfüllt sind: Es zeigt sich Multikollinearität zwischen den involvierten UVs und die Residuen stammen nicht aus einer normalverteilten Grundgesamtheit.

Um den festgestellten Moderatoreffekt zu verdeutlichen, wurde dieser in Abbildung 2 visualisiert. Hierbei wurde entsprechend der Empfehlung von Eid et al. (2015) die Regressionsgerade beispielhaft für drei Werte der Moderatorvariable dargestellt (den Mittelwert sowie die beiden Standardabweichungen über bzw. unter dem Mittelwert).

Abbildung 2 Grafische Darstellung des Moderatoreffekts „Auswirkung x Führungskapital“ (eigene Darstellung).

Das zweite Modell bestätigt, dass das Führungskapital den negativen Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Nutzen der Veränderung und der Irritation der Beschäftigten moderiert (vgl. Tabelle 9). Hierbei wurde eine puffernde Wirkung des Führungskapitals festgestellt, sodass der eben beschriebene Zusammenhang umso geringer ist, je stärker das Führungskapital ausgeprägt ist. Die Regressionsgerade berechnet sich wie folgt:

()

()

Tabelle 9 Regressionsanalyse zur Überprüfung der Moderationshypothese „Nutzen x Führungskapital“

Wie der Tabelle 9 zu entnehmen ist, weist der Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit einen signifikanten negativen Einfluss auf die Irritation der Beschäftigten auf (b1 = -‍ 2.21, p = .001). Zwischen dem Führungskapital und der Irritation der Beschäftigten besteht ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang (b2 = - 0.52, p = .003). Insgesamt erklärt das Modell 16 % der Varianz der Kriteriumsvariable Irritation. Die Effektgröße der Varianzaufklärung liegt mit einem adjustierten multiplen Determinationskoeffizienten von R2adj. = .16 nach Cohen (1988) in einem mittleren Bereich. Neben der Betrachtung der eben genannten Effektgröße wurden zur Beurteilung der Güte des Regressionsmodells die Modellvoraussetzungen geprüft. Die Ergebnisse der Voraussetzungsprüfungen in ESM 2 zeigen, dass die wesentlichen Voraussetzungen mit Ausnahme von zwei Punkten erfüllt sind: Es zeigt sich Multikollinearität zwischen den involvierten UVs und die Residuen stammen nicht aus einer normalverteilten Grundgesamtheit.

Um den festgestellten Moderatoreffekt zu verdeutlichen, wurde dieser in Abbildung 3 visualisiert. Hierbei wurde entsprechend der Empfehlung von Eid et al. (2015) die Regressionsgerade beispielhaft für drei Werte der Moderatorvariable dargestellt (den Mittelwert sowie die beiden Standardabweichungen über bzw. unter dem Mittelwert).

Abbildung 3 Grafische Darstellung des Moderatoreffekts „Nutzen x Führungskapital“ (eigene Darstellung).

Einfluss des Netzwerkkapitals als Moderator

Die Ergebnisse zum Einfluss des Netzwerkkapitals zeigen, dass in einem Modell ein signifikanter Moderatoreffekt gefunden wurde: Das Modell bestätigt, dass das Netzwerkkapital den positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz und der Irritation der Beschäftigten moderiert (vgl. Tabelle 10). Hierbei wurde eine puffernde Wirkung des Netzwerkkapitals festgestellt, sodass der eben beschriebene Zusammenhang umso geringer ist, je stärker das Netzwerkkapital ausgeprägt ist. Die Regressionsgerade berechnet sich wie folgt:

()

()

Tabelle 10 Regressionsanalyse zur Überprüfung der Moderationshypothese „Auswirkung x Netzwerkkapital“

