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Open AccessOriginalarbeit

COVID statt Kita

Der anhaltende Einfluss der COVID-19 Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000692

Abstract

Zusammenfassung:Theoretischer Hintergrund: Die COVID-19 Pandemie führte im Frühjahr 2020 bei Vorschulkindern in Deutschland zu einer Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten. Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studie ist es, die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern zu untersuchen und potentielle Einflussfaktoren zu identifizieren. Methode: In zwei unabhängigen Online-Erhebungen im März und November 2021 befragten wir die Eltern von N = 331 Vorschulkindern in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder. Die Ergebnisse verglichen wir mit Daten einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe aus der Zeit vor der Pandemie. Mithilfe von logistischen Regressionen untersuchten wir potenzielle Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit. Ergebnis: Im Verlauf der Pandemie zeigte sich ein erhöhtes Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern. Als potenzielle Einflussfaktoren identifizierten wir die psychische Belastung und emotionale Kompetenz der Eltern, sowie die Emotionsregulation der Kinder als möglichen Schutzfaktor. Schlussfolgerungen: Die Befunde verdeutlichen die Notwendigkeit von Präventionsprogrammen mit Fokus auf die sozio-emotionale Kompetenzen von Vorschulkindern und ihren Eltern.

COVID Instead of Daycare. The Ongoing Impact of the COVID-19 Pandemic on Preschoolers’ Mental Health

Abstract:Background: In spring 2020, the COVID-19 pandemic led to increased behavioral problems in preschoolers. Objective: The present study aims to investigate the ongoing impact of the COVID-19 pandemic on preschoolers’ mental health and to identify potential moderators. Method: In two independent surveys in March and November 2021, we assessed 331 preschoolers’ behavioral problems reported by their parents in Rhineland-Palatinate. To quantify the impact of the pandemic on preschoolers’ mental health, we compared the data with a pre-pandemic, population-based sample. Moreover, we used logistic regression analyses to identify modulating factors. Results: Behavioral problems increased during the pandemic. Findings were robust when sociodemographic differences were taken into account. Additionally, we identified preschoolers’ emotion regulation skills as well as parents’ emotional competencies and their level of mental health problems as moderating factors. Conclusion: The results highlight the need for prevention programs focusing on the promotion of socioemotional competencies of preschoolers and their parents.

Seit ihrem Beginn im Frühjahr 2020 stellt die COVID-19 Pandemie eine anhaltende, multidimensionale Belastung für Menschen aller Altersgruppen dar (Brakemeier et al., 2020). Insbesondere Familien mit jungen Kindern berichteten zu Beginn der Pandemie von einer hohen Stressbelastung (Petras et al., 2021). Für Vorschulkinder und ihre Familien bedeutete die Pandemie eine erhöhte Belastung durch die stetige Anpassung des Alltags an die veränderten Umstände. Die Betreuungssituation war zunächst infolge der Corona-Verordnungen (Langmeyer et al., 2020) und später durch häufige Krankheitsausfälle und Isolationsmaßnahmen seitens der Kita oder in der Familie geprägt (Autorengruppe Corona-KiTa Studie, 2021). Zusätzlich entfielen soziale Kontakte und Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Eltern und Hilfsangebote waren schwerer zu erreichen. Obwohl viele Familien die Situation erfolgreich meisterten, kam es weltweit zu einer deutlichen Zunahme der familiären Stressbelastung (Gassman-Pines, Ananat & Fitz-Henley, 2020). Die vorliegende Studie untersucht, welche anhaltenden Auswirkungen die Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern hat und welche Faktoren diese beeinflussen.

Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern

Zu Beginn der Pandemie fanden deutsche sowie internationale Studien ein erhöhtes Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern infolge der Pandemie (Langmeyer et al., 2020; Specht, Rohde, Nielsen, Larsen & Heitmann, 2021). Besonders deutlich zeigten sich die Auswirkungen in den Bereichen Hyperaktivität und Verhaltensprobleme in der Familie. Langmeyer und Kolleg_innen (2020) berichteten in der größten deutschen Studie zu Beginn der Pandemie, dass 29 % der befragten Eltern ein grenzwertiges bis klinisch auffälliges Ausmaß an hyperaktiver Symptomatik ihrer Kinder berichteten. Vermehrte externalisierende Verhaltensauffälligkeiten während der Pandemie wiederum führten zu einer erhöhten Stressbelastung der Eltern und können eine negative Rückkopplung aus Verhaltensproblemen und problemfördernden Bedingungen in der Familie auslösen (Wang et al., 2021).

