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Open AccessÜbersichtsarbeit

Genetische Risikofaktoren und ihre Auswirkungen auf die neurale Entwicklung bei Autismus-Spektrum-Störungen

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000803

Abstract

Zusammenfassung. Die Ätiologie der Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ist in genetischen Risikofaktoren sowie der Interaktion von genetischen und biologisch wirksamen Umweltrisikofaktoren begründet. ASS werden aufgrund von Verhaltensmerkmalen, nämlich bleibend eingeschränkter sozialer Kommunikation, sowie durch stereotypes Verhalten, sensorische und Sonderinteressen diagnostiziert. Hinsichtlich des genetischen Hintergrundes besteht eine hohe genetische Heterogenität, d. h., die genetischen Ursachen sind vielfältig und individuell oft sehr unterschiedlich ausgeprägt. Allerdings konvergieren diese Ursachen in bestimmten biologischen Mechanismen und überlappenden biologischen Endstrecken, deren Veränderung sehr wahrscheinlich den autismusspezifischen Verhaltensmerkmalen zugrunde liegt. Die vorliegende, selektive Literaturübersicht summiert die genetischen Befunde und fokusiert sich insbesondere auf Mechanismen und Endstrecken, die aufgrund der neueren Forschung immer besser charakterisiert werden. Der Artikel schließt mit Hinweisen zur klinischen Relevanz der aktuellen Befunde sowie offenen Fragen der translationalen Forschung.

Genetic risk factors and their influence on neural development in autism spectrum disorders

Abstract. Abstract. Autism spectrum disorders are etiologically based on genetic and specific gene x biologically relevant environmental risk factors. They are diagnosed based on behavioral characteristics, such as impaired social communication and stereotyped, repetitive behavior and sensory as well as special interests. The genetic background is heterogeneous, i. e., it comprises diverse genetic risk factors across the disorder and high interindividual differences of specific genetic risk factors. Nevertheless, risk factors converge regarding underlying biological mechanisms and shared pathways, which likely cause the autism-specific behavioral characteristics. The current selective literature review summarizes differential genetic risk factors and focuses particularly on mechanisms and pathways currently being discussed by international research. In conclusion, clinically relevant aspects and open translational research questions are presented.

Einleitung

Die Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind charakterisiert durch variable Einschränkungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotypes Verhalten, sensorische und Sonderinteressen. Betroffene Personen weisen eine hohe Komorbidität mit Entwicklungsstörungen, kognitiven Einschränkungen sowie anderen psychischen Erkrankungen auf (Lukmanji et al., 2019). Die Prävalenz in der westlichen Bevölkerung liegt bei ca. 1 % (Baio et al., 2018).

ASS sind überwiegend genetisch bedingt. Metaanalysen von Zwillingsstudien schätzen, dass der Anteil additiver genetischer Effekte am Krankheitsrisiko bei ca. 65 bis 90 % liegt (Tick, Bolton, Happe, Rutter & Rijsdijk, 2016). Neuere, groß angelegte Familien- und molekulargenetische Studien bestätigen diese Einschätzung (Pettersson et al., 2019). Auch wenn sporadische Fälle von ASS auftreten, sind ASS häufig familiär bedingt. So wird ein 10- bis 20-mal höheres Risiko für Geschwister in Familien mit einer ASS-Diagnose beschrieben im Vergleich zur Bevölkerungsprävalenz von rund 1 % (Sandin et al., 2014). Neben genetischen Faktoren gibt es auch Hinweise darauf, dass nichtgenetische Faktoren das Risiko für ASS erhöhen. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind hierbei aber noch wenig bekannt. Umweltfaktoren wie maternale Infektionen oder Diabetes während der Schwangerschaft stellen beispielsweise Risikofaktoren für ASS dar (Bölte, Girdler & Marschik, 2019). Die bisher beschriebenen ASS-assoziierten Umwelteinflüsse tragen vermutlich abhängig von der genetischen Veranlagung im Sinne einer Gen-Umwelt-Interaktion zu einem erhöhten Risiko bei.

Im Rahmen der klinischen und molekularbiologischen Forschung wurden bis heute viele unterschiedliche genetische Risikofaktoren beschrieben. Diese umfassen sowohl häufige als auch seltene genetische Varianten, welche teilweise synergistisch wirksam sein müssen, um ASS zu verursachen. Eine große Herausforderung in der Identifikation der genetischen Risikofaktoren bei ASS ist die hohe genetische Heterogenität und die niedrige Penetranz einzelner Varianten. Aktuell können bei ca. 20 bis 30 % der Betroffenen genetische Varianten identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich für die Störung sind (Devlin & Scherer, 2012). Dennoch sind bei vielen ASS-Patient_innen die molekularen Ursachen einschließlich der beteiligten Krankheitsmechanismen noch ungeklärt. Zusätzlich ist zumindest bei einem Teil der Patient_innen eine Interaktion von genetischen und früh in der neuralen Entwicklung wirksamen Umweltrisikofaktoren anzunehmen. Dies kann aus einer variablen individuellen Vulnerabilität hinsichtlich ASS-assoziierter Schwangerschaftsrisikofaktoren, wie z. B. pränatale Infektionen oder Valproat-Exposition, geschlossen werden (Bölte et al., 2019; Modabbernia, Velthorst & Reichenberg, 2017).

Trotz des eindeutig genetischen Hintergrundes gibt es bislang keinen validen genetischen Test zur Diagnose von ASS. Als besondere Schwierigkeit gelten hierfür die große genetische Heterogenität, der Einfluss von häufigen und auch in der Normalbevölkerung vorkommenden genetischen Varianten sowie die vergleichsweise geringe Prävalenz der Erkrankung. Bei etablierter ASS-Diagnose ist allerdings die Suche nach einer spezifischen genetischen Ätiologie insofern oft nützlich, als dass sie Hinweise auf möglicherweise medikamentös behandelbare komorbide Erkrankungen geben kann, wie z. B. eine muskuläre Hypotonie bei Prader-Willi-Syndrom, oder Hinweise auf den Verlauf erlaubt, wie z. B. die oft fehlende Sprachentwicklung und bleibende intellektuelle Behinderung bei unterschiedlichen SHANK3-Mutationen.

Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die Historie und den aktuellen Stand der Forschung hinsichtlich der genetischen Architektur von ASS und der beteiligten biologischen Signalwege. Zudem wird auf die klinische Relevanz dieser Erkenntnisse eingegangen, um die Translation in die klinische Praxis zu beschleunigen.

Historie genetischer Forschung

Analog zu anderen Krankheitsbildern ist auch in der genetischen Forschung ein Erkenntnisfortschritt parallel zu den verfügbaren molekularbiologischen Techniken und statistischen Auswertemethoden zu verzeichnen.

