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Open AccessOriginalarbeit

Neurotizismus, Stressverarbeitung und Lebensqualität bei Jugendlichen

Published Online:https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000567

Abstract

Zusammenfassung.Theoretischer Hintergrund: Persönlichkeitsmerkmale und Stressverarbeitungskompetenzen haben eine große Bedeutung in der psychosozialen Anpassung an belastende Situationen von Jugendlichen. Fragestellung: Diese Studie untersuchte den vermittelnden Effekt der Stressverarbeitung auf die Beziehung zwischen Neurotizismus und gesundheitsbezogener Lebensqualität unter Kontrolle des Geschlechts und Herkunftslandes. Methode: Es wurden vier einfache Mediationsanalysen mit den Kovariaten „Geschlecht“ und „Herkunftsland“ über N = 176 Siebtklässler aus Deutschland und Österreich durchgeführt. Ergebnisse: Die problembezogene Bewältigung vermittelte den ungünstigen Einfluss des Neurotizismus auf die eltern- und schulbezogene Lebensqualität. Die ungünstige Stressverarbeitung vermittelte lediglich zwischen Neurotizismus und schulbezogener, nicht aber elternbezogener Lebensqualität. Schlussfolgerung: Die Befunde unterstützen die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Gesundheitsförderprogramme zur Steigerung der Stressverarbeitungskompetenzen bereits im Grundschulalter. Hierbei deutete sich ein besonderer Bedarf bei Mädchen im Jugendalter an.

Neuroticism, Coping, and Quality of Life Among Adolescents

Abstract.Background: Personality traits and coping skills are of great importance in psychosocial adaptation to stressful demands among adolescents. Objective: This study examined mediating effects of coping on the relationship between neuroticism and health-related quality of life (QoL), controlling for gender and country. Method: Four simple mediation analyses with the covariates gender and country were conducted for 176 seventh-graders from Germany and Austria. Results: Problem-related coping mediated the unfavorable effects of neuroticism on parental and school-related QoL. Maladaptive coping only mediated between neuroticism and school-related, but not parent-related QoL. Conclusion: Our results support the need for target group-specific health promotion programs already at primary school age to increase coping skills. In this context, findings pointed to a particular need among adolescent girls.

Jugendliche müssen sich mit vielen Entwicklungsaufgaben und Alltagsbelastungen auseinandersetzen, die im Vergleich zum Kindesalter deutlich erhöht sind (Silbereisen & Weichold, 2018). Um diese Belastungen zu bewältigen, setzen sie häufiger riskante gesundheitsbezogene Verhaltensweisen (Pinquart & Silbereisen, 2002) und ungünstige Stressverarbeitungsstrategien ein. So wird in der Literatur auch von einem „maladaptive shift“ gesprochen, der durch einen Abfall adaptiver und einen Anstieg maladaptiver Stressverarbeitungsstrategien gekennzeichnet ist (Cracco, Goossens & Braet, 2017). Dieses ungünstige Stressverarbeitungsprofil steht wiederum im Zusammenhang mit der Entwicklung insbesondere psychischer Störungen (Evans et al., 2015; zusammenfassend siehe Schäfer, Naumann, Holmes, Tuschen-Caffier & Samson, 2017). Hierbei zeigten sich vor allem Zusammenhänge mit internalisierenden Störungen, die mit den ungünstigen Strategien gedankliche Weiterbeschäftigung, Resignation, (soziale) Vermeidung und Aggression assoziiert waren (zusammenfassend siehe Aldao, Nolen-Hoeksema & Schweizer, 2010). Zudem geht diese ungünstige Stressverarbeitung auch mit physischen Symptomen und einer geringeren Lebensqualität einher (Hampel & Petermann, 2017b). Persönlichkeitsmerkmalen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, da sie die psychische wie physische Entwicklung direkt aber auch über die Stressverarbeitung indirekt beeinflussen (zusammenfassend siehe Carver & Connor-Smith, 2010; Connor-Smith & Flachsbart, 2007). So konnten Persönlichkeitseigenschaften wie das Selbstwertgefühl im Kindes- und Jugendalter die Resilienz im frühen Erwachsenenalter vorhersagen (Hohm et al., 2017). Da Persönlichkeitsmerkmale, Stressverarbeitungsstrategien und Gesundheitskennwerte insbesondere im Kindes- und Jugendalter sehr selten gemeinsam erforscht wurden, untersuchte diese Arbeit, ob der negative Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal „Neurotizismus“ und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch die Stressverarbeitung vermittelt wird.