Der aktuelle Forschungsstand stellt überwiegend die Auswirkungen der Pandemie unmittelbar zu Beginn der Pandemie, also in den ersten 6 Monaten, in den Fokus. Aufgrund der starken Beschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens in dieser Zeit lassen sich nur wenige Schlussfolgerungen zu anhaltenden Auswirkungen treffen. Im Vorschulalter durchlaufen Kinder wichtige kognitive und sozio-emotionale Entwicklungsprozesse (Rademacher & Koglin, 2020), die für die psychische Gesundheit im Kindes- und Erwachsenenalter entscheidend sein können (Otto et al., 2021). Daher ist es wichtig, die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie auf diese Altersgruppe zu untersuchen, um der späteren Manifestation psychischer Störungen frühzeitig entgegenwirken zu können.

In einer ersten onlinebasierten Studie aus dem Jahr 2021 konnten wir zeigen, dass das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern im März 2021 auf einem ähnlichen hohen Niveau wie zu Beginn der Pandemie lag (Maldei-Gohring et al., 2022). Vergleiche zu prä-pandemischen Daten sowie zwischen den Pandemie-Erhebungen konnten zu diesem Zeitpunkt jedoch nur deskriptiv erfolgen. Zudem befanden sich die Vorschulkinder und ihre Familien zum Erhebungszeitpunkt im 2. Lockdown und unterlagen somit weiterhin starken Einschränkungen in der Berufs- und Freizeitgestaltung. Um belastbarere Aussagen über die andauernde Situation der Kinder in Deutschland treffen zu können, ist es daher wichtig, die psychische Gesundheit von Vorschulkinder zu verschiedenen Zeitpunkten während der Pandemie zu untersuchen.

Schutz- / und Risikofaktoren für die psychische Gesundheit

Trotz der besonderen Qualität (Brakemeier et al., 2020) sollte die COVID-19 Pandemie, ähnlich wie andere Stressoren, manche Kinder stärker belasten als andere (Morris et al., 2002). Studien vor der Pandemie identifizierten als Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern sowohl familiäre und soziale, als auch individuelle Faktoren (Reinelt, Samdan, Kiel & Petermann, 2019).

Erste Studien zu Vorschulkindern zu Beginn der Pandemie stellten fest, dass die Risikofaktoren für erhöhte Verhaltensauffälligkeiten infolge der Pandemie den bereits aus der Literatur bekannten Faktoren ähnelten: Als wichtige familiäre Risikofaktoren für Vorschulkinder in der Pandemie wurden eine belastete Familienatmosphäre, eine erhöhte Stressbelastung und ein vermindertes Wohlbefinden der Eltern, ein harsches, bestrafungsorientiertes Erziehungsverhalten, sowie ein niedriger sozioökonomischer Status der Familie identifiziert (Langmeyer et al., 2020; Maldei-Gohring et al., 2022; Wang et al., 2021). Naab & Langmeyer (2021) fanden zudem, dass außerfamiliäre Ressourcen, wie die Aufrechterhaltung regelmäßiger (traditionell-persönlicher) Freundschaftskontakte als möglicher sozialer Schutzfaktor fungieren kann. Schließlich gibt es auch erste Hinweise darauf, dass individuelle Faktoren der Kinder eine wichtige Rolle spielen: Eine gute Stressregulationsfähigkeiten von Vorschulkindern während der Pandemie ging mit einem verminderten Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten einher (Maldei-Gohring et al., 2022).

Für ältere Kinder wurde zusätzlich gezeigt, dass ein adaptiver Umgang mit den eigenen Emotionen ein wichtiger Schutzfaktor für die psychische Gesundheit während der COVID-19 Pandemie ist (Breaux et al., 2021). Emotionsregulation beschreibt dabei alle inneren und äußeren Prozesse, die darauf abzielen, den spontanen Strom an Emotionen in Intensität, Dauer, Zeitpunkt und Ausdruck zielgerichtet zu beeinflussen (Gross, 2014). Die Entwicklung adaptiver Emotionsregulationsstrategien im Vorschulalter kann die spätere Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten verhindern und unterstützt somit die psychische Gesundheit der Kinder (Daniel, Abdel-Baki & Hall, 2020). Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung adaptiver Strategien sind die emotionalen Kompetenzen der Eltern. Diese tragen sowohl durch den Umgang mit den kindlichen Emotionen als auch den eigenen modellhaften Umgang mit Emotionen zur Entwicklung von Emotionsregulationsstrategien bei (Morris et al., 2007). Eine Untersuchung des Effektes von Emotionsregulation von Vorschulkindern und deren Eltern auf deren psychische Gesundheit während der Pandemie ist noch ausstehend.