Basierend auf frühen Daten aus Zwillingsstudien konnte gezeigt werden, dass ASS eine hohe Heritabilität aufweisen. Parallel dazu wurden zunächst chromosomale Störungen anhand klassischer zytogenetischer Methoden beschrieben, z. B. das Klinefelter-Syndrom, das mit einer erhöhten Rate autistischer Symptome einhergeht (Tartaglia et al., 2017). Zu Beginn der molekulargenetischen Forschung wurden insbesondere monogene Erkrankungen basierend auf umschriebenen Kopplungsstudien in Familien mit definierbaren Erbgängen und nachfolgender gezielter Sequenzierung von einzelnen Genen beschrieben. Darunter fällt z. B. die Identifizierung der genetischen Grundlagen des Fragilen-X-Syndroms (FXS), das durch die Expansion eines 3-Basen-Repeats im FMR1-Gen verursacht ist und mit erhöhten Symptomen von ASS, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Angst sowie einer Intelligenzminderung einhergeht (Hagerman et al., 2018; Kaufmann et al., 2017).

Daran schlossen sich genomweite Kopplungs- und Assoziationsstudien an, die basierend auf automatisierten Genotypisierungstechniken immer mehr Bereiche des Genoms abdecken konnten. Die Kopplungsstudien belegten erstmals die hohe genetische Heterogenität von ASS (Freitag, 2017). Anhand der genomweiten Kopplungsstudien konnten so zahlreiche Genorte beschrieben werden, an denen pathogene Mutationen vermutet wurden. Zu den gut replizierten Genorten gehören die Chromosomenabschnitte 2q, 7q und 17q (Schellenberg et al., 2006). Die identifizierten Regionen umfassen hierbei mehrere Gene. Zwischen 1995 und 2008 untersuchten Kandidatengenstudien insgesamt um die 200 Gene in den genannten Regionen. Für weniger als die Hälfte der Gene fanden sich nominal mit ASS assoziierte Varianten (Holt et al., 2010). Zu den am häufigsten in unabhängigen Studien replizierten Risikogenen für ASS gehören beispielsweise RELN, LAMB1, EN2 und CNTNAP2 (Freitag, Staal, Klauck, Duketis & Waltes, 2010). Gezielte lokale Assoziationsstudien, die z. B. VNTR-Polymorphismen wie 5-HTTLPR in der Promotorregion des SLC6A4-Gens oder häufige SNPs (Single nucleotide polymorphism) untersucht haben, konnten jedoch meist nicht repliziert werden. Sowohl falsch positive wie auch falsch negative Befunde sind aufgrund der damals sehr kleinen Stichproben mit eingeschränkter Power möglich. Auch die ersten genomweiten Studien beschrieben zwar genomweit signifikante Assoziationsbefunde (Holt et al., 2010), die allerdings in nachfolgenden Studien in der Regel nicht repliziert werden konnten.

Basierend auf genomweiten SNP-Daten konnten anhand entsprechender Algorithmen zusätzlich auch sogenannte CNVs (Copy number variation) berechnet werden. CNVs sind kleine zytogenetische Veränderungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass submikroskopische Teile der sonst doppelt vorliegenden Chromosomen bei ASS häufiger nur einfach (Deletion eines Abschnittes) oder dreifach (Duplikation eines Abschnittes) vorliegen. In einer frühen familienbasierten Studie wurde gezeigt, dass besonders De-novo-CNVs mit ASS assoziiert sind (Pinto et al., 2010).

Als letzte technische Neuerung hat das NGS-Verfahren (Next generation sequencing) in Verbindung mit komplexen statistischen Analysemethoden die genetische Forschung bei ASS deutlich verändert. Die Ergebnisse zeigen, das zahlreiche einzelne pathogene Mutationen das Risiko für ASS deutlich erhöhen können, möglicherweise in Interaktion mit häufigen Varianten (Iossifov et al., 2014; Jiang et al., 2013; Rubeis et al., 2014; Sanders et al., 2012; Yu et al., 2013; Yuen et al., 2015; Yuen et al., 2017). Zahlreiche Mutationen, ebenso wie CNVs, treten dabei bei den Patient_innen de novo auf. Mittlerweile können mithilfe von speziellen bioinformatischen Analysen auch beteiligte Gen- und Proteinnetzwerke sowie die durch sie beeinflussten biologischen Signalwege vorhergesagt werden.

Während in GWAS (Genome-wide association studies) die Identifizierung häufiger SNPs als Risikofaktoren im Fokus steht, zielt die Sequenzierung des gesamten Exoms (Whole-exome sequencing [WES]) bzw. des gesamten Genoms (Whole-genome sequencing [WGS]) auf die Detektion von seltenen SNVs (Single nucleotide variant) und kleineren CNVs. Wie bei anderen komplexen Erkrankungen erhöhen einzelne SNPs das Risiko für eine Erkrankung nur um einen sehr geringen Prozentsatz, trotz ihrer klaren Rolle als Gruppe in der genetischen Ätiologie insbesondere psychischer Störungen (Smoller et al., 2013). Für spezifische, seltene SNVs, die oft ein stärkeres genetisches Risiko im Vergleich zu SNPs aufweisen (Woodbury-Smith & Scherer, 2018), ist ihre individuelle Rolle in der Ätiologie einer Erkrankung sehr schwer nachzuweisen. Das liegt auch hier an der geringen Power der derzeit verfügbaren Stichprobengrößen und an der fehlenden Information über die Funktion vieler SNVs.

Basierend auf den bisherigen Studien lassen sich klinisch relevante Schlussfolgerungen aktuell nur für die Abklärung zytogenetischer Befunde und einzelner monogener Erkrankungen ziehen. Um eine genetische Ätiologie bei einer bestehenden ASS zu finden, ist es klinisch empfehlenswert, zytogenetische Veränderungen im Rahmen einer klassischen Chromosomenanalyse (Karyogramm) zu untersuchen, sodass größere Deletionen und Duplikationen sowie zusätzlich Transversionen und Inversionen nachgewiesen werden können. Die Technik der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) erlaubt, etwas kleinere zytogenetische Veränderungen nachzuweisen. Sie ist aktuell im Rahmen der humangenetischen Abklärung noch häufig in Gebrauch, einmal zur zusätzlichen Bestätigung der Array- und Chromosomendiagnostik oder als Teiluntersuchung bei Verdacht auf Mikrodeletionssyndrome und/oder bei auffälliger zusätzlicher neurologischer oder anderer körperlicher Symptomatik. Für eine detalliertere genomweite Analyse von CNVs sind Microarray-Analysen der DNA von Betroffenen und deren Eltern in Kombination mit einer humangenetischen Untersuchung das Mittel der Wahl. Zahlreiche CNVs wurden bei ASS beschrieben und auch repliziert; sie werden in der humangenetischen Untersuchung aktuell in Deutschland auch gezielt untersucht (siehe Abschnitt Chromosomenabberationen und CNVs).

Die folgenden Abschnitte geben einen aktuellen Überblick über die diskutierten genetischen Risikofaktoren, die für ASS und für assoziierte Erkrankungen eine Rolle spielen. Am Artikelende ist ein Glossar zur Erklärung zentraler genetischer Begriffe zusammengestellt, in Tabelle 1 sind wichtige replizierte Risikogene und die damit einhergehenden genetischen Varianten, weitere damit assoziierte psychische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen sowie die aktuell aufgeklärten biologischen Mechanismen zusammengestellt.

Tabelle 1 Replizierte Gene und chromosomale Regionen mit Risikovarianten für Autismus-Spektrum-Störungen.

