Effektivität alltagsintegrierter Sprachförderung bei ein- und zwei- bzw. mehrsprachig aufwachsenden Vorschulkindern
Abstract
Kinder mit Migrationshintergrund können aufgrund ihrer mangelnden Sprachbeherrschung Bildungschancen häufig nicht optimal nutzen. Daher kommt der frühen Sprachförderung ein wichtiger Stellenwert zu. Aufgrund der eher enttäuschenden Befunde zur Effektivität spezifischer Sprachförderprogramme hat die Forderung nach alltagsintegrierten Sprachfördermaßnahmen Eingang in die Bildungskonzeptionen aller Länder gefunden. Systematische Überprüfungen ihrer Effektivität und der Wirkfaktoren stehen noch aus. Im Rahmen der Umsetzung der Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder in Mecklenburg-Vorpommern (M-V) nahmen N = 27 Fachkräfte aus N = 19 Kitas an einer Fortbildungsreihe zur alltagsintegrierten Sprachförderung teil. Zur Erfassung und Sicherung der Umsetzungsqualität der Fortbildungsinhalte wurde vor, während und nach der Fortbildung die sprachförderliche Qualität der ErzieherInnen-Kind-Interaktionen anhand von Videos eingeschätzt. Der Sprachentwicklungsstand der insgesamt N = 263 Kinder, davon n = 23 zwei- oder mehrsprachig aufwachsend, wurde vor Beginn der Fortbildung (Prätest) und sechs Monate später (Posttest) mit dem SETK 3 – 5 erfasst. Im Prätest wurden 19 % der einsprachig deutschen Kinder, aber mehr als die Hälfte der zwei- oder mehrsprachig aufwachsenden Kinder als sprachauffällig identifiziert. Über die Zeit zeigten alle Kinder ein signifikantes Aufholwachstum. Insgesamt profitieren sprachlich auffällige Kinder stärker von der alltagsintegrierten Sprachförderung als sprachlich unauffällige. Implikationen der Ergebnisse und methodische Einschränkungen werden diskutiert.
Children with migrational backgrounds frequently fail to benefit from educational opportunities because of their lacking language proficiency. Especially for these children, early language intervention is important. Because of disappointing results on effectiveness of specific programs, integrated language intervention is included in educational conceptions of all federal states in Germany, but systematic evaluations are still due.
Within the framework of implementing the educational conception for 0- to 10-year-old children in Mecklenburg-West Pomerania, N = 27 early childhood educators from N = 19 daycare institutions took part in an advanced training for integrated language intervention. To monitor the quality of implementation, speech and language promoting behaviors in interactions were assessed by video analyses. Language competencies of N = 263 children (n = 23 bi- or multilingual) were assessed with a German language development test for 3- to 5-year-old children in a pre-posttest design.
In the pretest, 19 % of monolingual, but more than half of the bi- or multilingual children were identified as delayed or impaired in their language development. Over time, all children showed significant improved language scores. Taken together, integrated training yielded higher effects for language delayed or impaired children. Implications of results and methodological limitations are discussed.
Literatur
(2011). Kinder lernen Sprache(n): alltagsorientierte Sprachförderung in der Kindertagesstätte. Stuttgart: Kohlhammer.
(2006). Milieu oder Migration – Was zählt mehr? DJI-Bulletin 76, Jugend und Migration. Zugriff am 11.03.2008 www.dji.bulletins.
(2009). Sprachentwicklungsdiagnostik bei mehrsprachigen Vorschulkindern: Erfassung der deutschen Zweitsprache mit dem SETK 3 – 5. Die Sprachheilarbeit, 5, 197 – 203.
(2002). PISA 2000: Erste Ergebnisse und die Identifikation von Handlungsfeldern. Schulmanagement, 33, 30 – 32.
(2010). Familien mit Migrationshintergrund. Lebenssituation, Erwerbsbeteiligungen, und Vereinbarkeit mit dem Beruf. Berlin: BMFSFJ.
(2011). Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kinderkrippe. Zur Effektivität des Heidelberger Trainingsprogramms. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 43, 303 – 312.
(2010). Alltagsintegrierte Sprachförderung in Krippe und Kindergarten. Das Heidelberger Trainingsprogramm. Ein sprachbasiertes Interaktionstraining für den Frühbereich. L.O.G.O.S. Interdisziplinär, 18, 84 – 95.
(2008). Störungen im Erwerb des Deutschen als Zweitsprache im Kindesalter – eine Herausforderung an die sprachpädagogische Diagnostik. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 3, 277 – 290.
(2010). Kindliche Mehrsprachigkeit. Grundlagen – Störungen – Diagnostik. München: Ernst Reinhardt.
(1979). Linguistic interdependence and the educational development of bilingual children. Review of Educational Research, 49, 222 – 251.
(2009). Demografischer Wandel in Deutschland – Heft 3 – Auswirkungen auf Kindertagesbetreuung und Schülerzahlen im Bund und in den Ländern. Zugriff am 16.07.2011 www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/KindertagesbetreuungSchuelerzahlen5871103099004,property=file.pdf.
(2006). Facilitating language skills – in-service education for early childhood educators and preschool teachers. Infants & Young Children, 19, 36 – 49.
