Was motiviert Schülerinnen und Schüler für das Lehramt?
Fragebogen zur Erfassung der Motivationen für die Berufswahl Lehramt bei Schülerinnen und Schülern (FEMOLA-S)
Abstract
Zusammenfassung. Lehramtsstudierende mit ausgeprägten intrinsischen Berufswahlmotivationen zeigen eine höhere Studienzufriedenheit und bessere Studienleistungen. In der bisherigen Forschung zu lehramtsspezifischer Berufswahl werden zwei Fragen nicht beantwortet, die für die Rekrutierung zukünftiger Lehramtsstudierender relevant sind: Erstens ist – ohne die Verwendung einer Kontrollgruppe oder einer Stichprobe vor Studienwahl – nicht klar, ob die erfassten Berufswahlmotivationen für die lehramtsspezifische Berufswahl von Schülerinnen und Schülern relevant sind. Zweitens existiert kein Instrument, mit dem lehramtsspezifische Berufswahlmotivationen bei Schülerinnen und Schülern erhoben werden können. Daher wurde mit dem Fragebogen zur Erfassung der Motivation für die Wahl des Lehramtsstudiums (FEMOLA; Pohlmann & Möller, 2010) ein im deutschsprachigen Raum etabliertes Instrument adaptiert und in drei Stichproben an N = 215, N = 278 und N = 350 Schülerinnen und Schülern einer empirischen Prüfung unterzogen. Die Struktur des neu entwickelten FEMOLA-S bildet Komponenten der intrinsischen (Pädagogisches Interesse und Interesse an Wissensvermittlung) und extrinsischen Berufswahlmotivationen (Soziale Einflüsse, Nützlichkeit, Geringe Schwierigkeit des Studiums) ab, die eine gute Passung zu den erhobenen Daten zeigen. Die intrinsische Berufswahlmotivation erlaubte im Gegensatz zur extrinsischen eine Vorhersage der lehramtsspezifischen Berufswahlintention von Schülerinnen und Schülern, auch über die in der Berufswahlforschung häufig verwendeten beruflichen Interessenstypen nach Holland (1997) hinaus. Mögliche Anwendungsfelder des entwickelten Fragebogens und die Implikationen der Ergebnisse für die Gewinnung von geeigneten Lehramtsstudierenden werden diskutiert.
Abstract. Student teachers with strong intrinsic career choice motivations show higher levels of satisfaction and academic achievement. Previous research on teaching profession-specific career choice fails to answer two questions that are relevant to recruiting future teacher candidates: First, without the use of a control group or a student sample, it is not clear whether the captured career choice motivations are relevant for students' teaching-specific career choices. Second, no instrument exists to determine students' career choice motivations towards the teaching profession. Therefore, the questionnaire for the assessment of motivation for the choice of teacher studies (FEMOLA; Pohlmann & Möller, 2010), an established instrument in German-speaking countries, was adapted and subjected to empirical testing in three samples of N = 215, N = 278, and N = 350 students. The structure of the newly developed FEMOLA-S maps components of intrinsic (pedagogical interest and interest in knowledge transfer) and extrinsic career choice motivations (social influences, utility, low difficulty of studying), which show a good fit to the collected data. Intrinsic career choice motivation, in contrast to extrinsic career choice motivation, allowed for the prediction of students' teaching-specific career choice intention, even beyond Holland's (1997) occupational interest types that are frequently used in career choice research. Possible fields of application of the developed questionnaire and the implications of the results for the effective recruitment of suitable student teachers are discussed.
