Skip to main content
Open Access

Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik des Kindes- und Jugendalters (OPD-KJ-2) im klinischen Alltag mit dem Plämokasten

Anwendbarkeit und Interrater_innenreliabilität

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000971

Abstract

Zusammenfassung:Fragestellung: Die OPD-KJ-2 ist ein etabliertes Manual zur Erfassung der Psychodynamik bei Kindern und Jugendlichen. Veröffentlichungen zu Reliabilität und Validität beschränken sich aber vor allem (1) auf Jugendliche, (2) auf die erste Version des Manuals und nicht auf die überarbeitete OPD-KJ-2, (3) auf die Achsen Struktur und Konflikt, aber nicht auf die Achse Beziehung, und fokussieren auch nicht (4) auf die Anwendbarkeit im klinischen Alltag. Methodik: In der vorliegenden Studie wurden 42 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren (Altersstufe 2 der OPD-KJ-2) mit und ohne psychische Erkrankung jeweils von zwei Rater_innen eingeschätzt. Die Befunderhebung erfolgte mittels eines klinischen Interviews mit Spielfiguren und -gegenständen anhand von Videoaufzeichnungen. Es wurde dabei die Interrater_innenreliabilität der OPD-KJ-2-Achsen überprüft. Ergebnisse: Die Gesamteinschätzung der Strukturachse gelingt ebenso wie die Einschätzung der vier Subdimensionen mit guter bis sehr guter Übereinstimmung. Das Vorhandensein einer relevanten Konfliktdynamik wird ebenso mit sehr hoher Übereinstimmung erkannt, während spezifische Konflikte nur in der klinischen Stichprobe gut erkannt werden. Die Einschätzung der Items der Beziehungsachse zeigen eine geringe Übereinstimmung. Schlussfolgerungen: Insgesamt kann die Anwendbarkeit der OPD-KJ-2 im klinischen Alltag insbesondere in der Einschätzung der Achse Struktur bestätigt werden. Es wird diskutiert, welche Faktoren für das teils heterogene Bild verantwortlich sein könnten.

The Operationalized Psychodynamic Diagnostic of Children and Adolescents (OPD-KJ-2) in Everyday Clinical Practice with the Plämobox: Applicability and Interrater Reliability

Abstract:Objective: The OPD-CA2 manual for assessing psychodynamic aspects in children and adolescents is well established in clinical practice. However, publications regarding its reliability and validity are limited to (1) adolescents, (2) the structure of the first version of the manual and not to the comprehensive revision of the OPD-CA2, (3) the axes “structure” and (partly) “conflict” but not the axis “relationship,” and (4) missing applicability in everyday clinical practice. Methodology: The present study comprised 42 children aged 6–12 years (age level 2 of the OPD-CA2), with and without mental illness, and assessed them using two randomly assigned raters. We assessed them using a low-structured diagnostic symbol game with miniature figurines and objects based on videotapes. We also tested the interrater reliability of the OPD-CA2 axes. Results: The overall assessment of structure and the assessment of the four subdimensions succeeded with good to very good agreement. We could also determine the presence of relevant conflict dynamics with very high agreement, while not recognizing specific conflicts in the clinical sample. Our assessment of the items of the relationship axis shows a low level of agreement. Conclusions: Overall, we can confirm the reliability of the OPD-CA2 for everyday clinical assessment in the younger age groups. Finally, we discuss which factors contribute to the heterogeneous picture.

Ziel der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik des Kindes- und Jugendalters (OPD-KJ; Arbeitskreis OPD-KJ, 2003; Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2020) ist es unter anderem, psychodynamische Konzeptionen so zu operationalisieren, dass diese objektivierbar, reliabel und valide erfassbar und dadurch besser überprüfbar werden. Als fakultative und modular aufgebaute Diagnostik versteht sich die OPD-KJ als Manual, um in Ergänzung zum ICD-10/-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) basierten multiaxialen Klassifikationsschema (MAS; Remschmidt, 2012) intrapsychische Dynamiken und Prozesse insbesondere im klinischen Alltag systematisch zu erfassen und abzubilden und darauf aufbauend entsprechende Behandlungsstrategien abzuleiten und deren Ergebnisse überprüfen zu können. Seit über 20 Jahren wird das Manual der OPD-KJ in einem fortlaufenden Prozess stetig reflektiert und weiterentwickelt. In der Praxis findet dieses Vorgehen regen Zuspruch und die OPD-KJ kann schon seit einigen Jahren als etabliertes diagnostisches Instrument bezeichnet werden (Seiffge-Krenke, Fliedl & Katzenschläger, 2013). Das Manual ermöglicht eine dimensionale Einschätzung der vier Bereiche (Achsen) Beziehung, Konflikt, Struktur und Behandlungsvoraussetzungen. Die klinische Relevanz der unterschiedlichen Achsen wurde bereits in mehreren Studien nachgewiesen. So zeigt beispielsweise die psychische Struktur in einer prospektiven Studie bei Jugendlichen eine prognostische Vorhersagekraft für psychische Symptombelastung im jungen Erwachsenenalter (Bock et al., 2019). Weiterhin konnte die Veränderbarkeit des Struktur- und Konfliktniveaus in psychodynamischen Therapien mit Jugendlichen ebenso nachgewiesen werden (Jelen-Mauboussin et al., 2013; Seiffge-Krenke & Escher, 2021) wie Zusammenhänge zwischen Struktur, Symptomatik und Emotionsregulation (Benecke et al., 2011; Huber et al., 2017). Neben der klinischen Bedeutsamkeit sind für die vorliegende Untersuchung aber auch Daten zur psychometrischen Güte des Instruments – insbesondere jene zur Beurteiler_innenübereinstimmung – von Interesse. Hierzu zeigen sich bisher insgesamt zufriedenstellenden Ergebnisse. So zeigen die Achsen Struktur (Cohens Kappa = 0.74 bis 0.81) und Konflikt (Cohens Kappa = 0.61 bis 0.92) in einer Studie von Benecke und Kolleg_innen gute bis sehr gute Übereinstimmungen zwischen geschulten Rater_innen (Benecke et al., 2011). Ähnliche Ergebnisse zur Achse Struktur (Inter-Class-Correlation [ICC] = 0.69 bis 0.79) berichtet die Studie von Cropp und Kolleg_innen (Cropp, Salzer, Häusser & Streeck-Fischer, 2013) sowie zu den Achsen Konflikt (ICC = 0.57 bis 0.96) und Struktur (ICC = 0.81 bis 0.91) die Studie von Stefini und Kolleg_innen (Stefini et al., 2013). Die Übereinstimmung in der Achse Struktur scheint dabei insgesamt etwas höher als in der Achse Konflikt (Seiffge-Krenke et al., 2013). In letztgenannter Studie wurde auch zwischen der Einschätzung von Kindern mit internalisierenden und externalisierenden Störungsbildern unterschieden, wobei Letztere deutlich übereinstimmender eingeschätzt wurden. Auch die Bedeutung des Rater_innentrainings wird dabei hervorgehoben (Seiffge-Krenke, Mayer & Winter, 2011). Dazu werden vom Arbeitskreis OPD-KJ drei Kurse (ein Grundkurs und zwei Aufbaukurse) mit jeweils 15 Unterrichtseinheiten empfohlen (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2020). Zu den Achsen Beziehung und Behandlungsvoraussetzungen finden sich bisher kaum Befunde. Zur Übereinstimmung der Ratings der Achse Beziehung berichteten lediglich Winter und Kolleg_innen von einer Pilotstudie mit sehr heterogenen Einschätzungen der einzelnen Items (ICC = 0.16 bis 0.80; Winter, Jelen, Pressel, Lenz & Lehmkuhl, 2011).