Persönlichkeitsmerkmale weisen eine hohe Bedeutung für die Gesundheit auf, wobei insbesondere drei der fünf Dimensionen des allgemein akzeptierten Fünf-Faktoren-Persönlichkeitsmodells mit Gesundheit assoziiert sind: Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit (vgl. Groß & Kohlmann, 2018). Becker, Schulz und Schlotz schrieben bereits 2004 dem Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus die größte gesundheitliche Relevanz zu, wobei insbesondere der Zusammenhang mit dem Entstehen von Distress, Angststörungen und Depression in der Lebensspanne eindeutig belegt wurde (vgl. Carver & Connor-Smith, 2010; Connor-Smith & Flachsbart, 2007). Diese Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Neurotizismus die psychosoziale Anpassung direkt, aber auch indirekt über das Stresserleben und die Auswahl von Stressverarbeitungsstrategien beeinträchtigt. So nehmen Carver und Connor-Smith (2007) an, dass die erhöhte Neigung zu emotionaler Erregtheit in Belastungssituationen einen Zugriff auf kognitive Strategien wie Problemlösung und kognitive Umstrukturierung erschwert und demgegenüber Strategien wie Vermeidung und Aggression eher ausgewählt werden. Für das Erwachsenenalter belegen bereits viele Studien, dass ein erhöhter Neurotizismus ungünstige Ausprägungen in Gesundheitsmerkmalen vorhersagt (z. B. Turiano et al., 2012), die gleichfalls vor dem Hintergrund der transaktionalen Stresstheorie erklärt werden (Smith, 2006). Auch in einer Meta-Synthese, die Studien mit Jugendlichen und Erwachsenen einbezog, konnten enge Bezüge zwischen Neurotizismus und psychischer Gesundheit festgestellt werden (Strickhouser, Zell & Krizan, 2017). Die Befundlage zur Rolle der Persönlichkeitseigenschaften im Kindes- und Jugendalter ist allerdings eher schwach. Die größte Evidenz hat sich dahingehend ergeben, dass Neurotizismus als Risikofaktor für internalisierende Störungen gelten kann, insbesondere für Depression (vgl. Ormel et al., 2013). So war in einer Studie mit 9- bis 13-Jährigen ein hoher Neurotizismuswert mit hohen Werten in der Depression, Ängstlichkeit und in den sozialen Phobien assoziiert (Ehrler, Evans & McGhee, 1999).

Insgesamt wird in solchen Vulnerabilitäts-Stressmodellen angenommen, dass kognitive Variablen wie die Stressverarbeitung eine vermittelnde Funktion in der Beziehung zwischen dem allgemeinen Vulnerabilitätsfaktor „Neurotizismus“ und Gesundheitsparametern aufweisen. Dies setzt zunächst einen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Stressverarbeitung voraus, der sich für problembezogene Stressverarbeitungsstrategien wie die Problemlösung und kognitive Umstrukturierung zeigte (vgl. Carver & Connor-Smith, 2010; Connor-Smith & Flachsbart, 2007). Zudem sprechen diese Arbeiten für eine signifikant positive Beziehung zu ungünstigen Strategien wie Rückzug, Vermeidung, Verleugnung und Ausleben negativer Emotionen.

Des Weiteren sollte auch die Stressverarbeitung mit Gesundheitsparametern in Beziehung stehen, was sich in Studien mit Kindern und Jugendlichen bereits herausstellte. So waren in einer Metaanalyse insbesondere eine gedankliche Weiterbeschäftigung mit der Entwicklung internalisierender Störungen assoziiert (Aldao et al., 2010). Darüber hinaus hingen eine kognitive und soziale Vermeidung positiv sowie problemlösende Strategien negativ in starkem bis moderatem Umfang mit psychischen Störungen zusammen. In früheren Auswertungen der aktuellen Normierungsstudie des Stressverarbeitungsfragebogens für Kinder und Jugendliche (SVF-KJ; Hampel & Petermann, 2016) deuteten sich Zusammenhänge zwischen einer maladaptiven Stressverarbeitung und körperlicher Beanspruchungssymptomatik (Hampel & Petermann, 2017b) und psychischem Wohlbefinden an (Hampel & Petermann, 2018).

Organismische Variablen wie Geschlecht klären hierbei noch wesentliche Varianz in der Beziehung zwischen Persönlichkeit, Stressverarbeitung und gesundheitlichen Folgen auf. Die Prävalenzen für Neurotizismus sind bei Mädchen deutlich höher als bei Jungen (Bleidorn & Ostendorf, 2009); ähnlich konnten neuere Studien höhere Neurotizismuswerte bei Mädchen feststellen (Andrés, Richaud de Minzi, Castañeiras, Canet-Juric & Rodríguez-Carvajal, 2016; Kupper, Krampen, Rammstedt & Rohrmann, 2019). Für die Stressverarbeitung ist eine erhöhte Suche nach sozialer Unterstützung bei den Mädchen gut belegt (Calvete, Camara, Estevez & Villardón, 2011; Eschenbeck, Schmid, Schröder, Wasserfall & Kohlmann, 2018; Hampel & Pössel, 2012; zusammenfassend siehe Zimmer-Gembeck & Skinner, 2011). Trotz widersprüchlicher Befunde scheinen Mädchen im Jugendalter höhere Werte in der Problemlösung (Eschenbeck et al., 2018), niedrigere emotionsbezogene Strategien wie Bagatellisierung (Hampel & Pössel, 2012) und Ablenkung (Hampel & Petermann, 2006) sowie höhere Ausprägungen in den ungünstigen Strategien wie Resignation, gedankliche Weiterbeschäftigung und passive Vermeidung aufzuweisen (Calvete et al., 2011; Hampel & Petermann, 2006). Die Befunde für die gesundheitsbezogene Lebensqualität sind noch uneinheitlich; Ellert, Brettschneider, Ravens-Sieberer und KiGGS Study Group (2014) konnten keinen Unterschied feststellen, jedoch war in Bisegger et al. (2005) das psychische Wohlbefinden reduziert. Schließlich war in Baumgarten et al. (2019) die elternbezogene Lebensqualität der 14- bis 17-jährigen Mädchen geringer, dahingegen war bei 11- bis 13-jährigen Mädchen die Lebensqualität bezogen auf Gleichaltrige und soziale Unterstützung sowie die schulbezogene Lebensqualität höher als bei den Jungen.