Seltene Varianten

Monogene Erkrankungen

Seltene monogene Störungen gehörten zu den ersten genetischen Befunden, die als Risikofaktoren für ASS beschrieben wurden. In Summe werden monogene Ursachen in bis zu 10 % aller ASS-Fälle gefunden (Devlin & Scherer, 2012). Träger dieser monogenen Störungen weisen in der Regel zusätzliche Verhaltens- und somatische Merkmale auf, die charakteristisch für die jeweilige monogene Störung sind.

Die häufigste monogene Störung ist das Fragile-X-Syndrom (FXS), das bei rund 3 % aller Personen mit ASS auftritt (Kaufmann et al., 2017). Andere ASS-assoziierte monogene Störungen sind seltener (< 1 %), wie z. B. Tuberöse Sklerose (TSC; Jeste et al., 2016), Neurofibromatose 1 (NF1; Chisholm et al., 2018) und das Timothy-Syndrom (Han, Xue, Yan & Li, 2019).

FXS wird verursacht durch die Expansion eines 3-Basen-Repeats im FMR1-Gen, was zu einer reduzierten Expression des Genproduktes FMRP führt. FMRP spielt eine wichtige Rolle in der Regulation des mRNA-Transports und der Translation im Gehirn und beeinflusst die synaptische Plastizität (Davis & Broadie, 2017). Die Ursache für TSC sind sogenannte Loss-of-Function-Mutationen in den Genen TSC1 und TSC2 (Curatolo, Moavero & de Vries, 2015; Curatolo, Napolioni & Moavero, 2010). Diese Gene wirken als Inhibitoren im mTOR-Signalweg und beeinflussen dadurch ebenso die lokale Translation an der Synapse wie die zellulären Energiesensoren. Mutationen im NF1-Gen sind ursächlich für das Tumordispositions-Syndrom NF1 und führen zu einer fehlerhaften Regulierung des RAS-Proteins sowie der Zellproliferation und Apoptose (Philpott, Tovell, Frayling, Cooper & Upadhyaya, 2017). Das Timothy-Syndrom wird durch Mutationen im CACNA1C-Gen verursacht, welches für den Aufbau von Calcium-Ionenkanälen verantwortlich ist und somit u. a. die Zell-Zell-Kommunikation sowie die elektrische Aktivität der Zellen reguliert (Han et al., 2019).

Pathogene Mutationen im PTEN-Gen (Phosphatase and Tensin homolog) sind ursächlich für das PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom, zu dem u. a. das Cowden- und das Bannayan-Riley-Ruvlacaba-Syndrom gehören. Interessanterweise reguliert PTEN ebenso einen weiteren Kontrollmechanismus der lokalen synaptischen Translation. PTEN-Mutationen haben Auswirkungen auf Zellzyklus, Apoptose, Zellwanderung und Stabilität des Genoms, führen zu Krebs, Epilepsie und wurden auch bei ASS-Patient_innen insbesondere im Zusammenhang mit einer Makrozephalie beschrieben (Hansen-Kiss et al., 2017; McBride et al., 2010).

Seltener treten ASS auch bei einigen monogenen Stoffwechselkrankheiten auf wie Phenylketonurie (PAH-Gen), Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (DHCR7-Gen; Caglayan, 2010) oder Adenylosuccinat-Lyase-Mangel (ADSL-Gen; Caglayan, 2010; Stathis, Cowley & Broe, 2000). Das PAH-Gen ist verantwortlich für die Bildung des Enzyms Phenylalanin-Hydroxylase, das für die Herstellung von Tyrosin und damit u. a. für die Bildung von Hormonen verantwortlich ist, die als Transmitter im Gehirn agieren. Das DHCR7-Gen wiederum kodiert für ein Enzym, das für die Cholesterolproduktion in vielen Zellen verantwortlich ist und somit eine kritische Rolle bei der Embryonalentwicklung innehat.

Chromosomenabberationen und CNVs

ASS-Patient_innen mit Chromosomenabberationen weisen oft spezifische zusätzliche Verhaltens- und somatische Merkmale auf, was zur diagnostischen Abklärung beitragen kann. Bei 2 bis 5 % der ASS-Patient_innen werden numerische Chromosomenaberrationen einschließlich Geschlechtschromosomen-Aneuploidien gefunden (Devlin & Scherer, 2012; Liu & Takumi, 2014). Beim Down-Syndrom (Trisomie 21; Rachubinski, Hepburn, Elias, Gardiner & Shaikh, 2017), aber auch beim Klinefelter- (47,XXY), Turner-Syndrom (45,X) und anderen geschlechtschromosomalen Aneuploidien (47, XYY; 47, XXYY) haben Studien eine erhöht auftretende ASS-Symptomatik bei Betroffenen gefunden (Lepage, Lortie, Deal & Théoret, 2014; Tartaglia et al., 2017). Durch eine klassische Chromosomenanalyse lassen sich diese numerischen Chromosomenanomalien feststellen.

Zu den häufig bei ASS diagnostizierten zytogenetischen Befunden gehören: 1q21.1-Deletion, 3q29-Deletion, 7q11. 23-Duplikation (Williams-Beuren-Syndrom; Codina-Sola et al., 2019), diverse 15q11.1-13.3-Duplikationen und Inversionen, einschließlich Imprintingstörungen wie das Prader-Willi-Syndrom (Baker et al., 2018), 16p11.2-Deletion oder -Duplikation, 22q11.2-Deletion und 22q13.3-Deletion. Bei etwa 0.8 % der ASS-Patient_innen wurden in der 16p11.2-Region CNVs gefunden, speziell rund 600 kb umfassende Mikrodeletionen oder -duplikationen (Woodbury-Smith & Scherer, 2018). Dabei zeigen Patient_innen mit einer 16p11.2-Deletion häufig eine Makrozephalie, während Patient_innen mit einer Duplikation in der Regel eine Mikrozephalie aufweisen.

Chromosomenaberrationen und CNVs treten bei ASS-Patient_innen auch de novo auf, d. h. die Eltern sind nicht Träger_innen dieser genetischen Veränderungen. Chromosomenanomalien aufgrund von unbalancierten Translokationen wurden verstärkt bei ASS-Patient_innen mit dysmorphen Merkmalen, Epilepsie, Intelligenzminderung, Mikro-/Makrozephalie oder anderen körperlichen Symptomen gefunden (Tammimies et al., 2015). Größere De-novo-CNVs (> 15 kb) wurden nicht nur bei Patient_innen mit ASS, sondern auch bei Patient_innen mit Intelligenzminderung beschrieben (Pinto et al., 2010). Im Vergleich zu Betroffenen aus Multiplex-Familien wurden bei Betroffenen mit sporadisch auftretenden ASS aus Simplex-Familien häufiger seltene De-novo-CNVs gefunden (Sebat et al., 2007).

