Psychosoziale Belastungen und Lernschwierigkeiten
Befunde zum Zusammenhang von Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechenschwäche und psychosozialen Belastungen in einer Inanspruchnahme-Stichprobe aus einer lerntherapeutischen Einrichtung
Abstract
Zusammenfassung. Erwiesenermaßen gehen erhebliche Lernschwierigkeiten häufig mit psychosozialen Belastungen einher. Die vorliegende Untersuchung einer Stichprobe von Kindern, deren Familien in einer lerntherapeutischen Einrichtung Hilfe suchten, zeigt, dass 69,7 % der untersuchten Probanden mindestens unter einer Form psychosozialer Belastung litten und 15,8 % sogar unter mindestens drei solcher Probleme. Der Zusammenhang zwischen Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) bzw. Rechenschwäche und somatoformen Störungen wurde bisher mit unklaren Ergebnissen untersucht. In der hier zugrundeliegenden Stichprobe treten Symptome aus dem somatoformen Formenkreis deutlich häufiger auf (bei 20,9 % der untersuchten Kinder und Jugendlichen) als in unselegierten Stichproben, die für die gesamte Bevölkerung repräsentativ sind. Des Weiteren zeigt sich, dass Kinder mit einer Rechenschwäche signifikant häufiger von somatoformen Symptomen und Symptomen einer internalisierenden Störung betroffen sind als Kinder mit einer LRS. Ältere Kinder und Jugendliche sind insgesamt deutlich stärker belastet, als jüngere Kinder. Die unterschiedliche Verteilung von Belastungen bei Mädchen und Jungen entspricht im Wesentlichen den Erwartungen. Eher überraschend ist die Tatsache, dass Kinder aus Familien, die Unterstützung durch die Jugendhilfe in Anspruch nehmen, und Kinder, deren Familien dies nicht tun, sich hinsichtlich psychosozialer Belastungen kaum unterscheiden.
Abstract. The relationship between severe learning difficulties and psychosocial problems has been established by many different studies. The study at hand, drawing upon a sample of children whose families were seeking help from a therapeutic institution specialized in learning difficulties, shows that 69.7 % of children with severe learning difficulties suffered from at least one type, 15.8 % even from three or more types of such problems. To date, there is comparatively little data available on the relationship between severe learning difficulties and symptoms of somatoform disorders. In the sample at hand, the frequency of symptoms of somatoform disorders is significantly higher (20.9 %) than in studies that draw on samples, which are representative of the entire population of children and young people. Furthermore, children with dyscalculia showed symptoms of internalizing behavior and somatoform disorders significantly more frequently than children with dyslexia. Older children and young people suffered more often from psychosocial problems than younger children. As expected, girls tended to show symptoms of internalizing behavior and somatoform disorders more frequently, whereas boys tended to show symptoms of ADHD more often. Finally, children whose families were supported by youth welfare institutions did not differ from children whose families did not receive financial support.
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