Wie der Tabelle 10 zu entnehmen ist, weist die Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz einen signifikanten positiven Einfluss auf die Irritation der Beschäftigten auf (b1 = 1.82, p < .001). Zwischen dem Netzwerkkapital und der Irritation der Befragten besteht hingegen kein signifikanter Zusammenhang (b2 = 0.21, p = .418). Neben dem Moderatoreffekt liegt somit auch ein bedeutsamer Haupteffekt vor, der entsprechend der aufgestellten Hypothese wirkt. Insgesamt erklärt das Modell 26 % der Varianz der Kriteriumsvariable Irritation. Die Effektgröße der Varianzaufklärung ist mit einem adjustierten multiplen Determinationskoeffizienten von R2adj. = .26 nach Cohen (1988) als groß anzusehen. Neben der Betrachtung der eben genannten Effektgröße wurden zur Beurteilung der Güte des Regressionsmodells die Modellvoraussetzungen geprüft. Die Ergebnisse der Voraussetzungsprüfungen in ESM 3 zeigen, dass die wesentlichen Voraussetzungen mit Ausnahme von zwei Punkten erfüllt sind: Es zeigt sich Multikollinearität zwischen den involvierten UVs und die Residuen stammen nicht aus einer normalverteilten Grundgesamtheit.

Um den festgestellten Moderatoreffekt zu verdeutlichen, wurde dieser in Abbildung 4 visualisiert. Hierbei wurde entsprechend der Empfehlung von Eid et al. (2015) die Regressionsgerade beispielhaft für drei Werte der Moderatorvariable dargestellt (den Mittelwert sowie die beiden Standardabweichungen über bzw. unter dem Mittelwert).

Abbildung 4 Grafische Darstellung des Moderatoreffekts „Auswirkung x Netzwerkkapital“ (eigene Darstellung).

Einfluss des Wertekapitals als Moderator

Die Ergebnisse zum Einfluss des Wertekapitals zeigen, dass in einem Modell ein signifikanter Moderatoreffekt gefunden wurde: Das Modell bestätigt, dass das Wertekapital den negativen Zusammenhang zwischen dem Nutzen der Veränderung und der Irritation der Beschäftigten moderiert (vgl. Tabelle 11). Hierbei wurde eine puffernde Wirkung des Wertekapitals festgestellt, sodass der eben beschriebene Zusammenhang umso geringer ist, je stärker das Wertekapital ausgeprägt ist. Die Regressionsgerade berechnet sich wie folgt:

()

()

Tabelle 11 Regressionsanalyse zur Überprüfung der Moderationshypothese „Nutzen x Wertekapital“

Wie der Tabelle 11 zu entnehmen ist, weist der Nutzen der Veränderung einen signifikanten negativen Einfluss auf die Irritation der Beschäftigten auf (b1 = – 1.72, p = .001). Zwischen dem Wertekapital und der Irritation der Befragten besteht ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang (b2 = – 0.63, p = .006). Insgesamt erklärt das Modell lediglich 11 % der Varianz der Kriteriumsvariable Irritation. Die Effektgröße der Varianzaufklärung ist mit einem adjustierten multiplen Determinationskoeffizienten von R2adj. = .11 nach Cohen (1988) als klein anzusehen. Neben der Betrachtung der eben genannten Effektgröße wurden zur Beurteilung der Güte des Regressionsmodells die Modellvoraussetzungen geprüft. Die Ergebnisse der Voraussetzungsprüfungen in ESM 4 zeigen, dass die Voraussetzungen mit Ausnahme von drei Punkten erfüllt sind: Es zeigt sich Multikollinearität zwischen den involvierten UVs, die Residuen stammen nicht aus einer normalverteilten Grundgesamtheit und die Residuen streuen heteroskedastisch.

Um den festgestellten Moderatoreffekt zu verdeutlichen, wurde dieser in Abbildung 5 visualisiert. Hierbei wurde entsprechend der Empfehlung von Eid et al. (2015) die Regressionsgerade beispielhaft für drei Werte der Moderatorvariable dargestellt (den Mittelwert sowie die beiden Standardabweichungen über bzw. unter dem Mittelwert).

Abbildung 5 Grafische Darstellung des Moderatoreffekts „Nutzen x Wertekapital“ (eigene Darstellung).

Diskussion

Die vorliegende Studie konnte zunächst aufzeigen, welche Merkmale eines Veränderungsprozesses einen Einfluss auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten ausüben (Forschungsfrage 1, Hypothesen 1 – 4). Die Ergebnisse replizieren teilweise bereits publizierte Studien, zeigen aber auch neue Zusammenhänge auf, die nachfolgend diskutiert werden. Insgesamt lässt sich bei der Betrachtung der Ergebnisse feststellen, dass organisationale Veränderungen belastende Situationen für die Beschäftigten darstellen, die sich auf deren psychische Beanspruchung auswirken können. Die wahrgenommenen Merkmale des Veränderungsprozesses stehen hierbei in unterschiedlichem Maße mit psychischen Beanspruchungsfolgen im Zusammenhang.