Methodisch ist es schwierig, die Pathogenität dieser genetischen Varianten nachzuweisen, da Träger_innen selbst oftmals keine Symptome aufweisen. Zudem finden sich auch in der gesunden Bevölkerung zahlreiche, vor allem kleinere CNVs. Berichte über „Double Hits“ bei ASS-Patient_innen zeigen aber, dass mehrere potenziell pathologisch relevante Befunde häufiger bei betroffenen Personen vorhanden sind (Vorstman et al., 2011). Die Abklärung von bekannten CNVs erfolgt standardmäßig mit einem Array-CGH (Comparative Genomic Hybridisation; z. B. 15q11-13). Zur Bestätigung wird oftmals zusätzlich eine FISH durchgeführt; die Multicolor-FISH bietet zusätzlich auch die Identifizierung von Translokationen, welche mit Microarrays bisher nicht gut nachgewiesen werden können. Alternativ zum Array wird teilweise noch die MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification) angewendet, um zu bestimmen, ob eine Region oder einzelne Exons deletiert oder dupliziert sind. Goldstandard zur Abklärung von CNVs sind zum aktuellen Zeitpunkt Microarray-Chip-Analysen.

SNVs

Gegenwärtige groß angelegte Sequenzierungsstudien des gesamten Exoms (WES) und Genoms (WGS) zielen darauf ab, zusätzliche Mutationen zu beschreiben, die für ASS relevant sein könnten. Bis heute wurden viele ASS-Kandidatengene aus WES- und WGS-Studien identifiziert (Woodbury-Smith & Scherer, 2018); viele Befunde sind aber noch nicht repliziert oder funktionell beschrieben. Zu den bestbeschriebenen SNVs gehören Punktmutationen in den bekannten synaptischen Genen SHANK3, NRXN1, NLGN3/4, aber auch in Genen, die an der fötalen Entwicklung beteiligt sind wie CHD7/8 und TBR1 (Huguet, Ey & Bourgeron, 2013; de La Torre-Ubieta, Won, Stein & Geschwind, 2016; Yuen et al., 2017). Es wird angenommen, dass seltene SNVs stärker zum genetischen Risiko für ASS beitragen als häufige SNPs (Woodbury-Smith & Scherer, 2018), jedoch ist der pathogene Effekt aufgrund zu geringer Stichprobengrößen bzw. dem seltenen Vorkommen einzelner Varianten auch hier kaum zu schätzen. Hinzu kommt, dass die Funktionen der jeweiligen SNVs meist nicht bekannt sind oder nur schwierig (z. B. im Tier- oder Zellmodell) oder gar nicht zu bestimmen sind.

Ähnlich der CNVs werden seltene De-novo-SNVs signifikant häufiger bei ASS-Fällen im Vergleich zu ihren nicht betroffenen Geschwistern detektiert (O’Roak et al., 2014; Sanders et al., 2012). Dies gilt aber nicht, wenn man nur synonyme Mutationen betrachtet, also Varianten, welche nicht zu einem Aminosäureaustausch führen. Seltene De-novo-SNVs wurden auch häufiger bei Nachkommen von älteren Vätern beobachtet. Diese wurden mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Keimbahnmutation während der Spermatogenese bei zunehmendem Alter erklärt (Ronemus, Iossifov, Levy & Wigler, 2014).

Eine Sequenzierung bei Patient_innen mit ASS wird häufig dann durchgeführt, wenn vorhergehende genetische Befunde negativ waren, wenn der Verdacht besteht, dass es sich um ein genetisches Syndrom handelt oder wenn Komorbiditäten wie Intelligenzminderung und Epilepsie vorhanden sind. Hierbei ist eine Panel-Sequenzierung oft das Mittel der Wahl, mit der bekannte pathologisch relevante Gene für Intelligenzminderung oder Epilepsie abgeklärt werden können (Hoang, Buchanan & Scherer, 2018; Wang, Corominas & Lin, 2019).

Häufige Varianten (SNPs)

GWAS sind hauptsächlich in der Lage, häufige Varianten in Form von SNPs zu untersuchen. Es gibt auch häufige CNVs, diese sind allerdings bislang kaum Gegenstand der Forschung und werden hier deshalb vernachlässigt. Trotz ihrer bestätigten Rolle in der genetischen Ätiologie bei psychischen Störungen erhöhen einzelne SNPs das Risiko für eine Erkrankung nur gering. In der Regel wird ein additiver Effekt der einzelnen Varianten angenommen (Smoller et al., 2013). Eine Studie schätzte, dass häufige Varianten bis zu 40 % in Simplex-Familien und bis zu 60 % in Multiplex-Familien zum Risiko der ASS beim Kind beitragen (Klei et al., 2012). Eine weitere Studie schätzte, dass eine Heritabilität von ca. 52 % auf häufige Varianten zurückzuführen ist und nur ca. 3 % auf seltene Varianten (Gaugler et al., 2014). Bis vor Kurzem war die Suche nach häufigen Varianten in Form von SNPs mit GWAS weitgehend erfolglos. Mehrere Studien detektierten Signale, die jedoch kein genomweites Signifikanzniveau erreichten (Anney et al., 2010; Anney et al., 2012; Ma et al., 2009; Wang et al., 2009). Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse mehrerer GWAS mit über 16 000 Betroffenen mit ASS konnte erstmals ein genomweites signifikantes Signal bei 10q24.32 identifizieren (Grove et al., 2019).

Trotz des klaren Nachweises der Rolle von häufigen genetischen Varianten bzw. SNPs in der Ätiologie von ASS spielen sie derzeit keine Rolle in der klinisch-genetischen Beurteilung. Einzelne Risikoallele von SNPs führen nur zu einer geringgradigen Erhöhung des genetischen Risikos. Durch die Berechnung eines additiven polygenetischen Risikoscores (PRS) wird aktuell versucht, einzelne Personengruppen zu stratifizieren. So können beispielsweise Personen mit einem erhöhten genetischen SNP-basierten Risiko für ASS in einer Population angereichert werden oder das genetische PRS-basierte Risiko für ASS oder anderen Störungen mit phänotypischen Merkmalen von ASS korreliert werden. Zum anderen wurde in einer kürzlich publizierten Studie gezeigt, dass der PRS die variable Expressivität von seltenen genetischen Risikofaktoren sehr gut aufklären kann, wie z. B. die Körpergröße bei Personen mit einer Geschlechtschromosomenaneuploidie oder den BMI (Body-Mass-Index) bei Personen mit einer CNV von 16p11.2 (Oetjens, Kelly, Sturm, Martin & Ledbetter, 2019). Insgesamt sind Studien zum PRS allerdings noch im Bereich der Grundlagenforschung angesiedelt. Es ist anzunehmen, dass es durch einen PRS alleine nicht möglich sein wird, die Diagnose einer komplexen Erkrankung wie ASS vorherzusagen, da der PRS nur den Teil des additiven-genetischen Risikos durch SNPs abbildet. Es wird derzeit diskutiert, ob ein störungsspezifischer PRS möglicherweise die klinische Entscheidungsfindung bei Symptomen mit unklarer diagnostischer Einordnung unterstützen kann (Wray et al., 2020). Dies wird mit zunehmender Größe der Stichproben und Verbesserung der Algorithmen eher möglich werden, da sich dadurch die Einzeleffekte der zugrunde liegenden SNPs akkurater schätzen lassen.