Es fällt bei allen genannten Studien zur Interrater_innenübereinstimmung auf, dass fast ausschließlich Stichproben mit jugendlichen Proband_innen (Altersstufe 3 der OPD-KJ-2) untersucht und die Einschätzungen auf Basis der Strukturierung der ersten Auflage des Manuals vorgenommen wurden (Arbeitskreis OPD-KJ, 2003). Die Studien sind auch nur zum Teil in den klinisch-therapeutischen Alltag eingebettet. Auch wenn sich die grundsätzliche Ausrichtung der OPD-KJ nicht fundamental verändert hat, wurde doch – insbesondere in der Achse Struktur – aufgrund einiger faktorenanalytisch begründbarer Hinweise (Cropp et al., 2013; Weitkamp, Wiegand-Grefe & Romer, 2012, 2013) der interne Aufbau deutlich verändert. Die drei Subdimensionen Steuerung, Selbst- und Objekterleben sowie kommunikative Fähigkeiten, aus denen sich der Gesamtwert zusammensetzte, wurden zu den vier Subdimensionen Steuerung, Identität, Interpersonalität und Bindung umgebaut (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2020). Es gibt zwar Hinweise, dass sich die Einschätzungen zwischen der Orientierung an der ersten und jener an der zweiten Auflage des Manuals (zumindest für die Achsen Struktur und Behandlungsvoraussetzungen) nicht grundlegend unterscheiden (Fliedl & Katzenschläger, 2016), es sind aber dringend weitere Ergebnisse nötig. Die Überrepräsentiertheit jugendlicher Proband_innen wirft darüber hinaus Fragen nach der Gültigkeit der Befunde für das frühe und mittlere Kindesalter (Altersstufen 1 und 2 der OPD-KJ-2) auf, wozu ebenso dringend Befunde benötigt werden. Je jünger die Kinder desto mehr Bedeutung gewinnt dabei das Symbolspiel als wesentliche Informationsquelle. Für die psychodynamische Befunderhebung haben sich deshalb diagnostische Ansätze, unter anderem aus den Bereichen Narrative, Zeichnen oder Spielen (Lehmhaus & Reiffen-Züger, 2018; Maurer, 2017), etabliert. Häufig werden als Untersuchungsmaterial zeitgemäße Spielmaterialien wie miniaturisierte Spielfiguren und -gegenstände herangezogen, die zur Symbolisierung verschiedene Aspekte der kindlichen Erlebens- und Fantasiewelten anregen (Lehmhaus & Reiffen-Züger, 2018; Maurer, 2017). Die Anforderungen an die Befunderhebung sind in der ambulanten und stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung im Kindesalter jedenfalls deutlich andere (z. B. durch veränderte Gesprächsführung, höhere Kontextabhängigkeit etc.; Maurer, 2021). Erwähnte Ansätze und Bestrebungen, können natürlich auch für die OPD-KJ-2-Befundung nützlich sein, da eine entsprechende Einschätzung derzeit nicht an ein spezifisches standardisiertes Interviewverfahren gebunden ist (Juen, 2014; König & Benecke, 2021; Weber & Stadelmann, 2011). Dies bietet viele Freiheiten in der klinischen Praxis, wirft aber Fragen über die spezifische Eignung eher freier Spielsequenzen für die OPD-KJ-Diagnostik auf. Jedenfalls entspricht es dem Wunsch vieler Kliniker_innen, nicht ein eigenes Interview zusätzlich durchführen zu müssen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Trend zur Ökonomisierung der Befunderhebung auch in der OPD-KJ-2 zur Entwicklung und Konstruktion von Fragebögen geführt hat. So liegen mittlerweile ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung von Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsstruktur entsprechend der vier Dimensionen der OPD-KJ-2-Strukturachse bei Jugendlichen (OPD-KJ-2-SF) mit guten psychometrischen Kennwerten (Schrobildgen, Goth, Weissensteiner, Lazari & Schmeck, 2019) sowie ein Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen (OPD-KJ-KF) zur Erfassung der Konfliktachse (Seiffge-Krenke & Escher, 2021) vor. Diese Fragebögen lösen hohes Interesse aus, dennoch können Fragebögen das klinische Interview nicht vollständig ersetzen.