Ausmaß der Veränderung auf die Arbeitseinheit (Hypothese 1)

Der angenommene positive Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Veränderung auf die Arbeitseinheit und der Irritation hat sich bei der multiplen Regression nicht bestätigt, sodass sich die gerichtete Hypothese 1 nicht bestätigt hat. Dieses Ergebnis könnte eventuell an den sehr unterschiedlichen Abteilungsgrößen der involvierten Organisation liegen. Da die Variable in Bezug auf die Arbeitseinheit bzw. Abteilung erhoben wurde, kann es sein, dass bei großen Abteilungen nur ein Teil der Befragten direkt von den Veränderungen betroffen war. Folglich können Beschäftigte starke Veränderungen in den Abläufen, Arbeitsweisen und Routinen ihrer Abteilung wahrnehmen, ohne selber von diesen betroffen zu sein. Für diesen Erklärungsansatz spricht zudem, dass der stärkste bivariate Zusammenhang zwischen der individuumsbezogenen Variable Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz und der Irritation der Befragten festgestellt wurde. Im Gegensatz zu dem Ergebnis der multiplen Regression zeigt sich bei der Betrachtung der Korrelationskoeffizienten (vgl. Tabelle 4) ein positiver bivariater Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Veränderung auf die Arbeitseinheit und der Irritation der Beschäftigten. In Bezug auf diesen Zusammenhang haben auch andere Studien uneinheitliche Ergebnisse erzielt: Während bei der Studie von Michel et al. (2009a) das Ausmaß der Veränderung auf die Arbeitseinheit keinen signifikanten Einfluss auf die emotionale Erschöpfung der Befragten aufweist, wurde bei der Studie von Schraub et al. (2011) ein bedeutsamer Zusammenhang zur Irritation der Beschäftigten gefunden.

Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit (Hypothese 2)

Zwischen dem wahrgenommenen Nutzen der Veränderung für die Arbeitseinheit und der Irritation der Beschäftigten besteht laut dem Ergebnis der multiplen Regressionsanalyse ein signifikanter negativer Zusammenhang. Die Einschätzung, ob die Veränderungen der eigenen Abteilung genutzt oder geschadet haben, steht somit in Zusammenhang mit der psychischen Beanspruchung eines Beschäftigten, sodass Hypothese 2 bestätigt wird. Dieses Ergebnis wird durch die Erkenntnisse der Studien von Nebel (2012) sowie Nebel-Töpfer et al. (2012) gestützt, die ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Nutzen bzw. den negativen Auswirkungen der Veränderung für die Arbeitseinheit und den Burnout-Komponenten emotionale Erschöpfung und Zynismus festgestellt haben. Der wahrgenommene Nutzen einer Veränderung für die Arbeitseinheit stellt somit ein Merkmal dar, das sich bedeutsam auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten auswirkt. Dieser Befund unterstreicht somit die besondere Bedeutung für Unternehmen, über die Ziele und den Nutzen eines Veränderungsprozesses hinreichend zu informieren.

Auswirkungen der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz (Hypothese 3)

Personen, die stärkere Auswirkungen der Veränderung in Bezug auf ihren eigenen Arbeitsplatz wahrnehmen, weisen signifikant höhere Beanspruchungsfolgen bzw. Irritationswerte auf als Befragte, die nicht direkt von den Veränderungen betroffen sind, sodass Hypothese 3 ebenfalls bestätigt wird. Dieses Ergebnis wird durch die Studien von Nebel (2012) sowie Nebel-Töpfer et al. (2012) gestützt, die signifikante positive Korrelationen zwischen der Auswirkung der Veränderung auf die eigene Arbeit und den Burnout-Komponenten emotionale Erschöpfung und Zynismus festgestellt haben. Die wahrgenommene Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz kann dementsprechend als wesentliches Merkmal eines Veränderungsprozesses angesehen werden, das sich auf die psychische Beanspruchung der Beschäftigten auswirkt.