Ein weiterer Bereich, in dem SNPs vermehrt untersucht wurden, sind pharmakogenetische Studien, die einerseits versuchen, im Sinne der personalisierten Medizin eine Prädiktion der Wirksamkeit einzelner Arzneimittel bei bestimmten psychiatrischen Krankheitsbildern zu ermöglichen oder andererseits das mögliche Auftreten von unerwünschten Wirkungen vorherzusagen. Diese Studien sind bei ASS im Wesentlichen hinsichtlich der Therapie mit Risperidon durchgeführt worden (Stern, Linker, Vadodaria, Marchetto & Gage, 2018). Aufgrund fehlender Replikation muss auch hier noch weitere Forschung erfolgen, bevor diese Ergebnisse in die Klinik übernommen werden können.

Primär sind die aus SNP-Analysen generierten Daten klinisch für die Berechnung von CNVs nützlich und können somit die genetische Abklärung bei einer vorhandenen ASS-Diagnose unterstützen (Pinto et al., 2010).

Epigenetik bei ASS

Genetische Studien, insbesondere GWAS und WES, haben auch Hinweise auf die Relevanz von epigenetischen Regulatoren bei ASS gefunden. Unter epigenetischen Regulatoren fassen wir hier Proteine zusammen, welche Prozesse wie DNA-Methylierung und Histon-/Chromatinmodifikation steuern. Beide Prozesse sind besonders während der Entwicklung komplexer Gewebe wie dem Gehirn zentral und beeinflussen die Genexpression, ohne dabei die DNA-Sequenz selbst zu verändern (Adalsteinsson & Ferguson-Smith, 2014; Schiele & Domschke, 2018). Viele der ASS-assoziierten Gene sind epigenetische Regulatoren und identifizierte Varianten werden mit einer epigenetischen Dysregulierung bei ASS assoziiert, u. a. die Gene CHD8, HIST1H1E und MECP2 (Bernier et al., 2014; Lasalle, 2013; Pinto et al., 2014; Rubeis et al., 2014; Wen et al., 2017).

Mutationen in den Genen CHD8 und HIST1H1E bewirken beispielsweise eine Dysregulation von Proteinen, die die Histonmodifikationen kontrollieren. Histone sind basische Proteine, die mit der DNA interagieren und essenziell für die Verpackung der Chromatide sind. Somit sind Histone auch für die Zugänglichkeit und Expressionsregulation der jeweiligen kodierten Gene zuständig. Bei der Histonmodifikation werden diese Histonproteine chemisch durch Acetylierung oder Methylierung verändert, was zu einer Verdichtung der Chromatinstruktur führt. Das CHD8-Gen kodiert für eine DNA-Helikase, die den Umbau dieser Struktur an spezifischen Zielsequenzen reguliert und dadurch als Transkriptionsrepressor fungiert. Viele Zielgene, die von CHD8 inhibiert werden, sind selbst ASS-Risikogene (Cotney et al., 2015). ASS-Patient_innen mit Mutationen im CHD8-Gen zeigen oft phänotypisch zusätzliche Charakteristika wie dysmorphe Gesichtszüge, gastrointestinale Beschwerden und Makrozephalie (Bernier et al., 2014). Ähnlich ist es beim HIST1H1E-Gen, welches für ein Protein kodiert, dessen Aufgabe die übergeordnete Organisation der Chromatinstruktur und Regulierung der Transkription ist. Mutationen im HIST1H1E-Gen sind mit ASS-Merkmalen und geistigen Störungen assoziiert (Duffney et al., 2018).

Die häufigste epigenetische Modifikation ist die DNA-Methylierung. Dabei wird eine Methylgruppe direkt an die DNA, im Speziellen an die Base Cytosin, angehängt, wodurch die Aktivierung eines DNA-Segments, z. B. des Promotorbereichs, verändert wird. MECP2 kodiert für ein Bindungsprotein, das sich an einer methylierten Region auf der DNA anheften kann und diese durch Kondensation der Chromatinstruktur inhibiert. Das Protein MeCP2 kann dadurch überwiegend synaptische Gene regulieren (Chao, Zoghbi & Rosenmund, 2007; Kubota & Mochizuki, 2016). Loss-of-Function-Mutationen in MECP2 sind primär mit dem Rett-Syndrom assoziiert, SNVs wurden aber auch vermehrt bei sporadisch auftretenden ASS-Patient_innen identifiziert (Wen et al., 2017). Interessant ist zudem, dass im Gehirn von ASS-Patient_innen eine erhöhte Methylierung des MECP2-Promotors selbst und damit verbunden eine verminderte MECP2-Expression beobachtet werden konnte (Nagarajan, Hogart, Gwye, Martin & Lasalle, 2006).

In Ergänzung zu Mutationen in einzelnen „epigenetischen“ Regulatoren wurde auch die epigenetische Modifikation selbst angeschaut und in Fall-Kontroll-Studien Unterschiede in der DNA-Methylierung gefunden (Ellis, Gupta, Moes, West & Arking, 2017; Ladd-Acosta et al., 2014). Diese betreffen u. a. auch die bereits in SNV- und CNV-Studien identifizierten ASS-Risikogene SHANK3 und OXTR (Durand et al., 2007; Gregory et al., 2009). SHANK3 hat als Gerüstprotein Einfluss auf die Morphologie der Dendritenfortsätze und die synaptische Transmission (Uchino & Waga, 2013). Eine Post-mortem-Studie identifizierte drei intragenische CpG-Inseln im SHANK3-Gen, die bei ASS-Patient_innen eine signifikant erhöhte Methylierung im Vergleich zu Kontrollen aufwiesen (Zhu et al., 2014).

OXTR kodiert für einen Rezeptor, der das Neurotransmitter-Peptidhormon Oxytocin binden kann. Eine DNA-Methylierungsanalyse zeigte, dass mehrere oxytocinregulierende CpG-Inseln im temporalen Kortex von ASS-Patient_innen hypermethyliert waren (Gregory et al., 2009). Eine weitere Studie bestätigte, dass Erwachsene ASS-Patient_innen im Vergleich zu Kontrollen eine höhere OXTR-Methylierung im Bereich von Intron 1 haben. Interessanterweise hing diese Hypermethylierung mit klinischen Symptomen und mit einer Hypokonnektivität zwischen kortiko-kortikalen Arealen zusammen. So stand die Methylierung an einer CpG-Stelle im Exon 1 in positivem Zusammenhang mit sozialer Reaktivität bei ASS und mit einer Hypokonnektivität zwischen striatalen und kortiko-kortikalen Hirnarealen (Andari et al., 2020).

Post-mortem-Studien bei ASS-Patient_innen und Kontrollen haben zudem differenziell methylierte Regionen identifiziert, in denen auch CNVs detektiert wurden (Ladd-Acosta et al., 2014). Interessanterweise fand man auch bei einigen ASS-Patient_innen untereinander unterschiedliche DNA-Methylierungen, die auf die vorhandenen CNVs zurückgeführt wurden. Es ist also möglich, dass sich Veränderungen in CNVs als Methylierungsunterschiede auf einem Array manifestieren können. Das heißt, eine differenzielle DNA-Methylierung bei ASS-Patient_innen kann oft durch CNVs erklärt werden und ist nicht per se auf Umweltrisikofaktoren zurückzuführen (Ladd-Acosta et al., 2014). Dementsprechend sind Methylierungsanalysen bei ASS nicht von klinischer Bedeutung.