Die vorliegende Studie ist Teil des Projekts „Evaluation des Plämokastens für die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ-2)“ der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen e. V. – München. Neben anderen Aspekten wird in diesem Projekt die Eignung des Plämokastens (eine Sammlung von zeitgemäßem Spielmaterial wie es in der kinderpsychotherapeutischen Praxis zu diagnostischen Zwecken im klinischen Alltag häufig eingesetzt wird) zur OPD-KJ-2-Befunderhebung überprüft. Wir versuchen dabei zu beantworten, (1) ob man aus einem klinisch diagnostischen Interview im Rahmen des kinderpsychotherapeutischen Alltags mithilfe der Materialien aus dem Plämokasten ausreichend Information erhält um einen Befund nach OPD-KJ erstellen zu können, (2) ob klinisch tätige Praktiker_innen nach einer vorgesehenen Schulung von 45 Unterrichtseinheiten in der Lage sind, den Befund übereinstimmend zu raten, und (3) ob die Einschätzungen bei gesunden und klinisch auffälligen Kindern variieren.

Methodik

Plämokasten

Der Plämokasten ist eine durchdachte und umfassende Materialsammlung, die das Kind zum Symbolspiel zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken anregt. Es handelt sich um eine Zusammenstellung ausgewählter Playmobilfiguren und Materialien der geobra Brandstätter Stiftung, Zirndorf1 (Lehmhaus & Reiffen-Züger, 2018; Reiffen-Züger, 2021) nach psychodynamischen Gesichtspunkten. Der Kasten beinhaltet neben Menschenfiguren (Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder und Kleinkinder) auch Tierfiguren aus Wildnis, Haus und Hof, Fantasiefiguren wie Roboter, Vampire und Engel, aber auch Pflanzen, Möbel, Nahrungsmittel, Haushaltsgegenstände, Schatztruhen, Zäune sowie thematisch angeordnete Materialien wie ein Krankenzimmer, eine Baustelle, eine Schule, ein Schloss und ein Wohnhaus mit Ess-, Schlaf- und Wohnzimmer (siehe Abbildung 1). Das Spielmaterial ist in drei Ebenen angeordnet, die den teilnehmenden Kindern nebeneinanderstehend angeboten wurden. Für die vorliegende Studie wurde die Ausgabe des Plämokastens 2017 verwendet. Die Materialien des Plämokastens werden in der psychotherapeutischen Praxis gerne verwendet.

Abbildung 1 In der Studie eingesetzter Plämokasten 2017.

Studiendesign

Zunächst wurden Patient_innen der teilnehmenden Therapeut_innen sowie Kinder aus deren Umfeld als Kontrollgruppe eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Einschlusskriterien waren neben dem Alter zwischen 6 und 12 Jahren (Altersstufe 2 der OPD-KJ-2) einerseits eine diagnostizierte Störung aus den ICD-10-Bereichen F2 (Psychotische Erkrankungen), F3 (Affektive Erkrankungen), F4 (Reaktionen auf Belastungen/neurotische Störungen), F5 (Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen), F7 (Intelligenzminderung), F8 (Entwicklungsstörungen) und F9 (Erkrankungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend) oder – für die Kontrollgruppe – kein Vorliegen einer psychischen Störung. Ausschlusskriterien waren weiterhin die gleichzeitige medikamentöse Behandlung einer psychischen Erkrankung, schwere chronische somatische Erkrankungen und komorbide psychische Störungen. Von jedem Kind wurden soziodemografische Daten sowie der klinische Status erhoben (siehe Stichprobenbeschreibung). Mit jedem Kind wurde eine Spielstunde mit dem Plämokasten durchgeführt, wie es auch im klinischen Alltag zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken gemacht wird. Dabei wurde das Kind aufgefordert, mit dem zur Verfügung gestellten Spielmaterial einen Film zu spielen, in dem das Kind Regisseur_in sein sollte. Alle Szenen wurden zur späteren Auswertung mit schriftlichem Einverständnis der Erziehungsberechtigten und der Kinder auf Video aufgezeichnet. Im Anschluss wurde jedes Video jeweils zwei Rater_innen zur Befundung entlang der Achsen Beziehung, Konflikt und Struktur der OPD-KJ-2 (Arbeitskreis OPD-KJ-2, 2020) zugelost, wobei die Rater_innen gegenüber allen über das Video hinausgehenden Informationen über das Kind verblindet waren.

OPD-KJ2-Befund

Zur Befunderhebung werden entlang der OPD-KJ-2-Achsen insgesamt 72 Items pro Kind eingeschätzt (ohne die Achse Behandlungsvoraussetzungen). Die Achse Beziehung setzt sich zusammen aus jeweils 16 Items pro Interaktionsteilnehmer_in (Kind bzw. Untersucher_in), die sich in einer Abstufung von 0 (nicht vorhanden) bis 4 (stark vorhanden) wiederum gliedern in aktives Verhalten (acht Items) und reaktives Verhalten (acht Items). Nicht eingeschätzt wurden in dieser Untersuchung der selbstbezügliche Kreis bzw. die Triaden (jeweils acht Items).