Umfang der Beteiligung am Change-Prozess (Hypothese 4)

Im Gegensatz zur Studie von Sverke et al. (2008), bei der sich die Partizipation an Veränderungsmaßnahmen auf das Wohlbefinden der Beschäftigten auswirkt, lässt sich in der vorliegenden Studie kein Zusammenhang zwischen der Beteiligung am Veränderungsprozess und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten feststellen, sodass sich Hypothese 4 nicht bestätigt. Die Möglichkeit zur Partizipation am Change-Prozess scheint somit nicht bedeutsam für die Varianzaufklärung der Variable Irritation zu sein. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Beteiligung an der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen nicht wichtig für den Erfolg von Change-Prozessen ist. So zeigt sich auch in der vorliegenden Studie ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der Beteiligung am Veränderungsprozess und der Einschätzung der Beschäftigten, ob die Veränderungen für ihre Arbeitseinheit von Nutzen sind (vgl. Tabelle 4).

Sozialkapital als Moderator(Hypothesen 5 – 7)

Auch hinsichtlich der zweiten Forschungsfrage, inwiefern die Facetten des Sozialkapitals den Zusammenhang zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten moderieren, konnte die vorliegende Studie Effekte für alle drei Faktoren des Sozialkapitals nachweisen. Die Moderatorenanalysen bestätigen insbesondere die Hypothesen 5 und 6: Gute Mitarbeiterführung (Führungskapital) und ein positives Beziehungsklima (Netzwerkkapital) können die psychische Irritation bei denjenigen Beschäftigten abpuffern, bei denen der Veränderungsprozess besonders große Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz hat. Für Beschäftigte mit hohen Führungs- und Netzwerkkapitalwerten ist der Zusammenhang zwischen der Auswirkung der Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz und der Irritation schwächer ausgeprägt als für Beschäftigte mit niedrigen Werten, was die erwartete puffernde Wirkung dieser Facetten des Sozialkapitals bestätigt. Bei Befragten mit einer hohen Auswirkung der Veränderung auf den eigenen Arbeitsplatz beeinflusst die Höhe des Führungs- und Netzwerkkapitals die Höhe der Irritation deutlich. Personen mit hohen Führungs- und Netzwerkkapitalwerten und hohen wahrgenommenen Auswirkungen der Veränderung auf den eigenen Arbeitsplatz haben demnach einen sichtbar geringeren Irritationswert als Befragte mit ebenfalls hohen wahrgenommenen Auswirkungen der Veränderung auf die eigene Arbeit, aber einem geringen Führungs- und Netzwerkkapitalwert. Auch Hypothese 7 hat sich bestätigt, wenn auch nur in einem Modell: Positiv empfundene Organisationskultur (Wertekapital) kann die psychische Irritation bei denjenigen Beschäftigten abpuffern, die das konkrete Veränderungsprojekt als wenig nützlich für ihre Arbeitseinheit einschätzen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit anderen Studien, bei denen das Wertekapital den Faktor des Sozialkapitals darstellt, der den größten Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten (Badura, 2017) oder deren Burnout-Ausmaß (Ehresmann, 2017) ausübt. Darüber hinaus kann auch eine positiv wahrgenommene Mitarbeiterführung (Führungskapital) die Irritation bei denjenigen Beschäftigten abpuffern, die das Veränderungsprojekt als wenig nützlich für ihre Arbeitseinheit einschätzen.

In der Zusammenschau ist davon auszugehen, dass das Sozialkapital negative Beanspruchungsfolgen von Veränderungsprozessen abmildern kann. Diese Annahme wird zudem durch Studien gestützt, die bereits die puffernde Wirkung von sozialen Faktoren im Kontext von Veränderungsprozessen belegen (z. B. Day et al., 2017; Rigotti & Otto, 2012). Rigotti und Otto (2012) zeigen beispielsweise in ihrer Studie, dass die soziale Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte den Einfluss von betrieblichen Veränderungen auf die gesundheitlichen Beschwerden der Beschäftigten abmildert. Die vorliegende Studie verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung von positiven Beziehungen zur eigenen Führungskraft sowie zu Kolleginnen und Kollegen für die psychische Gesundheit der Beschäftigten, sodass insbesondere diese beiden Faktoren des Sozialkapitals als wesentliche Ressource in Veränderungsprozessen angesehen werden können.