Neben epigenetischen Mechanismen auf DNA-Ebene haben auch microRNAs (miRNAs) auf Translationsebene Einfluss auf die Regulierung der Genexpression (Fregeac, Colleaux & Nguyen, 2016). Bei miRNAs handelt es sich um kurze, nichtkodierende RNA-Moleküle mit einer Länge von ca. 15 bis 22 Nukleotiden. Als epigenetische Regulatoren kontrollieren sie die Translation vieler Gene durch das Blockieren der Proteinsynthese oder z. B. durch das Induzieren eines Abbaus der mRNA (Fregeac et al., 2016). Einige Studien konnten miRNAs identifizieren, die bei Betroffenen mit ASS und Kontrollen unterschiedlich exprimiert waren (Abu-Elneel et al., 2008). Auch hier sind die Befunde noch nicht repliziert, sodass sie nicht von klinischer Relevanz sind.

Weiterhin wird angenommen, dass epigenetische Effekte auch die Mediatoren von Umweltfaktoren sind und somit die nichtgenetischen Faktoren für das Risiko von ASS vermitteln könnten. So wurde bisher gezeigt, dass vermutlich eine Valproat-induzierte Histon-Hyperacethylierung einen pathologischen Einfluss auf die kortikale Entwicklung hat. Dies konnte im Tiermodell durch ASS-ähnliche Verhaltensweisen bei Mäusen gezeigt werden (Kataoka et al., 2013). Weiterhin wurde berichtet, dass pränataler Stress eine veränderte DNA-Methylierung und miRNA-Expression in der Plazenta und im Gehirn bewirkt und mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie, ADHS, ASS und Angststörungen assoziiert ist (Babenko, Kovalchuk & Metz, 2015).

Aufgrund der ausstehenden Replikation der Befunde haben epigenetische Analysen für die klinische Diagnostik derzeit keine Relevanz. Unterstützend können Methylierungsmuster allerdings bei der Interpretation von Varianten mit unbekannter Bedeutung ergänzend zu NGS, WES und WGS klinischen Nutzen bringen.

Überlappende biologische Endstrecken verschiedener Risikovarianten

Molekulargenetische Studien haben eine Vielzahl an ASS-assoziierten Genen entdeckt, deren Genfunktionen oft aber noch nicht vollständig geklärt sind. Eine Herausforderung ist es, zu verstehen, wie Varianten von verschiedenen Genen mit unterschiedlichen Funktionen zu einem gemeinsamen klinischen Phänotyp führen. Systembiologische Ansätze und Netzwerkanalysen haben hierbei zeigen können, dass ASS-Risikogene während der Entwicklung des menschlichen Nervensystems miteinander in Beziehung stehen und dass zahlreiche dieser Gene in bestimmten biologischen Signalwegen und Netzwerken konvergieren (Alonso-Gonzalez, Rodriguez-Fontenla & Carracedo, 2018; Di Nanni et al., 2019; Liu & Takumi, 2014; Pinto et al., 2014). Speziell sind dabei Prozesse wie Genregulation, neuronale Entwicklung und Neurotransmission vermehrt identifziert worden.

Genregulation

Die Gehirnentwicklung erfordert u. a. die Generierung und Positionierung einer bestimmten Anzahl und Art von Zellen sowie die Bildung verschiedener Synapsen, um Umfang und Ausrichtung neuronaler Prozesse zu ermöglichen. Diese Entwicklung wird über molekulare Signalwege und daran beteiligte Gene über eine aktivitätsabhängige Transkription und Translation reguliert. In Neuronen sind Transkription und Translation genetisch und epigenetisch dynamisch über die Neuronenaktivität reguliert und bewirken dadurch in bestimmten Zellregionen eine räumlich beschränkte Genexpression (Buffington, Huang & Costa-Mattioli, 2014; Greer & Greenberg, 2008). Störungen dieser aktivitätsabhängigen Transkriptionsregulatoren oder ihrer Ziele sind als Ursachen für ASS beschrieben. Dazu gehören beispielsweise Mutationen in den oben beschriebenen epigenetisch wirksamen Genen MECP2 (Wen et al., 2017) und CHD8 (Bernier et al., 2014), weiterhin im Ionenkanalprotein-kodierenden Gen CACNA1C (Timothy-Syndrom; Splawski et al., 2004) sowie fehlerhaftes Imprinting der Ubiquitin-Protein-Ligase E3A (UBE3A), welches das Angelman-Syndrom verursacht (Nicholls & Knepper, 2001). Studien mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) von Betroffenen mit Timothy-Syndrom haben gezeigt, dass CACNA1C ein Netzwerk von Genen reguliert, die wiederum an der synaptischen Funktion beteiligt sind (Paşca et al., 2011; Tian et al., 2014). Mutationen in weiteren ASS-assoziierten synaptischen Genen wie TSC1/2 und PTEN bewirken eine Dysregulation des mTOR-Signalwegs, welcher Proliferation, Wachstum und neuronale Morphogenese der Zelle reguliert (LiCausi & Hartman, 2018; Lipton & Sahin, 2014). Aufgrund dieser Dysregulation wird die Aktivität von mTOR verstärkt und induziert so einen Anstieg der mRNA-Translation. Der FMRP-Signalweg spielt ebenso eine wichtige Rolle bei der lokalen Proteinsynthese an der Synapse. Durch die aktivitätsabhängige Transkription und Translation erfolgt letztendlich die dynamische und flexible Konformation der Synapse und beeinflusst ihre Plastizität. Dabei kontrolliert das vom FMR1-Gen kodierte Protein FMRP im Komplex mit den Proteinen EIF4E und CYFIP1 die Translation der mRNA (Bassell & Warren, 2008; Waltes et al., 2014). Interessanterweise ist in der ASS-Risikoregion 15q11-q13 (van der Zwaag et al., 2009) das mit FMRP interagierende Protein CYFIP1 lokalisiert. Dies deutet auf eine Konvergenz von ASS-Risikogenen in der neuronalen Translationsregulation hin. Die Dysregulation von Translation und Transkription spielt also eine zentrale Rolle in der Ätiologie von ASS, besonders während der fötalen neuronalen Entwicklung.