Somit kristallisierten sich auch für das Kindes- und Jugendalter Zusammenhänge zwischen Neurotizismus, Stressverarbeitung und gesundheitsbezogenen Kennwerten heraus, wobei die Befunde für die Stressverarbeitung als Mediator und für das Geschlecht als allgemeine Einflussgröße sprechen. Carver und Connor-Smith (2010) weisen allerdings darauf hin, dass eher keine vollständigen Mediationseffekte auf gesundheitliche Folgen vorliegen, weil der Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitseigenschaften und der Stressverarbeitung eher schwach ist. Dies bestätigte sich auch in der Mediationsstudie mit Kindern im Alter zwischen 9 und 12 Jahren, in der maladaptive Strategien wie die gedankliche Weiterbeschäftigung die Beziehung zwischen Neurotizismus und Depression nur partiell vermittelten (Andrés et al., 2016). Die adaptiven Strategien wiesen sogar keine signifikante Korrelation mit dem Neurotizismus auf. In einer anderen Studie vermittelten die Besorgnis und gedankliche Weiterbeschäftigung partiell die Effekte zwischen Neurotizismus und Depression bzw. Angst von Kindern (Broeren, Muris, Bouwmeester, van der Heijden & Abee, 2011). Nach Carver und Connor-Smith (2010) wurden diese Zusammenhänge jedoch bislang zu wenig gemeinsam erforscht. Dementsprechend sollte in der vorliegenden Studie die Bedeutung der Stressverarbeitung in der Vermittlung des Zusammenhangs zwischen Neurotizismus und gesundheitsbezogener Lebensqualität bei deutschen und österreichischen Jugendlichen unter Kontrolle des Geschlechts und Herkunftslandes untersucht werden.

Methode

Die Fragestellung wurde anhand von Querschnittsdaten einer Schulstichprobe überprüft, die im Selbstbericht ermittelt wurden. Hierbei wurden die Daten der Siebtklässlerinnen und Siebtklässler der Normierungsstudie vom SVF-KJ in seiner zweiten Auflage entnommen (Hampel & Petermann, 2016), da nur diese Altersgruppe den Hierarchical Personality Inventory for Children (HiPIC; Bleidorn & Ostendorf, 2009) erhielt.

Stichprobe

Insgesamt konnten N = 183 Jugendliche der siebten Klassenstufe (nmännlich = 96; nweiblich = 87) in die Studie eingeschlossen werden, die zwischen 11 und 15 Jahre alt waren (M = 12.51, SD = 0.65 Jahre). Die Jugendlichen waren sowohl in Deutschland (Schleswig-Holstein und Niedersachsen, n = 107) als auch in Österreich (Steiermark, n = 76) wohnhaft. Insgesamt wurden 416 Schülerinnen und Schüler gebeten, teilzunehmen, davon verweigerten 108 (26 %) aktiv und 125 (30 %) passiv ihre Mitarbeit. Da in der Kriteriumsvariable „Gesundheitsbezogene Lebensqualität“ sehr viele fehlende Werte bei 7 Jugendlichen vorlagen, wurde entschieden, diese aus den Analysen auszuschließen (N = 176; Geschlecht: nmännlich = 91; nweiblich = 85; Alter: Range: 11 – 15 Jahre, M = 12.52, SD = 0.05 Jahre; Land: nDeutschland = 103, nÖsterreich = 73).

Insgesamt wurde durch die Rekrutierung der Schulen sichergestellt, dass verschiedene Ausprägungen in wesentlichen Bevölkerungsmerkmalen wie Bevölkerungsdichte, soziale Struktur und Schultypen gegeben sind. Insgesamt wurden 7 Schulen zur Gewinnung der vorliegenden Teilstichprobe untersucht: drei Gemeinschaftsschulen (Schleswig-Holstein), drei Mittelschulen und ein Realgymnasium (Steiermark) sowie ein Gymnasium (Niedersachsen). Die Mütter hatten vorwiegend einen Realschulabschluss (32 %) bzw. die allgemeine Hochschulreife (42 %) erlangt. Die Väter wiesen dagegen eher einen Hauptschulabschluss (36 %) bzw. die allgemeine Hochschulreife (46 %) auf.