Limitationen und Forschungsdesiderate

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind nur eingeschränkt auf unterschiedliche Branchen und Unternehmen generalisierbar, da die Befragten alle aus einer Organisation stammten. Eine Berücksichtigung mehrerer Organisationen – oder gar eine Vergleichsstudie – ist bei einer Analyse der Merkmale eines Veränderungsprozesses nicht sinnvoll, da sonst zusätzliche organisationsbezogene oder branchenspezifische Rahmenbedingungen als Störvariablen die Zusammenhänge beeinflussen würden. Es war intendiert, dass alle Befragten bei der Beantwortung des Fragebogens an dasselbe Change-Projekt denken, da sonst die Effekte der Veränderungen auf eine abhängige Variable nicht mehr verglichen werden können.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie verdeutlichen zunächst, dass die befragten Personen im Vergleich zur Normstichprobe höhere Ausprägungen der psychischen Beanspruchung während des Change-Prozesses aufweisen. Dieses Ergebnis sollte nicht überinterpretiert werden, da lediglich eine Querschnittstudie unter Berücksichtigung von Querschnittsdaten durchgeführt und auf eine Voruntersuchung verzichtet wurde. Folglich ist unklar, inwiefern sich die psychische Beanspruchung der Beschäftigten durch den Veränderungsprozess vergrößert hat. Künftige Forschungen sollten daher ein Vorher-Nachher-Design berücksichtigen. Die Ergebnisse zur Moderatorenwirkung des Führungs-‍, Netzwerk- und Wertekapitals sind eingeschränkt zu interpretieren, da der Variance Inflation Factor als Voraussetzungstest auf Multikollinearität hinweist. Bei Multikollinearität können zu wenige Informationen vorliegen, um den Einfluss einzelner UVs auf die AV mit genügender Zuverlässigkeit schätzen zu können (Auer, 2016). Multikollinearität kann somit zu ungenauen und instabilen Schätzungen oder unerwarteten Vorzeichen führen (Rottmann & Auer, 2015). Demnach weisen nicht signifikante Ergebnisse bei Multikollinearität nicht zwangsläufig auf die Unbedeutsamkeit der UVs hin, sondern können auch Folge der Multikollinearität sein (Auer, 2016). Die bei den Regressionsanalysen festgestellten Verletzungen der Normalverteilungsannahme sind aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes und des Stichprobenumfangs (n = 219) für die Interpretation der Ergebnisse nicht von Relevanz und brauchen nicht näher berücksichtigt zu werden (Auer, 2016; Eid et al., 2015).

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass bestimmte Eigenschaften der Beschäftigten die subjektive Wahrnehmung des Sozialkapitals sowie der Merkmale des Veränderungsprozesses beeinflussen, z. B. das Psychologische Kapital, die Employability und die positive Veränderungsorientierung der Beschäftigten (Fugate, 2013), aber auch ihre Veränderungsfähigkeit und -kompetenz (Szebel, 2015). Szebel (2015) konnte nachweisen, dass Beschäftigte, die sich grundsätzlich als veränderungsbereit einschätzen, dem spezifischen Veränderungsprozess häufig kritisch gegenüberstehen. Die spezifische Veränderungsbereitschaft steht in engem Zusammenhang mit besonderen Fähigkeitsanteilen (z. B. Agilität) sowie unterschiedlichen Persönlichkeitsdispositionen (z. B. Ambiguitätstoleranz, Akkommodative Flexibilität, Neurotizismus). Neben organisationsbezogenen und situativen Rahmenbedingungen, die der vorliegende Beitrag untersucht hat, werden somit auch individuelle Eigenschaften und Kontextfaktoren den Einfluss der Merkmale eines Veränderungsprozesses auf die psychische Beanspruchung moderieren bzw. einen bedeutsamen Anteil der Varianz erklären können. Künftige Forschungen sollten zur Erklärung veränderungsbedingter Beanspruchung organisationsbezogene Rahmenbedingungen und dispositionelle Eigenschaften (Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften) sowie Einstellungen und Ressourcen der Beschäftigten stärker integrativ zusammenführen, um die komplexen Wechselwirkungen abbilden zu können. Wie ein Individuum die Merkmale eines Veränderungsprozesses subjektiv wahrnimmt und inwiefern dieses davon beeinträchtigt wird, hat mitunter mehr mit der eigenen Person zu tun als mit den tatsächlichen situativen Rahmenbedingungen. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass psychische Beanspruchungsfolgen aufgrund von Veränderungsprozessen nur aus unzulänglichen Rahmenbedingungen und Managementfehlern resultieren würden. Dieser Umstand ist auch bei den nachfolgenden Praxisempfehlungen zu berücksichtigen.