Die vorliegende Studie

Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern im Verlauf zu untersuchen sowie diese mit der psychischen Gesundheit vor der Pandemie zu vergleichen und Einflussfaktoren zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurde das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten während der Pandemie zu zwei Zeitpunkten im März (T2) und November (T3) 2021 erhoben und mit Daten einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe von Vorschulkindern zur Zeit vor der Pandemie (T1; Otto et al., 2021) verglichen. Auf Basis des Diathese-Stress Modells (Morris et al., 2002) nahmen wir an, dass das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten während der Pandemie höher ist als vor der Pandemie. Die Entwicklung während der Pandemie (T2 versus T3) wurde explorativ untersucht. Weiterhin sollte die Studie mögliche psychosoziale Schutzfaktoren bei Eltern und ihren Vorschulkindern während der Pandemie beleuchten. Auf Basis bisheriger Studien (Reinelt et al., 2019; Daniel et al., 2020) untersuchten wir anhand etablierter Fragebögen den Einfluss der psychischen Belastung sowie der emotionalen Kompetenzen der Eltern auf die psychische Gesundheit der Vorschulkinder. Zusätzlich wurde der Einfluss der kindlichen Emotionsregulationsfähigkeiten als potenziellen Einflussfaktor auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern während der COVID-19 Pandemie erfasst.

Methodik

In der vorliegenden Studie wurde die psychische Gesundheit von zwei unabhängigen Stichproben von Vorschulkindern zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Pandemie (T2: Mai 2021; T3: November 2021) mit einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe vor der Pandemie, erhoben in den Jahren 2009 bis 2012 (T1; Otto et al., 2021), verglichen. Die deskriptiven Ergebnisse zu T2 wurden bereits veröffentlicht (Maldei-Gohring et al., 2022). Die Daten der bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe wurden im Rahmen der BELLA-Studie (Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten) erhoben, die als Modul der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) vom Robert-Koch-Institut durchgeführt wird und zu den größten epidemiologischen Kohortenstudien zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zählt. In der BELLA-Studie wurden im Befragungszeitraum Eltern von Kindern ab 3 Jahren bundesweit an mehr als 160 Standorten zu ihrer psychischen Gesundheit befragt, um auch die Vorschulkinder und deren Entwicklungsverläufe stärker in den Blick zu nehmen.

Stichprobe

Zu T2 (März 2021) und T3 (November 2021) wurden die Kinder aus 151 Kindertagesstätten in der Region Trier im Rahmen der (Forschungs–)‌Kooperation EINSTEIN (http://einstein.uni-trier.de) zwischen der Universität Trier und der katholischen KiTa gGmbH Trier eingeladen, an einer Online-Studie über das Portal Unipark teilzunehmen. Insgesamt machten 331 Eltern (nt2 = 188, nt3 = 143) von Kindern zwischen 3 – 6 Jahren vollständige Angaben zu den relevanten demographischen Variablen und der psychischen Gesundheit ihrer Kinder. Die Angaben von 22 Eltern mit Kindern unter drei Jahren oder über sechs Jahren wurden aufgrund fehlender Vergleichsdaten in T1 (prä-pandemische Stichprobe) ausgeschlossen. Zusätzlich gaben 43 Eltern zu T3 an, bereits an T2 teilgenommen zu haben. Um unabhängige Stichproben zu erhalten, wurden diese Personen aus dem Datensatz T2 oder T3 entfernt (nt2 = 22, nt3 = 21). Die vollständige Stichprobe der Zeitpunkte T2 und T3 umfasst nach Durchführung des Ausschlussverfahrens N = 266 Teilnehmende (nt2 = 154, nt3 = 112). Alle demographischen Angaben der bereinigten Stichprobe finden sich in Tabelle 1

Für die prä-pandemische Stichprobe T1 wurde auf Daten der BELLA-Studie zurückgegriffen. In der BELLA-Studie wurden die Teilnehmenden durch computergestützte Telefoninterviews in den Jahren 2009 bis 2012 deutschlandweit rekrutiert. Für die Entwicklung des Vergleichsdatensatzes der vorliegenden Studie (T1) wurde aus N = 574 Eltern mit Angaben zu einem Kind zwischen 3 und 6 Jahren eine Zufallsstichprobe von nt1 = 448 Eltern gezogen. Die Größe der Zufallsstichprobe bestimmten wir als Kompromiss zwischen einer maximal repräsentativen Teilstichprobe und einer statistisch hinreichend kleinen Vergleichsstichprobe. Zur Wahrung der Robustheit varianzanalytischer Verfahren sollte die größte Stichprobe maximal vierfach so groß wie die kleinste Stichprobe sein (Tabachnik & Fidell, 2007). Wie beabsichtigt unterschied sich die Substichprobe T1 nicht von der Gesamtstichprobe hinsichtlich des Einkommens, Bildungsniveaus von Mutter und Vater, sowie des Alters und Geschlechts und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder, ps ≥. 621. Die demographischen Kennwerte der Stichproben finden sich in Tabelle 1.