Auf der Achse Konflikt werden insgesamt 16 Items geratet: zunächst das Vorhandensein bzw. die Bedeutsamkeit der sieben Konflikte von 0 (nicht vorhanden) bis 3 (vorhanden und sehr bedeutsam) sowie der Modus der Verarbeitung als eher passiv oder eher aktiv. Darüber hinaus wird noch beurteilt, ob schwere Lebensbelastungen insgesamt bzw. in den letzten 6 Monaten vorhanden und bedeutsam sind. Die Einschätzung des/der bedeutsamsten Konflikts/e (max. zwei) erfolgt anhand des/r höchsten vergebenen Werte/s.

Die Strukturachse beinhaltet insgesamt 24 Items. Einen Gesamtwert, vier Werte für die Subdimensionen Steuerung, Identität, Interpersonalität und Bindung sowie die 19 Einzelitems, aus denen sich diese zusammensetzen. Die Skalierung erfolgt jeweils von 1 (gut integriert) bis 4 (desintegriert), wobei auch Zwischenwerte (1.5 etc.) geratet werden. Alle Rater_innen hatten vor Beginn der Auswertung entsprechend den Vorgaben des Arbeitskreises OPD-KJ-2 an einem Grundkurs und zwei Aufbaukursen bei einem zertifizierten Trainer (FJ) teilgenommen. Die Videos wurden aus einem Pool von neun geschulten Rater_innen beurteilt (sechs weiblich und drei männlich). Die Rater_innen sind durchwegs erfahrene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut_innen (fünf) bzw. Fachärzt_innen aus den Bereichen Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (zwei), Psychosomatik und Psychotherapie (ein/e) oder Pädiatrie mit Zusatzweiterbildung Psychotherapie (ein/e).

Statistische Analysen

Die statistische Datenanalyse wurde mit dem Programm JASP (Version 0.16.1) durchgeführt (JASP Team, 2022). Die Ratings sind größtenteils ordinalskaliert (außer die sieben dichotomen Variablen zum Modus der Verarbeitung der Konflikte) und es wurden als Maß für die Interrater_innenreliabilität gewichtete Cohen-Kappa-Werte berechnet.

Ergebnisse

Stichprobe

Insgesamt hatten sich 47 Kinder (und deren Eltern) zur Teilnahme bereiterklärt (Intention-to-treat [ITT]), wovon fünf Kinder nachträglich ausgeschlossen werden mussten (zu jung [ein Kind], nicht zum Termin erschienen [ein Kind], kein Einverständnis der Eltern [ein Kind], technische Probleme bei der Aufnahme [zwei Kinder]). So wurden 42 Kinder in die Auswertung eingeschlossen (Per-Protocol [PP]). Von diesen 42 Kindern waren 30 (71 %) männlich und 12 (29 %) weiblich. Die Kinder verteilten sich auf zwei Gruppen: Eine Gruppe befand sich in Behandlung aufgrund einer klinischen Diagnose (F-Diagnose nach ICD-10; n = 28, 66.6 %, davon zehn weiblich) und eine Gruppe bildete eine Kontrollgruppe (n = 14, 33.4 %, davon vier weiblich) ohne klinisch relevante Diagnose. Die Kinder aus der klinischen Gruppe verteilten sich wie folgt auf die unterschiedlichen Diagnosen: Zehn Kinder (35.7 %) hatten die Diagnose einer hyperkinetischen Störung (ICD-10: F90), davon drei Mädchen. Ein Junge (3.5 %) war wegen einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen in Behandlung (ICD-10: F92), sieben Kinder (25 %, davon drei Mädchen) wegen einer emotionalen Störung des Kindesalters (ICD-10: F93), drei Kinder (10.7 %, davon zwei Mädchen) wegen einer Bindungsstörung (ICD-10: F94.1 oder F94.2), zwei Kinder (7.1 %, davon ein Mädchen) hatten eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) und zwei Jungen erhielten die Hauptdiagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1). Die Kinder sind durchschnittlich 8.48 Jahre alt (SD = 1.57, min. = 6, max. = 12). Die Altersverteilung unterscheidet sich weder in Hinblick auf das Geschlecht (U-Test: U = 189.5, df = 40, p = .80) noch auf die Gruppenzugehörigkeit (U = 255.0, df = 40, p = .88).

Eignung der Spielmaterialien

Zur Überprüfung der Eignung der vorliegenden Materialien aus dem Plämokasten zur Erhebung eines OPD-KJ-2-Befundes haben wir zunächst die interne Konsistenz (mittels Cronbachs Alpha) der Ratings berechnet. Es liegen insgesamt pro Kind maximal 72 Werte pro Rater_in vor. Die interne Konsistenz aller Items ist exzellent (Cronbach Alpha = .92), ebenso die der 24 Items der Achse Struktur (Cronbachs Alpha = .91). Immer noch gut ist die interne Konsistenz der Achse Beziehung (Cronbachs Alpha = .85), wohingegen die 16 Items der Achse Konflikt eine weniger zufriedenstellende Konsistenz aufweisen (Cronbachs Alpha = .69). Weiterhin wurde geprüft, wie viele Items aufgrund fehlender Informationen von den Rater_innen nicht beurteilt werden konnten.

Auf der Achse Beziehung wurden zunächst mit 2.3 % fehlenden Werten fast alle der 32 Items von beiden Rater_innen eingeschätzt. Auf der Achse Konflikt konnte bei 9.5 % zumindest bei einem/r Rater_in keine Einschätzung zum jeweiligen Konflikt getroffen werden. Auf der Achse Struktur scheint wiederum ein globales Rating gut möglich (ein Gesamtwert wurde immer vergeben), auf den vier Subdimensionen Steuerung, Identität, Interpersonalität und Bindung fehlen 14 Einschätzungen (4.1 %) von zumindest einem/r Rater_in. Und in den 19 Einzelitems fehlen bei 14.6 % die einzelnen Ratings aufgrund mangelnder Information.