Praxisempfehlungen

Die Ergebnisse haben unterschiedliche Implikationen für die Praxis, insbesondere auf Strategie- und Führungsentscheidungen während eines organisationalen Wandels. Zunächst ist es grundsätzlich wichtig, bei Veränderungsprozessen die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu berücksichtigen, schließlich können vorerkrankte bzw. vorbelastete Individuen stärker von den Folgen der Veränderungsprozesse betroffen sein als psychisch gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Michel & González-Morales, 2013). In der vorliegenden Studie wird zudem deutlich, dass zwischen den wahrgenommenen Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der psychischen Beanspruchung der Beschäftigten bedeutsame Zusammenhänge bestehen. Je nützlicher bzw. positiver Befragte die Veränderungen für ihre Arbeitseinheit bewerten, desto geringer ist ihre psychische Beanspruchung. Es empfiehlt sich daher, den Beschäftigten stärker aufzuzeigen, welche Vorteile und Verbesserungen für ihre Arbeitseinheit mit den Veränderungen verbunden sind und welchen persönlichen Nutzen sie selbst aus den Veränderungsmaßnahmen ziehen können. Neben einer regelmäßigen Kommunikation der erwarteten Vorteile bietet es sich an, auf erste Erfolge und umgesetzte Verbesserungen zu achten und diese zu würdigen. Auf diese Weise kann den Beteiligten aufgezeigt werden, dass sich die Anstrengungen lohnen, die mit der Umsetzung der Veränderungen verbunden sind. Organisationen sollten zudem während des Change-Prozesses sicherstellen, dass die versprochenen Vorteile und Verbesserungen auch tatsächlich eintreten und somit für die Beschäftigten erlebbar werden. Des Weiteren sollten Führungskräfte insbesondere auf die Auswirkungen von Veränderungsmaßnahmen achten, die negative Konsequenzen für die Tätigkeiten bzw. den Arbeitsplatz eines Einzelnen bedeuten. Die vorliegende Studie kann nachweisen, dass die Auswirkungen einer Veränderung auf den individuellen Arbeitsplatz signifikant mit der empfundenen psychischen Beanspruchung zusammenhängen. Bei diesem Zusammenhang wurden allerdings auch puffernde Moderatorenwirkungen von Facetten des Sozialkapitals festgestellt:

Für Beschäftigte mit hohen Führungs- und Netzwerkkapitalwerten ist der eben beschriebene Zusammenhang deutlich schwächer ausgeprägt. Die Moderatorenanalysen bestätigen insgesamt, dass positiv empfundene Mitarbeiterführung (Führungskapital), ein gutes Beziehungsklima (Netzwerkkapital) sowie eine positiv empfundene Organisationskultur (Wertekapital) den Zusammenhang zwischen den Merkmalen eines Veränderungsprozesses und der psychischen Irritation der Beschäftigten abmildern können. Das Erleben von positiven Beziehungen zur eigenen Führungskraft sowie zu den Kolleginnen und Kollegen sowie das Wahrnehmen von gemeinsamen Normen und Werten in der Organisation scheinen daher von besonderer Bedeutung für die psychische Gesundheit von Beschäftigten zu sein. Dementsprechend sollten Führungskräfte auf eine gute Organisationskultur, ein positives Beziehungsklima sowie auf ihr eigenes Führungsverhalten achten und positiv auf diese Faktoren einwirken. Führungskräfte sollten bei Change-Projekten außerdem die „subjektive Dimension“ des Organisationswandels nicht vernachlässigen und sicherstellen, dass durch geeignete Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung gute zwischenmenschliche und organisationspsychologische Voraussetzungen für den Veränderungsprozess geschaffen werden. Eine mangelhafte subjektive Integration bedeutet in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Veränderungen weder kennen noch verstehen. Damit ist es ihnen auch nicht möglich, bewusst im Sinne der Konzepte zu handeln und sie aktiv mitzutragen. Bewährte Ansätze berücksichtigen hingegen Partizipation, Kommunikation und Qualifizierung und fördern eine „psychologische Stimmigkeit“ sowie eine Passung mit der Kultur der jeweiligen Organisation (Pietzonka, 2018).

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