Tabelle 1 Demographische Daten der Stichproben der BELLA-Studie (T1) sowie der Corona-Erhebungen vom März (T2) und November 2021 (T3)

Prozedur

Die Erhebung T2 (März 2021) lief vom 15. 02. – 30. 03. 2021, T3 (November 2021) vom 04. 11. – 06. 12. 2021. Die Befragungen dauerten zwischen 30 und 45 Minuten und wurden von der Ethikkommission der Universität Trier bewilligt (No. 13/2019). Beide Online-Studien wurden im Rahmen eines größeren Kooperationsprojekts durchgeführt. Im Folgenden werden nur die für die aktuelle Studie relevanten Verfahren beschrieben. Die vollständige Liste findet sich in dem Elektronischen Supplement ESM 1, Tabelle E1 – 4. Zunächst wurden alle Teilnehmenden über die Ziele und den Ablauf der Studie aufgeklärt und das Einverständnis eingeholt. Anschließend wurden die demographischen Daten der Eltern und Kindern erfasst. Es folgten etablierte Fragebögen zur Erfassung der emotionalen Kompetenz des Elternteils, der Emotionsregulationsstrategien des Kindes sowie ein Maß für die psychische Gesundheit des Kindes. Zu T3 wurden zusätzlich depressive und ängstliche Symptome des ausfüllenden Elternteils erfasst.

Messinstrumente

Psychische Gesundheit der Vorschulkinder. Als Maß für die psychische Gesundheit der Vorschulkinder wurde das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten mithilfe der deutschen Version des etablierten Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ, Goodman, Meltzer & Bailey, 1998) im Fremdbericht durch das Elternteil mit 27 Items erfasst. Diese wurden auf einer dreistufige Antwortskalen von (1) nicht zutreffend bis (3) eindeutig zutreffend beantwortet. Zu T1 wurde die Version für 4 – 16 Jahre (Koglin et al., 2007) verwendet. Zu T2 und T3 wurde allen Teilnehmenden die Version von 2 – 4 Jahre präsentiert, die sich in zwei Items der Skala Verhaltensprobleme unterscheidet. Teilnehmende mit Kindern ab 4 Jahren beantworteten zusätzlich die zwei Items der Version von 4 – 16 Jahre. Zur Berechnung des Gesamtwerts über alle Erhebungen verwendeten wir die 25 nicht altersspezifischen Items.

Für die Analyse von Risikofaktoren zu T2 und T3 verwendeten wir alle 27 Items. Zur Normierung wurde für diese Stichproben die Normen von Wörner und Kolleg_innen (2002) herangezogen. Dabei wurden, entsprechend vorheriger Untersuchungen (z. B. Langmeyer et al., 2020), die Kinder in die Kategorien (1) unauffällig und (2) auffällig eingeteilt, wobei (2) auffällig grenzwertige und klinisch auffällige Werte beinhaltet. Zusätzlich konnten die Eltern zu T2 und T3 noch Angaben zu den Problembereichen, zu deren Erstmanifestation und dem zeitlichen Verlauf machen. Die internen Konsistenzen in den drei Stichproben (T1, T2, T3) waren mit αs ≥ .73 geringer als in der Normierungsstudie (Wörner et al., 2002; α = .83), jedoch in einem akzeptablen Bereich.

Emotionsregulation der Vorschulkinder. Als Maß für die Emotionsregulation der Vorschulkinder wurde die Eltern-Kurzversion des Fragebogens zur Erhebung der Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen (FEEL-KJ, Greuel, Briegel & Heinrichs, 2018) verwendet. Dieser erfasst mit 30 Items den kindlichen Umgang mit verschiedenen Emotionen im Fremdbericht und wurde für Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren normiert. Die Items werden den Skalen adaptive Strategien (14 Items, z. B. Problemorientiertes Handeln, Zerstreuung), maladaptive Strategien (10 Items, z. B. Aufgeben, aggressives Verhalten) sowie weitere Strategien (6 Items, Ausdruck, Soziale Unterstützung, Emotionskontrolle) zugeordnet. In dieser Untersuchung werden die Skalen adaptive, αs ≥ .87, und maladaptive Strategien, αs ≥ .73, betrachtet.

Emotionale Kompetenzen. Die emotionale Kompetenz des teilnehmenden Elternteils wurde mithilfe des Fragebogens zur Selbsteinschätzung emotionaler Kompetenzen (SEK-27,Berking & Znoj, 2008) erfasst. Der Fragebogen umfasst 27 Items zum Auftreten und Umgang mit Emotionen der letzten Woche, die auf einer vierstufigen Antwortskala mit den Optionen von (1) überhaupt nicht bis (4) fast immer beantwortet werden. Als Maß für die Emotionale Kompetenz wurde ein Gesamtwert errechnet, αs ≥ .95.