Erhebungsverfahren

Persönlichkeitsmerkmale. Zur Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale wurde die deutsche Version des HiPIC (Bleidorn & Ostendorf, 2009) verwendet, der eine gute psychometrische Güte aufweist. Dieser Fragebogen erhebt über 144 Items die fünf Dimensionen Neurotizismus, Extraversion, Imagination, Gutmütigkeit und Gewissenhaftigkeit. In der vorliegenden Studie wurde jedoch lediglich die Dimension des Neurotizismus mit seinen beiden Facetten Ängstlichkeit (z. B. „Macht sich schnell Sorgen über etwas.“) und Selbstvertrauen (z. B. „Zweifelt an sich selbst.“) untersucht. Beide Facetten wurden durch jeweils acht Items erfasst, die auf einer fünfstufigen Antwortskalierung dahingehend eingeschätzt wurden, wie charakteristisch diese für die Person ist: kaum charakteristisch (1), wenig charakteristisch (2), mittel charakteristisch (3), charakteristisch (4) und sehr charakteristisch (5). In die Analysen ging der Mittelwert über alle Items der beiden Facetten ein.

Stressverarbeitung. Die neun Subtests des SVF-KJ (Hampel & Petermann, 2016) erfassen die Stressverarbeitung. Jeder Subtest besteht aus je vier Items und wird in Bezug auf die soziale und schulische Belastungssituation getrennt erfragt. Die situationsübergreifenden Rohwerte gingen in die vorliegenden Analysen ein. Die neun Subtests können drei Sekundärtests zugeordnet werden: Erstens umfasst die problembezogene Bewältigung die drei Strategien „Situationskontrolle“, „Positive Selbstinstruktionen“ und „Suche nach sozialer Unterstützung“. Zweitens wird die emotionsbezogene Bewältigung durch die zwei Strategien „Bagatellisierung“ und „Ablenkung / Erholung“ gebildet. Drittens besteht die ungünstige Stressverarbeitung aus den vier Strategien „Passive Vermeidung“, „Gedankliche Weiterbeschäftigung“, „Resignation“ und „Aggression“. In den vorliegenden Analysen wurden die Sekundärtests berücksichtigt. Die Stressverarbeitungsstrategien wurden hinsichtlich ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit auf einer fünfstufigen Antwortskalierung bewertet: auf keinen Fall (0) bis auf jeden Fall (4). Der SVF-KJ verfügt über eine gute Reliabilität und Konstruktvalidität (Hampel & Petermann, 2016).

Lebensqualität. Anhand des KIDSCREEN-27 (KIDSCREEN Group Europe, 2006) wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität erhoben. Über insgesamt 27 Items wurden die fünf Dimensionen körperliches Wohlbefinden, psychisches Wohlbefinden, Beziehung zu Eltern und Autonomie (nachfolgend elternbezogene Lebensqualität genannt), Gleichaltrige und soziale Unterstützung sowie schulisches Umfeld (nachfolgend schulbezogene Lebensqualität genannt) in Bezug auf die letzte Woche erfasst. Die Itemrohwerte wurden in raschskalierte T-Werte von 20 bis 80 transformiert. Hohe Werte sprechen für eine hohe gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die psychometrische Güte des KIDSCREEN wurde in verschiedenen Studien belegt (Baumgarten et al., 2019; Ravens-Sieberer et al., 2013, 2014).

Durchführung

Die Jugendlichen wurden im Klassenverband untersucht, wobei zunächst der SVF-KJ erfragt wurde. Daraufhin wurden der KIDSCREEN-27 und der HiPIC zur Bearbeitung vorgegeben. Die Schulbehörden hatten die Studie genehmigt und die Einhaltung der Datenschutzregeln überprüft. Alle Jugendlichen, deren Eltern, Lehrkräfte und Schulleiterinnen und Schulleiter hatten sich vor der Erstbefragung mit der Studie schriftlich einverstanden erklärt.

Statistische Auswertung

Alle statistischen Analysen wurden mit Hilfe von IBM SPSS Statistics 24 durchgeführt. Mittelwertunterschiede in Bezug auf das Geschlecht und Herkunftsland wurden anhand unabhängiger t-tests bestimmt, wobei insgesamt eine Varianzgleichheit gegeben war. Die Mediationsanalysen wurden anhand des SPSS-Makros PROCESS Version 3.4 vorgenommen, dass die Mediation mithilfe von Regressionsanalysen überprüft (Hayes, 2018). Hierbei wurden einfache Mediationsmodelle mit den beiden Kovariaten „Geschlecht“ und „Herkunftsland“ durchgeführt (Geschlecht: männlich = 1, weiblich = 2; Land: Deutschland = 1, Österreich = 2). Durch die Berücksichtigung der Kovariate „Geschlecht“ sollten die empirisch belegten Geschlechtseinflüsse kontrolliert werden. Zudem sollte eine Kontrolle möglicher Regionaleffekte erfolgen. Es wurde ein Signifikanzniveau von 5 % festgelegt.

Die Voraussetzungen für die Mediationsanalysen wurden unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen durch partielle Korrelationen zwischen den Modellvariablen überprüft, da signifikante Korrelationen aller Modellvariablen eine Voraussetzung für die Mediationsanalysen sind (Field, 2013). Hierbei wurde wegen der Anzahl der Regressionen ein Signifikanzniveau von p < .01 angelegt. Eine Linearität und Homoskedastizität waren als Voraussetzungen für die multiple lineare Regressionsanalyse gegeben. Da PROCESS eine Zentrierung der Variablen vornimmt, wird die Multikollinearität verringert, sodass die Ergebnisse besser interpretiert werden können (Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2010). Allerdings variierten die Konditionsindizes von 10 bis 15, sodass der kritische Wert von 30 nicht überschritten wurde (Bühner & Ziegler, 2009). Dagegen war eine Normalverteilung der Residuen nicht immer gegeben. Diese Verletzung konnte jedoch durch die Verwendung von Bootstrap-Konfidenzintervallen und die ausreichend große Stichprobe vernachlässigt werden (Field, 2013; Hayes, 2018).