Interrater_innenübereinstimmung

Die zweite Frage betrifft die Übereinstimmung von Rater_innen nach Durchlaufen der vorgesehenen Schulungen anhand von Videos aus dem klinischen Alltag. Dazu betrachten wir zunächst die einzelnen Achsen getrennt voneinander.

Achse Konflikt

Zur Beurteiler_innenübereinstimmung der Achse Konflikt haben wir zunächst ein übergeordnetes Maß für die Einschätzung der Bedeutsamkeit der Konfliktdynamik gebildet (unabhängig vom Konfliktinhalt). Dieses bildet sich aus der Summe der Einschätzungen der Einzelkonflikte. Entlang der Skalierung der Einzelkonflikte wird auch hier 0 als nicht bedeutsam, 1 als wenig bedeutsam, 2 als bedeutsam und 3 als sehr bedeutsam eingestuft (die Frage dabei: Wird überhaupt einer der sieben Konflikte als bedeutsam [2] oder sehr bedeutsam [3] eingestuft?). Dieses übergeordnete Maß zeigt eine exzellente Übereinstimmung der Einschätzungen, ob überhaupt eine bedeutsame Konfliktdynamik (unabhängig welcher Konflikt) gesehen wird (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1 Interrater_innenübereinstimmung „Bedeutsamkeit der Konflikte“

Anders verhält es sich, wenn man die Einschätzung der Bedeutsamkeit einzelner Konflikte miteinander vergleicht. Die Übereinstimmungen sind dabei durchgängig niedrig (Kappa = 0.03 bis 0.46). Auch die Einschätzung des bedeutsamsten Konflikts ist mit Kappa = 0.51 zwischen den Rater_innen moderat (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2).

Tabelle 2 Interrater_innenübereinstimmung „bedeutsamster Konflikt“

Achse Struktur

Die Beurteiler_innenübereinstimmung wurde auf drei Ebenen berechnet. Zunächst zeigt sich im Gesamtwert der Achse eine sehr gute Übereinstimmung (Kappa = 0.82). Auf den vier Subdimensionen sind die Werte für Bindung weiterhin sehr gut (Kappa = 0.84), bei Steuerung (Kappa = 0.66) und Interpersonalität (Kappa = 0.68) gut sowie bei Identität moderat (Kappa = 0.58). Auf der Ebene der Einzelitems dagegen sind die Übereinstimmungswerte bis auf eine Ausnahme (Selbst- vs. Objektdifferenzierung mit Kappa = 0.58) mit Werten < 0.40 durchgängig gering. Anhand der Mittelwerte fällt auf, dass es sich strukturell gesehen um eine eher gering beeinträchtigte Stichprobe handelt, wenngleich sich die klinische Gruppe (M = 2.04) von der Kontrollgruppe (M = 1.15) erwartungsgemäß signifikant unterscheidet (t = 1.19, df = 40, p = .003). Eine detaillierte Übersicht ist in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3 Interrater_innenübereinstimmung „Struktur“

Achse Beziehung

Die Übereinstimmungen der Items auf der Achse Beziehung sind sehr heterogen. Die Werte der Items des Kindes (aktiv bzw. reaktiv) sind in Tabelle 4 dargestellt. Die Kappa-Werte reichen dabei von 0.06 (Item 1.5 bestimmend, kontrollierend) bis 0.52 (Item 1.2 interessiert zugewandt). Auf die tabellarische Darstellung der/s Interaktionspartner_in wurde verzichtet. Die Werte sind hier ebenso gering und reichen von 0.08 bis maximal 0.29.

Tabelle 4 Interrater_innenübereinstimmung „Beziehung“

Interrater_innenübereinstimmung nach Gruppenzugehörigkeit

Zuletzt überprüfen wir mögliche Unterschiede in der Übereinstimmung im Vergleich zwischen Kindern mit und Kindern ohne klinische Diagnose. Auf den Achsen Beziehung (t(42,2) = 0.68, n. s.) und Struktur (t(42,2) = 0.34, n. s.) zeigen sich insgesamt keine signifikanten Unterschiede im Maß der Übereinstimmung. Auf der Achse Konflikt dagegen fällt die Übereinstimmung insgesamt in der klinischen Stichprobe signifikant besser aus als in der Kontrollgruppe (t(42,2) = –2.49, p < .01). Erwartungsgemäß zeigen sich in der Kontrollgruppe auch signifikant niedrigere (bessere) Werte im Strukturniveau (t(42,2) = –3.20, p < .01), was ein Hinweis auf die Validität der Einschätzung ist.