Psychische Belastung der Eltern. Die psychische Belastung der Eltern wurde mit den etablierten Screening-In‍s‍trumenten zur Messung depressiver und ängstlicher Symptome erfasst. Depressive Symptome wurden mit den neun Items der deutschen Version des Patient Health Questionnaire-9 (PHQ-9, Kroenke, Spitzer & Williams, 2001) erfasst, α = .83; Angstsymptome mittels der acht Items der deutschen Version des Generalized Anxiety Disorder 7 (GAD-7,Spitzer, Krönke, Williams & Löwe, 2006), α = .91. Die Teilnehmenden beantworteten die Items mit den vier Optionen (1) Überhaupt nicht bis (4) Beinahe jeden Tag.

Statistische Analysen

Um die demographischen Angaben zwischen den Stichproben (T1 = prä-pandemisch, T2 = März 2021, T3 = November 2021) zu vergleichen, wurde das Bildungsniveau der Eltern entsprechend der CASMIN-Klassifikation transformiert (Brauns, Scherer & Steinmann, 2003) und den zwei Stufen Grundbildung / Sekundarabschluss und Tertiärbildung zugeordnet. Eine eindeutige Trennung von Grundbildung und Sekundarabschluss war zu T2 und T3 nicht möglich, sodass diese Stufen in allen Stichproben zusammengelegt wurden. Zusätzlich wurde das Einkommen der Familien in die zwei Einkommensstufen ≥ 2.500 € und < 2.500 € eingeteilt. Anschließend wurden Unterschiede zwischen den Datensätzen mittels Chi2-Tests und ANOVA untersucht (Tabelle 1).

Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Vorschulkinder untersuchen wir mittels einer multiplen linearen Regression mit den Prädiktoren Messzeitpunkte auf das Kriterium kindliche Verhaltensauffälligkeiten. Die dreistufige Variable Messzeitpunkt (T1, T2, T3) wurde mithilfe zweier kontrastkodierter Dummyvariablen abgebildet. Der erste Kontrast vergleicht den prä-pandemischen Zeitpunkt T1 mit dem Mittel der Zeitpunkte während der Pandemie (T2 & T3). Der zweite Kontrast untersucht explorativ mögliche Unterschiede zwischen T2 und T3. Im zweiten Schritt wurden die sozio–demographischen Variablen Alter und Geschlecht des Kindes, Bildungsniveau von Mutter und Vater, und Netto-Einkommen der Eltern als Prädiktoren hinzugefügt, um Konfundierungen von Messzeitpunkt und demographischen Unterschieden zwischen den Stichproben zu kontrollieren. Aufgrund der Verletzung der Annahme von Homoskedastizität (Durbin-Watson ≥ 1.12) wurde das Bootstrapping-Verfahren zur Schätzung der Standardfehler verwendet (Urban & Mayerl, 2018).

Im nächsten Schritt untersuchten wir mögliche Risiko- und Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit während der Pandemie mithilfe von logistischen Regressionen. Zu diesem Zweck wurden die Datensätze T2 und T3 zusammengefasst. Als Kriterium wurde die psychische Gesundheit als normierter SDQ-Gesamtwert verwendet. Als Prädiktoren wurden neben Alter und Geschlecht des Kindes sowie Einkommen und Bildungsniveau der Eltern die elterliche emotionale Kompetenz, die psychische Belastung der Eltern sowie adaptive und maladaptive Emotionsregulation der Kinder untersucht. Aufgrund der erwartbaren Multikollinearität der Prädiktoren wurden die Einflussfaktoren getrennt untersucht (siehe ESM 1, Tabelle E5 & 6). Für alle inferenzstatistischen Analysen wurden die kontinuierlichen Variablen z-standardisiert und Ausreißerwerte, die mehr als drei Standardabweichungen vom Mittelwert abwichen, mit dem entsprechenden Wert von z = 3/-3 ersetzt.

Ergebnisse

Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern im Verlauf

Zu T1 (prä-pandemische Stichprobe) berichteten 12.4 % der Eltern von einem auffälligen Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes. Dagegen berichteten zu T2 35 % und zu T3 30.4 % der Eltern von einem auffälligen Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten. Die normierten Werte der einzelnen Skalen finden sich im ESM 1, Abbildung E1. Hypothesenkonform zeigte sich, dass sich die psychische Belastung der Vorschulkinder zwischen den Messzeitpunkten unterschied. Während der Pandemie (März & November 2021) zeigte sich ein signifikant erhöhtes Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern im Vergleich zur Erhebung vor der Pandemie. Diese blieben auch nach der Berücksichtigung demographischer Unterschiede zwischen den Stichproben bestehen (Tabelle 2). Wir fanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten während der Pandemie. Vorschulkinder zeigten somit während der Pandemie durchgängig erhöhte Verhaltensauffälligkeiten nach Angabe ihrer Eltern im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Unabhängig vom Messzeitpunkt ging ein geringes (vs. höheres) Einkommen, ein geringes (vs. höheres) Bildungsniveau der Mutter sowie ein männliches (vs. weibliches) Geschlecht des Kindes mit einem höheren Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten einher.