Die Ergebnisse der Mediationsanalysen wurden anhand des korrigierten R² interpretiert, um die Anzahl der Prädiktoren im Regressionsmodell zu berücksichtigen. Die Interpretation der Effektstärke R² erfolgte nach Cohen (1988) als klein (0.02), mittel (0.13) und groß (0.26). Die statistische Absicherung des indirekten Effektes erfolgte mithilfe von Bootstrap-Konfidenzintervallen (Anzahl der Bootstrap-Stichproben: 5000). Hierbei wurden die Bootstrap-Konfidenzintervalle der un-‍, teil- und vollstandardisierten Effektgrößen betrachtet (Field, 2013; Hayes, 2018); umschließt das Intervall zwischen dem unteren und oberen Bootstrap-Konfidenzintervall aller drei Effektgrößen nicht die Null, kann ein bedeutsamer Mediationseffekt angenommen werden. Nach Hayes (2018) wird in der vorliegenden Ergebnisdarstellung nicht zwischen partieller und vollständiger Mediation unterschieden.

Ergebnisse

Deskriptive Statistik

Die Streubreiten für die Gesamtstichprobe von N=176 Jugendlichen legen nahe, dass die Antwortskalierungen im Neurotizismus und in der Stressverarbeitung gut ausgeschöpft wurden (Tabelle 1). Dagegen schätzten sich die Jugendlichen im Subtest „Gleichaltrige und soziale Unterstützung“ aber vor allem auch im psychischen und körperlichen Wohlbefinden eher niedrig ein. Die internen Konsistenzen lagen in allen Kennwerten eher im guten Bereich, lediglich die Reliabilität des Subtests „Körperliches Wohlbefinden“ war nur ausreichend.

Tabelle 1 Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), Streubreiten (Min-Max) und Cronbachs Alpha für die Mediationsvariablen.

Unterschiede in Geschlecht und Herkunftsland. Die unabhängigen t-Tests ergaben für den Neurotizismus (t ‍(174) = -4.59, p < .001) und die ungünstige Stressverarbeitung (t ‍(174) = -4.13, p < .001) einen signifikanten Geschlechtsunterschied zuungunsten der Mädchen. Auch die emotionsbezogene Bewältigung (t ‍(174) = 2.51, p = .013) und das körperliche Wohlbefinden (t ‍(168) = 3.60, p < .001) waren signifikant ungünstiger bei den Mädchen ausgeprägt als bei den Jungen. Die paarweisen Vergleiche in Abhängigkeit des Herkunftslandes zeigten, dass die problembezogene Bewältigung (t ‍(174) = -3.23, p = .002) und die schulbezogene Lebensqualität (t ‍(174) = -2.30, p = .023) signifikant höher bei den Jugendlichen aus Österreich ausgeprägt waren als bei den deutschen Jugendlichen. Insgesamt sprechen diese Befunde dafür, die beiden Variablen als Kovariate in das Mediationsmodell einzubeziehen, um diese Einflüsse zu kontrollieren.

Partialkorrelationen. In Tabelle 2 sind die Interkorrelationen der möglichen Mediationsvariablen dargestellt, wobei die Einflüsse von Geschlecht und Herkunftsland herauspartialisiert wurden. Werden die Korrelationen zwischen dem Prädiktor „Neurotizismus“ und den möglichen Mediatoren im Bereich der Stressverarbeitung betrachtet, wird deutlich, dass die emotionsbezogene Bewältigung bei p < .01 nicht signifikant korrelierte. Ferner korrelierte der Prädiktor nicht signifikant mit den beiden möglichen Kriteriumsvariablen „Körperliches Wohlbefinden“ und „Psychisches Wohlbefinden“. Die weitere Betrachtung der Korrelationen des Kriteriums „Gesundheitsbezogene Lebensqualität“ mit den Mediatoren ergab weder Signifikanzen zwischen dem Subtest „Gleichaltrige und soziale Unterstützung“ mit der emotionsbezogenen Bewältigung noch mit der ungünstigen Stressverarbeitung. Da sich ein konsistentes Korrelationsmuster für die beiden möglichen Kriteriumsvariablen „Beziehung zu Eltern und Autonomie“ und „Schulbezogene Lebensqualität“ darstellte, wurde entschieden, vier einfache Mediationsmodelle mit den beiden Kovariaten „Geschlecht“ und „Herkunftsland“ zu überprüfen:

  1. 1.
    Den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und elternbezogener Lebensqualität mit problembezogener Bewältigung als Mediator
  2. 2.
    Den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und elternbezogener Lebensqualität mit ungünstiger Stressverarbeitung als Mediator
  3. 3.
    Den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und schulbezogener Lebensqualität mit problembezogener Bewältigung als Mediator
  4. 4.
    Den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und schulbezogener Lebensqualität mit ungünstiger Stressverarbeitung als Mediator.