Diskussion

In dieser Studie haben wir versucht, die Anwendbarkeit der OPD-KJ im klinisch-therapeutischen Alltag durch erfahrene Kinder- und Jugendlichentherapeut_innen zu untersuchen. Dazu wurde einerseits ein klinisch-diagnostisches Spiel mit den Materialien des Plämokastens aus dem therapeutischen Alltag eingesetzt, welches in der Regel wenig strukturiert ist. Andererseits wurde die Interrater_innenübereinstimmung nach Durchlaufen der vorgesehenen 45 Unterrichtseinheiten der OPD-KJ-Schulung untersucht. Die Basis der Einschätzung bildeten Videos mit Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren (Altersstufe 2 der OPD-KJ-2), für welche bisher keine vergleichbaren Befunde vorliegen. Es handelt sich also um ein naturalistisches Design und soll Hinweise auf die Anwendbarkeit des Instruments im klinisch-therapeutischen Alltag in der mittleren Kindheit liefern. Trotz großem Interesse scheitert die Anwendung der OPD-KJ-2 in der klinischen Praxis häufig daran, dass Therapeut_innen das Gefühl haben, sie müssten eine zusätzliche Erhebung durchführen und Zeit investieren. Erfahrungswerte, inwieweit sich denn eine übliche diagnostische Erhebungsroutine zur Einschätzung eignet, bestehen zwar, eine genauere Betrachtung dessen fehlt aber bisher. Die OPD-KJ-2 ist jedenfalls ein etabliertes diagnostisches Instrument zur Erfassung der psychodynamischen Hintergründe psychischer Erkrankungen, was sowohl für die Behandlungsplanung als auch die Evaluation von großer Bedeutung ist. Für die klinische Anwendung stellt sich aber bei solchen diagnostischen Instrumenten immer die Frage, wie viel Spezifität notwendig bzw. wie viel Integration in vorhandene Strukturen möglich ist. Auch Reliabilität und Validität wurden zwar bereits in einigen Untersuchungen nachgewiesen, mit allerdings wesentlichen Einschränkungen. Unter anderem wurden fast ausschließlich Stichproben mit Jugendlichen eingeschätzt und die Ratings erfolgten anhand der Struktur der ersten Auflage des Manuals (Arbeitskreis OPD-KJ, 2003). Insofern ist die vorliegende Untersuchung sowohl von klinischer als auch von methodischer Relevanz. Darüber hinaus liegen bisher praktisch keine Ergebnisse zur reliablen Erfassung der Beziehungsachse vor, obwohl in den Trainings immer wieder der Eindruck entsteht, dass diese besonders hoch sein müsste. Auch wir haben, wie andere Studien, die Achse Behandlungsvoraussetzungen nicht berücksichtigt, da diese Einschätzung darüber hinausgehende Informationen erfordert, die man vom Umfeld der Kinder (Eltern, Schule etc.) explizit erfragen müsste. Die klinische Bedeutung dieser Achse bleibt davon unberührt. Wichtig ist auch zu erwähnen dass es gerade für die beiden jüngeren Altersstufen keine standardisierten oder semistandardisierten Erhebungsinstrumente gibt. Auch wenn immer wieder Geschichtenergänzungsverfahren insbesondere zur Struktureinschätzung vorgeschlagen werden, gibt es kein OPD-KJ-Interview im eigentlichen Sinne. Demnach ist es natürlich auch in der vorliegenden Studie kaum möglich, die Eignung eines alltäglichen klinischen Interviews wie jenes mit dem Plämokasten mit einem etablierten Erhebungsinstrument zu vergleichen. Mit relativ wenigen fehlenden Werten unterstützen unsere Ergebnisse die prinzipielle Eignung des Symbolspiels bei jüngeren Kindern für die psychodynamische Befunderhebung entlang der OPD-KJ-2 mithilfe des Plämokastens. Dabei zeigen sich aber auch deutliche Einschränkungen: Je detaillierter die Einschätzung von strukturellen Aspekten und Konfliktdynamiken erfolgen soll, desto weniger aussagekräftig zeigt sich das gering strukturierte Symbolspiel. Eine allgemeine Einschätzung von struktureller Integration und Konfliktdynamik scheint dagegen gut möglich. Wir vermuten, dass ein strukturierteres Vorgehen im Interview eine detailliertere Einschätzung in dieser Altersstufe ermöglicht, dies gilt es aber weiter zu prüfen. Unsere Ergebnisse zur Beurteiler_innenübereinstimmung zeigen sich jedenfalls konsistent mit den Ergebnissen anderer Studien. Auch in unseren Ergebnissen ist die Übereinstimmung insgesamt sehr gut, auf den vier Unterdimensionen Steuerung, Identität, Interpersonalität und Bindung gut bis sehr gut und in den Einzelitems mäßig. Inwieweit dies mit der Art der Befunderhebung oder mit der fehlenden Trennschärfe der einzelnen Items zu tun hat, lässt sich wie gesagt nicht abschließend beantworten, da uns auch keine vergleichbaren Ergebnisse bekannt sind. Bei der Einschätzung der Achse Konflikt zeigt sich in unseren Daten deutlich, dass ein allgemeines Erkennen einer Konfliktdynamik (in Abgrenzung zu einer strukturellen Störung) gut möglich ist, aber auch hier in der spezifischen Einschätzung, welche Konfliktdynamik genau vorherrscht (Nähe vs. Distanz, Kontrolle vs. Unterwerfung etc.), insgesamt große Abweichungen entstehen. Die bessere Übereinstimmung in der klinischen Gruppe deutet darauf hin, dass die Konfliktthemen hier deutlicher zum Vorschein kommen. Insofern steht dies nicht unbedingt im Widerspruch zu bisherigen Studien, die die Reliabilität der Konflikteinschätzung durchgängig als hoch bis sehr hoch eingeschätzt hatten.

Hier zeigen sich unserer Einschätzung nach Begrenzungen in der Informationsgewinnung durch die Art der Befunderhebung. Kinder sind in ihrer Themenauswahl zunächst völlig frei und die psychodynamisch wirksame Abwehr verhindert unter Umständen ein Sichtbarwerden der zentralen Konfliktdynamik. Spezifische Konflikte müssen vermutlich spezifisch herausgefordert werden, was in der diagnostischen Interviewführung berücksichtigt werden sollte. Auch hier fehlen Ergebnisse der Interrater_innenübereinstimmung der Altersstufe 1 und 2, sodass wir unsere Ergebnisse nur mit jenen der Altersstufe 3 (Jugendalter) vergleichen können.