Tabelle 2 Multiple Regressionsanalyse zu den Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten von Vorschulkindern unter Kontrolle soziodemographischer Unterschiede zwischen den Stichproben

Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit der Vorschulkinder während der Pandemie

In einem zweiten Schritt untersuchten wir mögliche Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit während der Pandemie. Die logistischen Regressionsanalysen zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit für ein auffälliges Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten durch ein niedriges Einkommen sowie eine erhöhte psychische Belastung der Eltern vorhergesagt wurde (Tabelle 3). Alter und Geschlecht der Kinder waren als Prädiktoren eines auffälligen Ausmaßes an Verhaltensauffälligkeiten nicht signifikant. Dagegen sagte eine höhere emotionale Kompetenz der Eltern ein vermindertes Ausmaß an auffälligem Verhalten vorher. Die sozio-emotionale Situation der Eltern könnte somit eine bedeutsame Rolle für die psychische Gesundheit der Kinder während der Pandemie spielen. Erstmalig fanden wir zudem, dass die Emotionsregulationsfähigkeiten der Kinder bedeutsam für die psychische Gesundheit während der Pandemie waren: Ein geringeres Ausmaß an adaptiven Strategien und ein höheres Ausmaß an maladaptiven Emotionsregulationsstrategien der Kinder sagte die Wahrscheinlichkeit für ein auffälliges Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten signifikant vorher (Tabelle 3).

Tabelle 3 Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen zum Einfluss von Risiko- und Schutzfaktoren auf das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten von Vorschulkindern während der COVID-19-Pandemie

Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, die anhaltenden Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern zu untersuchen. Ein Vergleich zwischen zwei Stichproben während der Pandemie im März 2021 und im November 2021 mit einer prä-pandemischen Vergleichsstichprobe aus 2009 – 2012 ergaben, dass das Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten (geringe psychische Gesundheit) von Vorschulkindern während der Pandemie anhaltend hoch ist. Zusätzlich identifizierten wir elterliche und kindliche Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit der Kinder während der Pandemie. Neben dem negativen Einfluss eines geringeren elterlichen Einkommens und einer erhöhten psychischen Belastung der Eltern fanden wir einen negativen Zusammenhang zwischen den emotionalen Kompetenzen von Eltern und Kindern und dem Ausmaß an psychischen Auffälligkeiten während der Pandemie.

Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass die zu Beginn der Pandemie gefundene Zunahme an Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern (Specht et al., 2021) auch nach mehr als einem Jahr Pandemie weiterhin vorliegt. Unsere Befunde erweitern bisherige, meist deskriptive, Untersuchungen zu den Auswirkungen der Pandemie auf Vorschulkinder (z. B. Maldei-Gohring et al., 2022) und verdeutlichen, dass die Pandemie nach mehr als einem Jahr weiterhin eine Belastung für die psychische Gesundheit von Schulkindern aber auch von Vorschulkindern ist. In Bezug auf Schulkinder konnte die bundesweite COPSY-Studie zeigen, dass sich die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Schulkindern und Jugendlichen seit Beginn der COVID-19 Pandemie zunächst deutlich verschlechtert und seither auf einem erniedrigten Niveau stabilisiert hat (Ravens-Sieberer et al., 2022). Die Prävalenz eines auffälligen Ausmaßes an Verhaltensauffälligkeiten lag bei den 7 – 17-jährigen Kindern bei 30.6 % (Januar 2021) und 28.0 % (Oktober 2021). Die Befunde der vorliegenden Studie weisen auf ähnlich hohe Werte und einen ähnlichen Verlauf für Vorschulkindern in Deutschland hin. Ein Vergleich zu internationalen Studien zur Entwicklung der psychischen Gesundheit von Vorschulkindern während der Pandemie steht mangels Vergleichsstudien noch aus.