Es wurde erwartet, dass die Stressverarbeitung den negativen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität vermittelt.

Tabelle 2 Partielle Interkorrelationen der Mediationsvariablen unter Kontrolle der Variablen „Geschlecht“ und „Herkunftsland“ (N = 176).

Mediationsanalysen

In allen vier Modellen bildete Neurotizismus die unabhängige Variable (X; Abbildung 1). In zwei Modellen war die elternbezogene Lebensqualität (Y) die abhängige Variable, wobei in Modell 1 die problembezogene Bewältigung (M) und in Modell 2 die ungünstige Stressverarbeitung (M) als Mediator untersucht wurde. In weiteren zwei Modellen war die schulbezogene Lebensqualität (Y) die abhängige Variable, wobei in Modell 3 die problembezogene Bewältigung (M) und in Modell 4 die ungünstige Stressverarbeitung (M) als Mediator eingingen. Für die vier Pfade (a, b, c, c′) und den indirekten Effekt (ab) werden die standardisierten Koeffizienten (β) berichtet.

Abbildung 1 Ausgangsmodell der einfachen Mediationsanalysen mit den Kovariaten „Geschlecht (C1)“ und „Herkunftsland (C2)“ (a = direkter Pfad von Neurotizismus (X) auf die problembezogene Bewältigung (M im Modell 1 und 3) bzw. die ungünstige Stressverarbeitung (M im Modell 2 und 4); b = direkter Pfad der problembezogenen Bewältigung (M im Modell 1 und 3) auf die elternbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 1) bzw. schulbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 3) bzw. direkter Pfad der ungünstigen Stressverarbeitung (M im Modell 2 und 4) auf die elternbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 2) bzw. schulbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 4); c = Pfad von Neurotizismus (X) auf die elternbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 1 und 2) bzw. schulbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 3 und 4); c′ = Pfad von Pfad von Neurotizismus (X) auf die elternbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 1 und 2) bzw. schulbezogene Lebensqualität (Y, im Modell 3 und 4), mediiert durch die problembezogene Bewältigung (M im Modell 1 und 3) bzw. die ungünstige Stressverarbeitung (M im Modell 2 und 4).

In allen vier Modellen waren der totale und direkte Effekt signifikant (Tabellen ESM 1-4). Lediglich für das Modell 2 ergab sich kein signifikanter indirekter Effekt: Der vollstandardisierte indirekte Effekt hatte eine Größe von β = -0.06 (Boot SE = .02) mit einem 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervall von -.14 bis .01 (ESM 2). In den anderen drei Modellen stellten sich jedoch Mediationseffekte dar. So umfassten die 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervalle in den un-‍, teil- und vollstandardisierten Effektgrößen nicht den Wert Null (ESM 1, 3, 4). Alle direkten Effekte verringerten sich, wenn die Stressverarbeitung als Mediator hereingenommen wurde, blieben jedoch signifikant.

Mediationsmodell 1. Das Pfadmodell 1 veranschaulicht, dass sich die Varianzaufklärung für die elternbezogene Lebensqualität von 8 % auf 11 % erhöhte, wenn die problembezogene Bewältigung als Mediator in die Beziehung zwischen Neurotizismus und der elternbezogenen Lebensqualität hereingenommen wurde (Abbildung 2). Insgesamt geben beide Modellparameter jedoch einen kleinen Effekt an. Somit sagte ein hoher Neurotizismuswert eine geringe problembezogene Bewältigung vorher und eine geringe problembezogene Bewältigung sagte in Folge eine geringe elternbezogene Lebensqualität vorher.

Abbildung 2 Mediationsmodell 1 für den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und elternbezogener Lebensqualität, mediiert durch die problembezogene Bewältigung (β = standardisierter Regressionskoeffizient, SE = Standardfehler, 95 %-B-KI = 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervall; * p < .05, ** p < .01).

Mediationsmodell 3. Dem Pfadmodell 3 kann eine Erhöhung des Anteils der erklärten Varianz für die schulbezogene Lebensqualität von 14 % auf 25 % entnommen werden, wenn die problembezogene Bewältigung als Mediator im Zusammenhang zwischen Neurotizismus und der schulbezogenen Lebensqualität berücksichtigt wurde (Abbildung 3). Beide Effektgrößen lagen im moderaten Bereich.

Abbildung 3 Mediationsmodell 3 für den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und schulbezogener Lebensqualität, mediiert durch die problembezogene Bewältigung (β = standardisierter Regressionskoeffizient, SE = Standardfehler, 95 %-B-KI = 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervall; * p < .05, ** p < .01, *** p < .001).

Mediationsmodell 4. Die Varianzaufklärung für das Zielkriterium „Schulbezogene Lebensqualität“ stieg von 14 % auf 21 %, wenn die ungünstige Stressverarbeitung als Mediator in das Mediationsmodell hereingenommen wurde (Abbildung 4). Auch diese beiden Modellparameter sind als moderat zu interpretieren.