Neuronale Entwicklung

Hinweise aus genetischen und Post-mortem-Studien bestätigen, dass ASS durch eine Dysregulation der fötalen kortikalen Entwicklung verursacht werden kann (Parikshak et al., 2013; Voineagu et al., 2011). Weitere Studien in Mausmodellen berichten, dass genetische Mutationen im Zusammenhang mit den wichtigsten monogenen Formen von ASS (FMR1, TSC1/2, PTEN, CNTNAP2 und CHD7) die fötale Gehirnentwicklung verändern (Feng et al., 2013; La Fata et al., 2014; Magri et al., 2011; Peñagarikano et al., 2011; Zhou et al., 2011). Besonders der Funktionsverlust im mTOR-Signalweg führt dabei zur fehlerhaften Regulierung von Proliferation, Wachstum und Morphognese der Zellen. Tatsächlich konnten Studien zeigen, dass PTEN-Mutationen sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen eine Makrozephalie im Vorderhirn hervorrufen, was auf Defekte in der Kortikogenese zurückzuführen ist (Kwon et al., 2006; O’Roak et al., 2012). In ähnlicher Weise finden sich ASS-assoziierte genetische Varianten in Genen, die am Wnt-Signalweg beteiligt sind (Krumm, O’Roak, Shendure & Eichler, 2014), einem regulatorischen Signalweg, der für Zellerneuerung, neuronale Differenzierung und Struktur des Gehirns zuständig ist (Nusse & Clevers, 2017). Bei Mäusen führt die Modulation des Wnt-Signalwegs zu einer veränderten kortikalen Schichtung und zu einer ASS-ähnlichen Symptomatik (Long, LaPorte, Paylor & Wynshaw-Boris, 2004; Sowers et al., 2013). Darüberhinaus sind viele Gene mit seltenen De-novo-Mutationen sowohl an der Regulation des Wnt-Signalwegs als auch auch an der Regulierung der Expression relevanter Gene für die embryonale Entwicklung beteiligt, wie beispielsweise CHD8 (Cotney et al., 2015) oder TBR1, ein wichtiger Transkriptionsfaktor (Bedogni et al., 2010). Eine kürzlich durchgeführte Fallstudie berichtete, dass Mutationen im TBR1-Gen kortikale Fehlbildungen und Intelligenzminderung bei zwei Betroffenen verursachten (Vegas et al., 2018). Viele der ASS-Risikogene sind im menschlichen fötalen Gehirn während der Phase der Neurogenese (4–24 Wochen nach Empfängnis) stark koexprimiert (Stein et al., 2014), was die Hypothese der veränderten fötalen kortikalen Entwicklung bestärkt. Weiterhin wurde gezeigt, dass ein Ausschalten der CHD8-Expression in menschlichen neuronalen Vorläuferzellen eine Herunterregulierung von Genen bewirkt, die die Zelladhäsion, die neuronale Differenzierung und Axon-Steuerung, den Wnt-Signalweg und Gene, die mit der Chromatinmodifikation zusammenhängen, steuern (Cotney et al., 2015; Sugathan et al., 2014). Darüberhinaus wiesen Betroffene mit CHD8-Mutationen eine Makrozephalie auf, was die regulatorische Funktion des Wnt-Signalwegs in Bezug auf Gehirngröße über die Regulation der Neurogenese unterstützt (Bernier et al., 2014; Nishiyama, Skoultchi & Nakayama, 2012). Kürzlich wurde berichtet, dass das in der 16p11.2-CNV-Region liegende QPRT-Gen, das im tryptophanabbauenden Kynurenin-Signalweg agiert, eine wichtige Rolle bei der neuronalen Differenzierung im SH-SY5Y-In-vitro-Zellmodell spielt (Haslinger et al., 2018). Eine frühere Studie entdeckte einen veränderten Kynurenin-Stoffwechsel, d. h. einen erhöhten Anstieg an Chinolinsäure bei ASS-Patient_innen im Vergleich zu Kontrollen (Lim et al., 2016). Eine aufgrund von Mutationen bedingte Reduzierung von QPRT und ein dadurch bedingter Anstieg der Chinolinsäure lässt somit vermuten, dass QPRT ebenfalls Einfluss auf die humane Neuronendifferenzierung hat.

Neurotransmission

Viele ASS-assoziierte Gene, wie beispielsweise FMR1, TSC1/2, PTEN, NF1, CYFP1, SHANK3, OXTR oder SLC6A4, spielen durch ihre regulatorische Funktion eine zentrale Rolle bei der synaptischen Plastizität (Bourgeron, 2015). Tierstudien konnten zeigen, dass viele ASS-Risikogene durch neuronale Aktivität reguliert werden und somit die synaptische Stärke regulieren. Mutationen in diesen Genen führen daher vermutlich zu einer Verzerrung der typischen neuronalen Konnektivität (Hahamy, Behrmann & Malach, 2015) und tragen somit zum ASS-Phänotypen (Auerbach, Osterweil & Bear, 2011), insbesondere den damit verbundenen Schwierigkeiten der sozialen Kommunikation, bei (Toro et al., 2010). Die meisten der ASS-assoziierten Gene kodieren für exzitatorische und inhibitorische synaptische Zelladhäsionsmoleküle (wie NRXN und NLGN), exzitatorische synaptische Gerüstmoleküle (wie SHANK) sowie für exzitatorische glutamaterge Rezeptoren (GRIN2B) und hemmende GABAerge Rezeptoren (Krumm et al., 2015; Pinto et al., 2014; Rubeis et al., 2014). Der genetische Nachweis einer synaptischen Dysfunktion wird auch durch neuropathologische Studien untermauert, die beispielsweise Hinweise auf eine erhöhte Dichte an Vorwölbungen an den Neuronen (Hutsler & Zhang, 2010) und Anomalien der inhibitorischen Funktion (wie reduzierte GABARs im Kortex und Hippocampus; Fatemi, Folsom, Reutiman & Thuras, 2009; Oblak, Gibbs & Blatt, 2009; Oblak, Gibbs & Blatt, 2010) liefern. Eine gestörte glutamaterge und GABAerge Transmission kann bei Mäusen zu ASS-ähnlichem Verhalten führen (de La Torre-Ubieta et al., 2016). In ähnlicher Weise weisen humane Neuronen von Betroffenen mit Phelan-McDermid-Syndrom, eine durch SHANK3-Mutationen hervorgerufene syndromische Form von ASS, Defizite in der exzitatorischen (AMPAR- und NMDAR-vermittelten) Übertragung auf (Shcheglovitov et al., 2013). Die Beobachtung einer glutamatergen und/oder GABAergen synaptischen Dysfunktion ließen vermuten, dass Veränderungen im exzitatorisch-inhibitorischen (E/I) Gleichgewicht zu ASS beitragen. In Übereinstimmung damit konnte in Mausmodellen gezeigt werden, dass eine veränderte synaptische Transmission oder Plastizität zu Störungen im sozialen Verhalten führt. Eine direkte Erhöhung des E/I-Verhältnisses im medialen präfrontalen Kortex (mPFC) des Gehirns mittels optogenetischer Stimulation führte bei Mäusen zu gestörten sozialen Interaktionen (Yizhar et al., 2011). Darüber hinaus kann ein E/I-Ungleichgewicht nicht nur durch Veränderungen in der synaptischen Physiologie entstehen, sondern auch durch ein verändertes Zellschicksal, das zu abnormalen Proportionen von hemmenden und erregenden Zellen führen kann, wie jüngste Erkenntnisse in menschlichen In-vitro-Modellen belegen (Mariani et al., 2015). Dies bestärkt somit die Interaktion aus Störungen der neuronalen Entwicklung mit Aberrationen in der neuronalen Transmission im Störungsbild ASS.

Translation in die Praxis

Hinsichtlich der Translation der aktuellen Forschungsbefunde in die Praxis sind unterschiedliche Zielsetzungen zu unterscheiden.

Die Diagnose einer ASS kann derzeit nicht basierend auf genetischen Untersuchungen erfolgen. Allerdings werden bei Kindern mit sprachlicher, motorischer oder kognitiver Entwicklungsstörung häufig humangenetische Untersuchungen durchgeführt, die auch zum Ergebnis haben können, dass einer der o. g. genetischen Risikofaktoren entdeckt wird (z. B. Fragiles-X-Syndrom, Mikrodeletion [CNV] in einem der Bereiche, die in Tabelle 1 gezeigt wurden). In diesen Fällen wäre es wichtig, dass durch die beteiligten Humangenetiker_innen eine Abklärung der häufig mit den entsprechenden genetischen Befunden einhergehenden psychische Erkrankungen vermittelt wird, damit diese frühzeitig diagnostiziert und therapiert werden.