Ähnlich verhält es sich mit der Achse Beziehung. Die übereinstimmende Einschätzung der Items gelingt hier nicht gut. Die Beziehungsachse wird anhand sehr vieler (insgesamt 32) Items eingeschätzt. Auch hier könnte die unstrukturierte Erhebungsmethode eine Rolle spielen. Das Kind wird durch die Zurückhaltung der Untersucher_innen zum symbolischen Ausdruck aufgefordert. Die symbolische Darstellung der Beziehungsrepräsentanz des Kindes ist dabei deutlich schwieriger einzuschätzen als bei Jugendlichen. Auch hier können wir in Ermangelung an Daten von Kindern leider nicht abschließend beantworten, wie groß der Einfluss der Erhebungsmethode auf die (sehr geringe) Interrater_innenübereinstimmung ist. Diese Spezifität sollte vielleicht auch in den Trainings mehr berücksichtigt werden. Unsere Ergebnisse lassen sich aber auch als Motivation verstehen, die Beziehungsachse, wie es ja bereits von der Arbeitsgruppe beschrieben wird (Fliedl, 2020), dahingehend weiterzuentwickeln, dass zur Einschätzung ein kumuliertes Maß aus dieser Vielzahl an Items (z. B. dominante Beziehungsthemen, Maß an Aktivität und Valenz etc.) extrahiert wird.

Wie bereits in der Arbeit von Benecke et al. argumentiert wird (Benecke et al., 2011), dürfte die Übereinstimmung in manchen Studien auch deutlich verbessert werden, wenn die Rater_innen nach ihrer Schulung und Zertifizierung in regelmäßigem und engem Austausch blieben und ihre jeweiligen Einzelratings in regelmäßigen Treffen diskutierten und schließlich zu einem Konsens fänden. Dadurch würde der individuelle Bias gemildert, aber unseres Erachtens auch ein gewisser „Zentrumseffekt“ erzeugt. Dieser Austausch wurde in unserer Studie mit Absicht reduziert, da er nicht der klinischen Realität entspricht.

Stärken und Einschränkungen

Diese Untersuchung liefert als eine der ersten Daten zur Beobachter_innenübereinstimmung der OPD-KJ-2 bei Kindern. Aufgrund der großen Nähe zur psychotherapeutischen Praxis haben die Ergebnisse hohe externe Validität. Bisher ist unbeantwortet, wie standardisiert das Ausgangsmaterial für eine OPD-KJ-Diagnostik erhoben werden muss. Je mehr Freiheiten es bietet, desto leichter ist es in der kinder- und jugendlichentherapeutischen Praxis zu integrieren. Eine Schwierigkeit besteht in der fehlenden Vergleichbarkeit mit anderen Erhebungsinstrumenten (insbesondere gibt es keinen standardisierten OPD-KJ-Interviewleitfaden). So bleibt unklar, ob ein standardisierteres Vorgehen zu besseren Ergebnissen führen würde oder nicht. Inwieweit sich der hohe Anteil an Jungen in der Stichprobe (insbesondere in der nichtklinischen Gruppe) auf die Ergebnisse auswirkt, bleibt unklar. Jedenfalls spiegelt sich hierbei der klinische Alltag wider, wonach deutlich mehr Jungen in Behandlung sind als Mädchen. Zur Interrater_innenübereinstimmung liegen in den bisherigen Studien keine Hinweise vor, wonach das Geschlecht des Kindes auf die Ratings einen signifikanten Einfluss hätte. Dennoch wäre natürlich eine ausgewogenere Verteilung erstrebenswert gewesen.

Fazit

Eine reliable Einschätzung der OPD-KJ-2 scheint auch bei Kindern (nicht nur bei Jugendlichen) insgesamt gut möglich. In einem klinisch-diagnostisch eher freien Spiel des Kindes mit den Materialien aus dem Plämokasten, wie es dem klinischen Alltag in der kinder- und jugendtherapeutischen Praxis entspricht, ist dies vor allem für die Strukturachse und das Erkennen der Konfliktdynamik möglich. Zu einer spezifischeren psychodynamischen Befundung nach den Kategorien der OPD-KJ-2 (Einzelitems der Struktur, Konfliktausprägung und auch Beziehungseinschätzung) scheint ein unstrukturiertes Vorgehen auch mit dem umfassend zum Symbolspiel anregenden Material des Plämokastens nicht in vollem Maße geeignet. Wie man ein Interview mit dem diskutierten Material für die Kinder modifizieren könnte, um eine im Detail bessere Einschätzung zu erreichen, sollte weiter diskutiert und erprobt werden.

Die insgesamt gute Übereinstimmung zwischen den Ratings zeigte sich auch in einer hierarchischen Clusteranalyse, die alle Items und Ratings berücksichtigte. Eine ausführliche Darstellung dazu findet sich im Elektronischen Supplement (ESM) 1.

Elektronisches Supplement (ESM)

Das elektronische Supplement ist mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/​1422-4917/a000971.

Während dieser Studie ist unsere Kollegin Stephanie Maurer, Buchenberg, nach schwerer Krankheit verstorben. Ihr gilt unsere Erinnerung und unser Dank für die Begeisterung, die sie der Studie entgegengebracht hat, sowie für ihren Beitrag zu Konzeption und Durchführung.

Literatur

  • Arbeitskreis OPD-KJ. (Hrsg.). (2003). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter. Grundlagen und Manual (1. Aufl.). Bern: Huber. First citation in articleGoogle Scholar

  • Arbeitskreis OPD-KJ-2. (Hrsg.). (2020). OPD-KJ-2 – Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter. Grundlagen und Manual (3., unveränderte Aufl.). Bern: Hogrefe. First citation in articleGoogle Scholar