Ziel der vorliegenden Studie war zudem, individuelle und familiäre Risiko- und Schutzfaktoren während der Pandemie zu identifizieren. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass die Pandemie besonders diejenigen Kinder belastet, die bereits vor der Pandemie als Risikogruppen galten (Reinelt et al., 2019). Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention sollten daher frühzeitig und niedrigschwellig ansetzen (z. B. in der Kita, über Familienhebammen oder Elternschulen) und sich zielgerichtet an Familien mit einem erhöhten Risikoprofil richten. Zusätzlich zu den soziodemographischen Risikofaktoren fanden wir erstmalig zwei wichtige psychologische Faktoren, die in der Forschung zu älteren Kindern bereits als wichtige Aspekte psychischer Gesundheit während der Pandemie identifiziert wurden (Breaux et al., 2021). Die Fähigkeit, Emotionen angemessen zu regulieren spielt eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit und unterliegt einer starken Plastizität im Vorschulalter (Morris et al., 2007). Eltern wirken dabei maßgeblich auf die Entwicklung der Emotionsregulationsfähigkeiten ihrer Kinder ein, gerade auch in stressreichen Zeiten wie der Corona-Pandemie. Ein gezieltes Training der Eltern im Umgang mit den kindlichen Emotionen in Krisensituationen kann neben einer Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern auch für die Eltern positive Auswirkungen haben (Havighurst et al., 2010) und somit einer negativen Familiendynamik nachhaltig entgegenwirken.

Daher wären gezielte Präventionsangebote im Kindergartenalter mit Fokus auf die emotionalen Kompetenzen von Kindern und Eltern potenziell geeignet, die psychische Gesundheit von Familien mit Vorschulkindern, gerade auch in Krisenzeiten, zu stärken. Inwieweit dies auch dazu führen kann, die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Kinder abzufedern, oder ob hier indizierte Präventionsangebote für betroffene Kinder und Familien erforderlich sind, muss weiter erforscht werden. Aufgrund der querschnittlichen Datenerhebung lässt sich aus der vorliegenden Studie allerdings keine hinreichende Evidenz für die Indikation solcher Intervention ableiten. In der Vergangenheit haben sich Präventionsmaßnahmen, die in den Kitas selbst stattfinden, als besonders hilfreich für diejenigen Kinder erwiesen, die bereits Verhaltensauffälligkeiten zeigten (Wiedebusch & Petermann, 2011). Eine frühzeitige Identifikation und indizierte Prävention im Kita-Kontext könnte somit ein zweiter wirksamer Baustein in der Bewältigung der Folgen der COVID-19 Pandemie für Vorschulkinder sein.

Neben den in unserer Studie fokussierten individuellen und familiären Risikofaktoren spielt der gesellschaftspolitische Kontext während der Pandemie eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit und die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Aknin und Kolleg_innen (2022) zeigten, dass sowohl das Infektionsgeschehen selbst als auch die Maßnahmen zur Eindämmung desselben sich auf die psychische Gesundheit von Erwachsenen in unterschiedlichen Ländern auswirken. Es ist anzunehmen, dass beide Faktoren verschiedene Auswirkungen auf die Lebensgestaltung und somit die psychische Gesundheit von Vorschulkindern haben. Präventionsmaßnahmen, die auf die Auswirkungen der Pandemie zugeschnitten sind, sollten daher die jeweiligen gesellschaftspolitischen Bedingungen berücksichtigen und sich z. B. im Format (digital vs. vor Ort) und Örtlichkeit (in der Familie, KiTa, Online) anpassen. Gleichzeitig ist anzumerken, dass die gesellschaftspolitischen Faktoren die in dieser Studie gefundene anhaltend hohe Belastung der Vorschulkinder nicht hinreichend erklären können: Obwohl sich das Infektionsgeschehen und die gesetzlichen Beschränkungen zwischen März und November 2021 deutlich verändert hatten (Autorengruppe Corona-KiTa-Studie, 2021), fanden wir keine signifikanten Unterschiede der psychischen Gesundheit von Vorschulkindern während der Pandemie.

Limitationen und Ausblick

Die vorliegende Studie bietet neue Erkenntnisse, gerade auch bezüglich der anhaltenden Effekte der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern. Um das Ausmaß der Veränderungen der psychischen Gesundheit zu bemessen, zogen wir als Vergleichsstichprobe die Daten der BELLA-Studie heran, die von 2009 – 2012 erhoben wurden (Otto et al., 2021). Diese Stichprobe ist im Hinblick auf die psychische Gesundheit von Vorschulkindern nach wie vor eine der bedeutsamsten repräsentativen Stichprobe in Deutschland. Dies verdeutlicht die eklatante Wissenslücke im Bereich der psychischen Gesundheit von Vorschulkindern. Eine neuere bevölkerungsrepräsentative Studie (Erhebungszeitraum 2014 – 2017) legt nahe, dass sich die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten von Kindern in Deutschland insgesamt in den Jahren vor COVID-19 Pandemie stabil oder sogar leicht rückläufig entwickelt hat (Klipker, Baumgarten, Göbel, Lampert & Hölling, 2018). Speziell für Vorschulkindern fanden neuere europäische Studien vergleichbare Ergebnisse (Gustafsson et al., 2017). So zeigte eine 2017 erhobene bevölkerungsrepräsentative Studie aus Dänemark, dass 17.4 % der Jungen zwischen null und sechs ein auffälliges Ausmaß an Verhaltensauffälligkeiten aufwiesen (Arnfred et al., 2019). Nichtsdestotrotz ist der Vergleich mit prä-pandemisch erhobene Vergleichsdaten aus dem Zeitraum (2009 – 2012) in seiner Aussagekraft eingeschränkt, da sie nicht unmittelbar vor Beginn der COVID-19 Pandemie erhoben wurden. Diese methodische Schwäche verdeutlicht die Dringlichkeit eines stärkeren Einbezugs von Vorschulkindern in bevölkerungsrepräsentativen Untersuchungen.