Abbildung 4 Mediationsmodell 4 für den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und schulbezogener Lebensqualität, mediiert durch die ungünstige Stressverarbeitung (β = standardisierter Regressionskoeffizient, SE = Standardfehler, 95 %-B–KI = 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervall; * p < .05, ** p < .01, *** p < .001).

Die Kovariate „Geschlecht“ war signifikant positiv mit der ungünstigen Stressverarbeitung assoziiert; ein weibliches Geschlecht hatte eher eine hohe ungünstige Stressverarbeitung (ESM 2, 4). Die Kovariate „Herkunftsland“ zeigte folgende signifikante Zusammenhänge auf: Jugendliche aus Österreich berichteten eher über eine hohe Problemlösung (ESM 1, 3) und schulbezogene Lebensqualität (ESM 4).

Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte den vermittelnden Effekt der Stressverarbeitung in der Beziehung zwischen Neurotizismus und gesundheitsbezogener Lebensqualität bei deutschen und österreichischen Siebtklässlerinnen und Siebtklässlern unter Kontrolle des Geschlechts und Herkunftslandes. Insgesamt ergab sich in den Mediationsanalysen, dass die negative Beziehung zwischen Neurotizismus und der elternbezogenen Lebensqualität durch die problembezogene Bewältigung vermittelt wurde. Ferner wurde der negative Zusammenhang mit der schulbezogenen Lebensqualität sowohl durch die problembezogene Bewältigung als auch durch die ungünstige Stressverarbeitung vermittelt. Somit sagte der Neurotizismus ungünstige Ausprägungen in der Stressverarbeitung vorher und eine eher unangemessene Stressverarbeitung hatte in Folge Vorhersagekraft für eine beeinträchtigte eltern- und schulbezogene Lebensqualität. Insgesamt unterstützen die Befunde, dass die gesundheitsbeeinträchtigenden Effekte des allgemeinen Vulnerabilitätsfaktors „Neurotizismus“ durch kognitive Prozesse wie die Stressverarbeitung vermittelt werden (Carver & Connor-Smith, 2010; Connor-Smith & Flachsbart, 2007).

Übereinstimmend mit früheren Studien konnte der negative Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Gesundheitsparametern bei Jugendlichen gefunden werden (Andrés et al., 2016; Broeren et al., 2011; Ehrler et al., 1999; vgl. auch Ormel et al., 2013), der hier auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität übertragen werden konnte. Zudem konnte in Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen für das Zielkriterium „Schulbezogene Lebensqualität“ gezeigt werden, dass diese Beziehung durch eine maladaptive Stressverarbeitung vermittelt wird. Allerdings untersuchten andere Studien internalisierende Auffälligkeiten als Zielkriterium (Andrés et al., 2016; Broeren et al., 2011). Im Gegensatz zur Studie von Andrés et al. (2016) ergab sich in der vorliegenden Studie noch ein vermittelnder Effekt der problembezogenen Bewältigung auf die Beziehung zwischen Neurotizismus und Lebensqualität. Dies könnte auf unterschiedliche Operationalisierungen der adaptiven Strategien zurückzuführen sein: Die Autoren bezogen die positive Aufmerksamkeitslenkung („positive refocusing“) und Neubewertung („positive reappraisal“) mit ein, die in der vorliegenden Definition den emotionsbezogenen Strategien (hier Bagatellisierung, Ablenkung / Erholung) zugeordnet werden. In beiden Studien korrelierten diese Strategien nicht mit Neurotizismus, sodass die Voraussetzung einer Mediationsanalyse nicht gegeben war. In einer nicht ganz vergleichbaren Studie von Evans et al. (2015) mit 7- bis 17-Jährigen konnten zwar die problembezogene und maladaptive Stressverarbeitung die Beziehung zwischen belastenden Lebensereignissen und depressiven Symptomen mediieren, jedoch nicht die emotionsregulierenden Strategien („secondary engagement coping“). Schließlich unterstützen die vorliegenden Ergebnisse keine Mediation durch die ungünstige Stressverarbeitung für die elternbezogene Lebensqualität. Insgesamt war die Varianzaufklärung für die elternbezogene Lebensqualität jedoch auch gering und wies im Pfad b des Mediationsmodells 2 mit β = .16 zwar einen statistisch signifikanten, jedoch klinisch kleinen Effekt auf.

Hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede in den Modellvariablen ergaben sich übereinstimmend mit früheren Studien bei den Mädchen erhöhte Ausprägungen im Neurotizismus (Andrés et al., 2016; Bleidorn & Ostendorf, 2009; Kupper et al., 2019) und in der ungünstigen Stressverarbeitung (Calvete et al., 2011; Hampel & Petermann, 2006). Die emotionsbezogene Bewältigung war wie in früheren Studien bei den Jungen höher (Hampel & Petermann, 2006; Hampel & Pössel, 2012), was in post hoc-Analysen für beide Subtests (Bagatellisierung, Ablenkung / ‌Erholung) nachzuweisen war. Das niedrigere körperliche Wohlbefinden der Mädchen zeigte sich erstmalig; in Bisegger et al. (2005) war das psychische Wohlbefinden der Mädchen niedriger, in der vergleichbaren Altersgruppe von Baumgarten et al. (2019) war die Lebensqualität bezogen auf Gleichaltrige und soziale Unterstützung sowie die schulbezogene Lebensqualität bei den Mädchen höher. Schließlich ergaben sich in Ellert et al. (2014) keine Geschlechtseffekte. Diese widersprüchlichen Befunde legen nahe, dies weiter zu erforschen.