  • Benecke, C., Bock, A., Wieser, E., Tschiesner, R., Lochmann, M. & Küspert, F. et al. (2011). Reliabilität und Validität der OPD-KJ-Achsen Struktur und Konflikt. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 60, 60–73. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • Bock, A., Huber, E., Müller, S., Henkel, M., Sevecke, K. & Schopper, A. et al. (2019). Psychisches Strukturniveau im Jugendalter und der Zusammenhang mit späterer psychischer Erkrankung – eine Langzeitstudie. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 47, 400–410. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Cropp, C., Salzer, S., Häusser, L. F. & Streeck-Fischer, A. (2013). Interraterreliabilität und Konstruktvalidität der OPD-KJ-Achse Struktur – Erste Forschungsergebnisse zum Einsatz der OPD-KJ im Rahmen der klinischen Routine. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 62, 270–284. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • Fliedl, R. (2020). Die Beziehungsachse der OPD-KJ-2. Klinische Anwendung und konzeptuelle Erweiterungen (1. Aufl.). Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Fliedl, R. & Katzenschläger, P. (2016). Reliabilität und Konstruktvalidität der OPD-KJ-Achsen: Struktur und Behandlungsvoraussetzungen – Vergleich OPD-KJ mit OPD-KJ-2. Neuropsychiatrie: Klinik, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation, 30, 151–157. First citation in articleGoogle Scholar

  • Huber, E., Bock, A., Hans, M., Wieser, E., Steinmayr-Gensluckner, M. & Sevecke, K. et al. (2017). Emotionserleben, Emotionsregulation und strukturelle Störung bei Jugendlichen. Psychotherapie Forum, 22, 48–62. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • JASP Team. (2022). JASP [Computer software]. Verfügbar unter https://jasp-stats.org/ First citation in articleGoogle Scholar

  • Jelen-Mauboussin, A., Klipsch, O., Pressel, C., Lenz, K., Lehmkuhl, U. & Winter, S. (2013). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik des Kindes- und Jugendalters. Psychotherapeut, 58, 24–30. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Juen, F. (2014). Aspekte der Mentalisierungsdiagnostik bei Kindern. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 63, 723–729. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • König, F. & Benecke, C. (2021). Die Entwicklung und Anwendung konfliktspezifischer Geschichtenergänzungsaufgaben als Teil der OPD-Diagnostik im Kindesalter. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 49, 349–359. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Lehmhaus, D. & Reiffen-Züger, B. (2018). Spiel und Spielen in der psychodynamischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (1. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Maurer, M. H. (2017). Draw, write, speak, play: The role of projection in diagnosis and therapy of children and adolescents. In M. H. Maurer (Ed.), Child and adolescent mental health (3–40). Rijeka: InTech. First citation in articleCrossrefGoogle Scholar

  • Maurer, M. H. (2021). Psychodynamische Forschung mit dem Plämokasten. In C. A. Rexroth, I. Rexroth & R. Apsel (Hrsg.), Entwicklungsraum Zukunft. Psychodynamische Psychotherapie von Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden und ihren Familien in Klinik und Praxis, Fort- und Weiterbildung, Forschung und Lehre (1. Aufl.). Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel. First citation in articleGoogle Scholar

  • Reiffen-Züger, B. (2021). Aus der Zeit gefallen? – Spiel und Spielen mit dem Plämokasten der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen e. V., München. In C. A. Rexroth, I. Rexroth & R. Apsel (Hrsg.), Entwicklungsraum Zukunft. Psychodynamische Psychotherapie von Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden und ihren Familien in Klinik und Praxis, Fort- und Weiterbildung, Forschung und Lehre (1. Aufl.). Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel. First citation in articleGoogle Scholar

  • Remschmidt, H. (Hrsg.). (2012). Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO. Mit einem synoptischen Vergleich von ICD-10 mit DSM-IV (6., korrigierte Aufl.). Bern: Huber. First citation in articleGoogle Scholar

  • Schrobildgen, C., Goth, K., Weissensteiner, R., Lazari, O. & Schmeck, K. (2019). Der OPD-KJ2-SF – Ein Instrument zur Erfassung der Achse Struktur der OPD-KJ-2 bei Jugendlichen im Selbsturteil. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 47, 428–440. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Seiffge-Krenke, I. & Escher, F. (2021). Entwicklung eines Fragebogens zur Selbst- und Fremdeinschätzung von OPD-KJ-Konflikten durch Patient_innen und ihre Therapeut_innen. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 49, 361–376. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Seiffge-Krenke, I., Fliedl, R. & Katzenschläger, P. (2013). Welche Vorteile bringt eine umfassende Diagnostik mit OPD-KJ bei kinder- und jugendpsychiatrischen Patienten? Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 41, 121–131. First citation in articleLinkGoogle Scholar

  • Seiffge-Krenke, I., Mayer, S. & Winter, S. (2011). Beurteilerübereinstimmung bei der OPD-KJ: Wovon hängt sie ab und welchen Erfolg bringt das Training? Klinische Diagnostik und Evaluation, 2011, 176–193. First citation in articleGoogle Scholar

  • Stefini, A., Reich, G., Horn, H., Winkelmann, K., Ohmes, U. & Frost, U. et al. (2013). Interratereliabilität der OPD-KJ-Achsen Konflikt und Struktur. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 62, 255–269. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • Weber, M. & Stadelmann, S. (2011). Verwendung von Geschichtenergänzungsaufgaben zur OPD-KJ-Strukturdiagnostik. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 60, 27–40. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • Weitkamp, K., Wiegand-Grefe, S. & Romer, G. (2012). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ). Ein systematischer Review zur empirischen Validierung. Kinderanalyse, 20, 148–170. First citation in articleGoogle Scholar

  • Weitkamp, K., Wiegand-Grefe, S. & Romer, G. (2013). Reliabilität und Konstruktvalidität der OPD-KJ-Achsen Struktur und Behandlungsvoraussetzungen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 62, 243–254. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

  • Winter, S., Jelen, A., Pressel, C., Lenz, K. & Lehmkuhl, U. (2011). Klinische und empirische Befunde zur OPD-KJ. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 60, 41–59. First citation in articleCrossref MedlineGoogle Scholar

1 Der Plämokasten ist ein Projekt der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen e. V. – München. Es besteht dabei keine Abhängigkeit von der geobra Brandstätter Stiftung, welche die Playmobilmaterialien produziert und vertreibt.