(2010). Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK 3 – 5) (2., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
(2003). Störungen der Sprachentwicklung (2., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
(2003). Sprachscreening für das Vorschulalter (SSV). Göttingen: Hogrefe.
(2004). Sprachscreening im Vorschulalter: Wie viele Kinder brauchen tatsächlich eine Sprachförderung. Frühförderung interdisziplinär, 3, 108 – 117.
(2007). Erstsprache. Zweitsprache. Fremdsprache. Weinheim: Beltz.
(1995). Meaningful differences in the everyday experiences of young American children. Baltimore: Paul H. Brookes.
(2003). The specificity of environmental influence: socioeconomic status effects early vocabulary development via maternal speech. Child Development, 74, 1368 – 1378.
(2008). Sprachförderung im Vorschulalter – Evaluation dreier Sprachförderkonzepte. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 3, 291 – 300.
(2007). Zweitspracherwerb. In M. Wiedenmann & I. Holler-Zittlau (Hrsg.), Handbuch Sprachförderung (3., überarb. u. erw. Aufl., S. 38 – 44). Weinheim: Beltz.
(2007). Mehrsprachigkeit und Schulerfolg bei Schülern mit Migrationshintergrund. Sprache – Stimme – Gehör, 31, 163 – 169.
(2009). Kinder-Sprache stärken! Sprachliche Förderung in der Kita. Wismar: das netz.
(2009). Sprachförderung. In A. Lohaus & H. Domsch (Hrsg.), Psychologische Förder- und Interventionsprogramme für das Kindes- und Jugendalter (Kapitel 5). Berlin: Springer-Verlag.
(2007). Sprachförderprogramme. In H. Schöler & A. Welling (Hrsg.), Handbuch der Sonderpädagogik, Bd. 1: Sonderpädagogik der Sprache (S. 767 – 813). Göttingen: Hogrefe.
(2010). Fokus: Sprachdiagnostik. Leitfaden zur Sprachstandsbestimmung im Kindergarten (2. Aufl.). Stuttgart: Cornelsen Scriptor.
(2004). Erscheinungsweisen der spezifischen Sprachentwicklungsstörung im Sprachvergleich – sprachübergreifende und sprachunabhängige Merkmale? Sprache – Stimme – Gehör, 31, 79 – 83.
(2009). Deutsch als Zweitsprache. Stuttgart: Reinhardt UTB.
(2007). Probleme beim Zweitspracherwerb. In H. Schöler & A. Welling (Hrsg.), Handbuch der Sonderpädagogik, Bd. 1: Sonderpädagogik der Sprache (S. 442 – 455, 2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
(2011). Additive Maßnahmen zur Sprachförderung im Kindergarten – Eine Bestandsaufnahme in den Bundesländern. Expertise im Auftrag des Deutschen Jugendinstitutes. Zugriff am 22.06.2012 www.dji.de/bibs/Expertise_Sprachfoerderung_Lisker_2011.pdf.
(2012). Mangelnde Sprachbeherrschung: Kinder mit Migrationshintergrund. In T. Jungmann (Hrsg.), Praxis der Sprach- und Kommunikationsförderung (Kapitel 7). Dortmund: vml.
(2011). Bilingual Language acquisition and theories of diachronic change: Bilingualism as cause and effect of grammatical change. Bilingualism: Language and Cognition, 14, 121 – 145.
(2009). The impact of professional development and coaching on early language and literacy instructural practices. American Educational Research Journal, 46, 532 – 566.
(2011). Sensitive Responsivität. Zur Qualität pädagogischen Handelns im Kindergarten. Wiesbaden: VS Verlag.
(2007). Spezifische Sprachentwicklungsstörung und Mehrsprachigkeit. In H. Schöler & A. Welling (Hrsg.), Handbuch der Sonderpädagogik, Bd. 1: Sonderpädagogik der Sprache (S. 254 – 258). Göttingen: Hogrefe.
(2007). Spezifische Sprachentwicklungsstörung im Kontext kindlicher Mehrsprachigkeit – Ergebnisse zur Kasusmorphologie in der Erstsprache Türkisch. Sprache – Stimme – Gehör, 31, 144 – 150.
(1995). Redirects. A strategy to increase peer interaction. Journal of Speech and Hearing Research, 38, 1319 – 1333.
(2010). Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2009. Fachserie 1, Reihe 2.2. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
(2004). The effective provision of pre-school education (EPPE) project: Findings from preschool to end of key stage 1. University of London: Institute of Education.
(2001). Homes and schools together: Supporting language and literacy development. In D. K. Dickinson & P. O. Tabor (Eds.), Beginning literacy with language: young children learning at home and school (pp. 313 – 334). Baltimore: Paul H. Brookes.
(2011). Professionalisierung in der Frühpädagogik: Eine Pilotstudie zur Sprachförderkompetenz. Frühe Bildung, 0, 31 – 36.
(2004). Kontextfaktoren der Schulleistung im Grundschulalter: Ergebnisse aus der Hannoverschen Grundschulstudie. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 18, 113 – 124.
(2008). Wie Kinder Sprachen lernen (2. Aufl.). Tübingen: Francke.