Methodische Einschränkungen

Die Befunde wurden anhand einer Stichprobe von Siebtklässlerinnen und Siebtklässlern gewonnen, sodass sie nicht auf andere Altersgruppen generalisierbar sind. Allerdings stellt dieser Altersabschnitt eine vulnerable Entwicklungsphase dar, in der noch Anpassungsprozesse im Übergang auf die weiterführende Schule stattfinden (Knoppick, Becker, Neumann, Maaz & Baumert, 2016) und die mit der gesundheitlichen Lage im frühen Erwachsenenalter eng assoziiert ist (Hohm et al., 2017). Die Ablehnungsquote von 56 % schränkt die Generalisierbarkeit darüber hinaus noch ein. Sie war für die siebte Klasse jedoch vergleichbar mit der Quote in der Gesamterhebung von der dritten bis zur neunten Klasse (Hampel & Petermann, 2016). Ferner ist zu kritisieren, dass lediglich Selbstbeurteilungsinstrumente zum Einsatz kamen. Allerdings haben sich Selbsteinschätzungsinstrumente in der Erfassung internaler Prozesse als valide erwiesen (Seiffge-Krenke, 2000). Schließlich ist kritisch anzumerken, dass etwaige Effekte der Klassenzugehörigkeit nicht kontrolliert werden konnten, da in einigen Klassen lediglich zwei Jugendliche befragt wurden.

Außerdem muss beachtet werden, dass die Fragestellungen lediglich mit einem Querschnittsansatz untersucht wurden, sodass keine Kausalaussagen möglich sind. Um die Wirkrichtungen bestimmen zu können, müssen diese Wirkzusammenhänge in Längsschnittstudien untersucht werden. In der Längsschnittstudie von Evans et al. (2015) konnten bidirektionale Beziehungen ermittelt werden, wenn auch mehr Evidenz dafür gefunden wurde, dass die Stressverarbeitung die Beziehung zwischen belastenden Lebensereignissen und depressiven Symptomen prospektiv mediiert.

Schließlich deuten die nur geringen bis moderaten Varianzaufklärungen darauf hin, dass weitere Drittvariablen zu berücksichtigen sind. So wurde hier die situationsunspezifische Stressverarbeitung einbezogen, obwohl eine Stressverarbeitung in Abhängigkeit von der Art der Belastungssituation nur eindeutige Aussagen über eine angemessene oder dysfunktionale Stressverarbeitung erlaubt (vgl. Hampel & Petermann, 2018). Darüber hinaus könnten noch soziale Kognitionen und das Gesundheitsverhalten als Drittvariablen einbezogen werden. So nimmt Ferguson (2013) hinsichtlich des Krankheitsprozesses an, dass Persönlichkeitsmerkmale zunächst die Stressverarbeitung und in Folge die sozialen Kognitionen sowie das Gesundheitsverhalten beeinflussen, das schließlich direkten Einfluss auf den Krankheitsverlauf ausübt.

Fazit für die klinische Praxis

Auch wenn zukünftig die gemeinsame Betrachtung von Persönlichkeit und multidimensional erfasster Stressverarbeitung im Kindes- und Jugendalter erfolgen sollte, liegen nun erste Hinweise dafür vor, dass die problembezogene Bewältigung die ungünstigen Effekte des Neurotizismus auf die schul- und elternbezogene Lebensqualität bei Jugendlichen vermittelt. Ferner deutete sich an, dass die ungünstige Stressverarbeitung die ungünstigen Effekte des Neurotizismus auf die schulbezogene Lebensqualität vermittelt. Somit sollten Gesundheitsförderprogramme bereits im Grundschulalter durchgeführt werden, um die Stressbewältigungskompetenz zu stärken (Hampel & Petermann, 2017a). Außerdem sprechen die Geschlechtsunterschiede dafür, dass bei Mädchen im Jugendalter die ungünstige Stressverarbeitung abgebaut werden sollte, die mit der Entwicklung von internalisierenden Störungen eng im Zusammenhang steht (Aldao et al., 2010; Andrés et al., 2016; Evans et al., 2015). Des Weiteren sollte aufgrund der niedrigeren Neurotizismuswerte der Mädchen der Selbstwert der Mädchen durch ressourcenorientierte Ansätze gefördert werden. So könnten Selbstmanagementprogramme mit dem Schwerpunkt der Selbstwertsteigerung (Walter, Rademacher, Schürmann & Döpfner, 2007) oder Achtsamkeitstrainings (Burg & Michalak, 2012) die emotionale Stabilität verbessern. Insgesamt liegen nun erste Befunde vor, um zielgruppenspezifische Interventionen für Risikogruppen entwickeln zu können, die die Resilienz im Kindes- und Jugendalter fördern.

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Prof. Dr. Petra Hampel, Institut für Gesundheits-‍, Ernährungs- und Sportwissenschaften, Europa-Universität Flensburg, Auf dem Campus 1, 24943 Flensburg.,