Wenn die Diagnose einer ASS vorliegt, kann es sinnvoll sein, nach der zugrunde liegenden genetischen Ursache im Rahmen einer humangenetischen Abklärung zu suchen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zusätzlich zu der ASS wegweisende klinische Symptome für eine bestimmte genetische Grunderkrankung vorliegen und die genetische Diagnose weitere somatische Konsequenzen hat. Wegweisende klinische Symptome wären insbesondere folgende: abnorm kleiner oder großer Kopfumfang, reduziertes oder akzelleriertes Wachstum, Koordinationsprobleme, komorbide Epilepsie oder EEG-Veränderungen, verkleinerte oder vergrößerte Hoden, klassische faziale Dysmorphiezeichen jeglicher Art, Anlagestörungen oder Fehlbildungen bei Geburt, IQ-Minderung. Eine indizierte zusätzliche somatische Behandlung besteht derzeit insbesondere bei Patient_innen mit Geschlechtschromosomenaneuploidien, spezifischen Formen von Epilepsie sowie Prader-Willi-Syndrom. Je stärker die personalisierte Medizin voranschreitet, desto spezifischer werden hier auch weitere individuelle Behandlungsmöglichkeiten untersucht und beschrieben werden. Die detaillierte Abklärung des genetischen Hintergrunds sowie die genetische Beratung ist in Kooperation mit Kolleg_innen aus der Humangenetik ein wichtiger Bestandteil der klinischen Versorgung von Familien mit einem Kind mit ASS. Im Rahmen der humangenetischen Abklärung wird in Deutschland aktuell durch die Krankenkassen Folgendes finanziert: Chromosomenanalyse, Abklärung auf Fragiles-X-Syndrom sowie die Abklärung von Mikrodeletionen und -duplikationen anhand von Microarrays. Die international übliche Sequenzierung zumindest der Exone (Kreiman & Boles, 2020) ist in Deutschland noch keine Regelleistung der Krankenkasse und muss gesondert beantragt und begründet werden.

Hinsichtlich des Wiederholungsrisikos sowie der Abklärung, ob ein bestimmter genetischer Befund bei einer Person mit ASS neu aufgetreten oder durch die leiblichen Eltern vererbt wurde, ist es wichtig, Eltern und Geschwister ebenfalls genetisch zu untersuchen. Zahlreiche Eltern von Kindern mit ASS sowie auch Geschwister stellen die Frage nach dem Wiederholungsrisiko, sodass auch primär psychiatrisch tätige Personen zumindest grundsätzlich darüber Bescheid wissen sollten. Deutsche und internationale Studien haben sowohl ein hohes Interesse der Angehörigen als auch die Notwendigkeit einer grundlegenden Psychoedukation hinsichtlich genetischer Grundbegriffe und Schlussfolgerungen aus genetischen Tests gezeigt (Mey, Jenke & Borusiak, 2019; Zhao et al., 2019). Hinsichtlich vererbter monogener Erkrankungen sind die wesentliche Aspekte, die das Wiederholungsrisiko beeinflussen, die autosomal rezessive und dominante Vererbung sowie X-chromosomal rezessive und dominant vererbte Varianten. Andere Wiederholungsrisiken ergeben sich bei mitochondrialen und Imprinting-Erkrankungen oder bei De-novo-Mutationen/CNVs, die nicht vererbt wurden. Basierend auf der jeweils individuellen Konstellation kann ein Wiederholungsrisiko berechnet werden, das zwischen 1 % (Populationsprävalenz) sowie 50 % liegt (Kreiman & Boles, 2020).

Zusammenfassend gibt es weiterhin sehr wichtige und neue Erkenntnisse aus der genetischen Forschung, die perspektivisch auch die klinische Praxis verändern werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendpsychiater_innen sowie Humangenetiker_innen ist unerlässlich, um individuell so gut wie möglich die genetische Grunderkrankung bei einer diagnostizierten ASS aufklären und die Eltern und Geschwister beraten zu können. In Zukunft werden sich zudem zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten der genetischen Diagnostik im Blick auf die Klinik ergeben; hier sind insbesondere pharmakogenetische Studien hinsichtlich der Wirksamkeit neuer und etablierter Arzneimittel sowie des Auftretens von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu nennen.

Glossar wichtiger genetischer Begriffe

Genetische Architektur: Die zugrundeliegende genetische Basis einer phänotypischen Ausprägung, also die verschiedenen Elemente und Variationen der DNA, die zu einer untersuchten Eigenschaft beitragen.

Penetranz: Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine genetischen Variante zur Ausprägung eines bestimmten Phänotyps führt.

Simplex-Familie: Eine Familie, in der (bisher) nur ein blutsverwandtes Individuum von einer Störung betroffen ist.

Multiplex-Familie: Eine Familie, in der mehrere blutsverwandte Mitglieder einer Familie von einer Störung betroffen sind.

NGS (Next-Generation-Sequencing): Zusammenfassung genanalytischer Verfahren, die im Hochdurchsatz in kurzer Zeit eine sehr große Anzahl von DNA-Molekülen parallel sequenzieren können.

WES (Whole-exome sequencing):NGS Verfahren bei dem die gesamten kodierenden genetischen Sequenzen der DNA analysiert werden.

WGS (Whole-genome sequencing):NGS Verfahren zum Analysieren des gesamten genetischen Codes eines Organismus, d.h. die vollständige Sequenz inklusive aller nicht kodierenden Sequenzabschnitte.

De novo-Mutation: Eine Keimbahnmutation, die an die Nachkommen vererbt werden kann, aber von keinem der Elternteile vererbt wurde.

MAF (Minor allele frequency): Frequenz des selteneren Allels einer bestimmten genetischen Variante.

SNP: Einzelnukleotid-Polymorphismus (Single-nucleotide polymorphism). Änderung eines einzelnen Basenpaars der DNA, die bei mehr als 1% der Bevölkerung vorkommt.

SNV: Einzel-Nukleotid-Variante (Single-nucleotide variant), bezeichnet ebenso eine einzelne Basenpaarveränderung unabhängig von ihrer Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung. Wird im Allgemeinen im Rahmen von NGS Studien verwendet und bezieht sich meist auf seltene Varianten, die bei < 1% der Bevölkerung vorkommen.

CNV: Genkopienvariante (Copy-number variation). Deletion oder Duplikation submikroskopischer genomischer Regionen, die zu Veränderungen in der Anzahl der DNA-Kopien im Doppelstrang der DNA führt. Das humane Referenzgenom hat 2 Kopien jedes Genomabschnittes, ein CNV liegt dann vor wenn 1 (deletion), 3 (duplication) oder mehr Kopien detektiert werden.

CpG Inseln (islands): Regionen im Genom mit erhöhter CpG -Dinukleotid-Dichte. CpG -Dinukleotide sind 2 chemisch miteinander verbundene Nukleotide C und G, die in Säugern überwiegend methyliert vorliegen.

Literatur