Die vorliegende Studie versucht, vorläufige Risiko- und Schutzfaktoren zu identifizieren, die für mögliche Interventionen und Präventionsprogramme zum Umgang mit der Pandemie relevant sein könnten. Einschränkend ist hervorzuheben, dass die vorliegende Studie auf querschnittlichen Daten basiert, sodass die hier gefundenen Zusammenhänge keine Kausalschlüsse zulassen. Beispielsweise ist möglich, dass die Pandemie neben der psychischen Gesundheit auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung emotionaler Kompetenzen der Kinder hatte, sodass die hier gefundene Korrelation durch Drittvariablen bedingt sein könnte. Um fundierte Aussagen gerade über die langfristigen Folgen der Pandemie auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern in Deutschland zu machen, sind Längsschnittstudien unter Einbezug des Vorschulalters daher zentral. In diesen Studien könnte gezielt untersucht werden, wie Ereignisse wie die COVID-19 Pandemie spezifische Entwicklungsphasen sozio-emotionaler Kompetenzen langfristig beeinflussen und welche individuellen, familiären und gesellschaftspolitischen Faktoren die Entwicklung beeinflussen.

Anders als zu Beginn der Pandemie (Langmeyer et al., 2020) fanden wir keinen Zusammenhang zwischen Geschlecht und psychischer Gesundheit der Vorschulkinder während der Pandemie. Gleichzeitig fanden wir einen signifikanten Einfluss des Geschlechts auf die psychische Gesundheit, wenn die prä-pandemische Stichprobe in die Analyse einbezogen wurde (Tabelle 2). Eine mögliche Interpretation wäre, dass die vor der Pandemie dokumentierten Geschlechtsunterschiede im Vorschulalter im Verlauf der Pandemie nicht mehr zu finden sind. Ein Trend zur Angleichung der psychischen Gesundheit von Jungen und Mädchen wurde bereits vor der Pandemie bei älteren Kindern gefunden (Klipker et al., 2018).

Die drei Stichproben der vorliegenden Studie unterscheiden sich bezüglich ihrer demographischen Eigenschaften. Die Stichprobe T3 (November 2021) verfügt über ein höheres Einkommen als die Stichproben T1 (prä-pandemisch) und T2 (März 2021). Ähnliche Selektionsprobleme in Online-Untersuchungen über die COVID-19 Pandemie wurden bereits mehrfach diskutiert (Langmeyer et al., 2020). Es ist daher zu erwarten, dass die untersuchten Stichproben das Ausmaß der Effekte der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Vorschulkinder systemisch unterschätzen, da Risikogruppen unterrepräsentiert sind (Reinelt et al., 2019). Im Hinblick auf künftige Studien sollten daher verstärkt einkommens- und bildungsschwächere Familien in den Fokus genommen werden, um die in dieser Studie gefundenen Risiko- und Schutzfaktoren für diese Risikogruppe zu überprüfen.

Schlussfolgerung

Auch nach mehr als einem Jahr zeigt sich eine geringere psychische Gesundheit von Vorschulkindern im Vergleich zu prä-pandemischen Daten, was auf eine langfristige Belastung hindeuten kann. Die vorliegende Arbeit erweitert bisherige Befunde zu Beginn der Pandemie und verdeutlicht den Handlungsbedarf für die gezielte Reduktion der psychischen Belastung in dieser Altersgruppe. Die Entwicklung von Verhaltensproblemen im Vorschulalter kann sich bis ins Schulalter fortführen und die Chronifizierung von psychischen Störungen begünstigen (Otto et al., 2021). Die anhaltend hohe Prävalenz von Verhaltensproblemen bei Vorschulkinder lässt daher vermuten, dass das Ausmaß an psychischen Störungen im Grundschulalter in den nächsten Jahren steigen könnte. Umso wichtiger ist es, Eltern und Kinder frühzeitig in den Blick zu nehmen und die emotionalen Kompetenzen von Kindern und Eltern mithilfe von indizierten Präventionsmaßnahmen zu stärken, um Kinder und Eltern in Krisenzeiten zu stärken und ggf. potenziellen psychosozialen Langzeitfolgen der COVID-19 Pandemie erfolgreich zu begegnen.

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