Für junge Menschen ist die Studien- und Berufswahl eine der wichtigsten und folgenreichsten Lebensentscheidungen (Skorikov, 2007; vgl. Super, 1980). Forschung zur Berufs- und Studienwahl betont, dass für eine langfristig produktive, gesundheitsfördernde und zufriedenstellende Wahl die passende Interessens- und Motivationsstruktur vorliegen muss (Nye, Su, Rounds & Drasgow, 2017; Spokane, Meir & Catalano, 2000). Auch für das Lehramtsstudium gilt, dass passende intrinsische Motivationskonstellationen förderlich für einen erfolgreichen Studienverlauf sind. Ein Blick auf die motivationalen Determinanten der Entscheidung, ein Lehramtsstudium aufzunehmen, ist nicht nur für die Personen selbst, sondern auch aus gesellschaftlicher Perspektive, von hoher Relevanz. Zum einen wird in der Öffentlichkeit und im wissenschaftlichen Diskurs kontrovers diskutiert, ob sich die wirklich geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für das Lehramtsstudium entscheiden (Blömeke, 2005; Denzler & Wolter, 2008). Zum anderen wird wiederkehrend der Mangel an Lehrkräften hinsichtlich spezifischer Fächer (z.B. MINT; Kultusministerkonferenz, 2020) sowie Diversitätsaspekte (Männer, Migranten und Migrantinnen; vgl. Statistisches Bundesamt, 2016) thematisiert. Die effektive Gewinnung von Lehramtsstudierenden bedarf eines fundierten Verständnisses, welche Motivationen die Entscheidung der Schülerinnen und Schüler für bzw. gegen die Wahl des Lehrerberufs beeinflussen.
In der Forschung zur Berufswahl Lehramt wurden sowohl intrinsische (aus der Tätigkeit selbst motiviert, z.B. Freude an der Arbeit mit Kindern) als auch extrinsische Motivationen (bezogen auf Rahmenbedingungen und äußere Einflüsse, z.B. vermeintlich geringe Schwierigkeit der Ausbildung) unterschieden und untersucht (Bastick, 2000; Sinclair, 2008). Diese Studien- und Berufswahlmotivationen wurden jedoch fast ausschließlich bei Lehramtsstudierenden und somit nach der Studienwahl erforscht (Pohlmann & Möller, 2010; Richardson & Watt, 2016). Befunde an diesen Stichproben sind einerseits retrospektiver Verzerrung ausgesetzt und andererseits verhindert das Fehlen einer Kontrollgruppe die Möglichkeit, die Motivationen als diagnostisch für die Wahl des Lehramtsstudiums zu deuten. Das heißt, es bleibt unklar, ob die gefundenen Motivationen zwischen Lehramtsstudierenden und Nicht-Lehramtsstudierenden unterschiedlich ausgeprägt sind. In den vorliegenden Studien wird deshalb ein Instrument entwickelt, mit dem lehramtsspezifische Studien- und Berufswahlmotivationen schon vor der Studienwahl erfasst werden können. Dabei wird der Zusammenhang zwischen intrinsischer bzw. extrinsischer Wahlmotivation und der intendierten Berufswahl Lehramt an drei Stichproben von Schülerinnen und Schülern untersucht.
Lehramtsspezifische Studien- und Berufswahlmotivationen
Im Folgenden wird die Forschung zu Berufswahlmotivationen bei Lehramtsstudierenden und bei Schülerinnen und Schülern und Instrumente zur Erfassung dieser Motivationen vorgestellt.
Berufswahlmotivationen von Lehramtsstudierenden
Bisher beschränkte sich die Erforschung der Berufswahlmotivationen für das Lehramt meist auf die retrospektive Erhebung der Motivationslage bei Lehramtsstudierenden (Affolter, Hollenstein & Brühwiler, 2015). In diesen Arbeiten wurde dabei häufig zwischen intrinsischen und extrinsischen Motivationen (Blömeke, Buchholtz & Hacke, 2010; Heinz, 2015; Sinclair, 2008) und teilweise altruistischer Motivation (Brookhart & Freeman, 1992; Watt & Richardson, 2007) unterschieden. Intrinsische Wahlmotivationen sind in der Tätigkeit selbst begründet und werden konkret meist als Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Manuel & Hughes, 2006; Sinclair, 2008; Yüce, Şahin, Koçer & Kana, 2013), dem Interesse am Fach und an der Wissensvermittlung (Bastick, 2000; Sinclair, Dowson & McInerney, 2006; Weiß, Keller-Schneider, Neuß, Albrecht & Kiel, 2016) operationalisiert. Extrinsische Wahlmotivationen beziehen sich auf Rahmenbedingungen des angestrebten Berufes und äußere Einflüsse im Studien- und Berufswahlprozess. Nützlichkeitserwägungen, z.B. finanzielle Sicherheit (Manuel & Hughes, 2006; Retelsdorf & Möller, 2012) und Zeit für Freizeit und Familie (Manuel & Hughes, 2006; Weiß et al., 2016), vermutete geringe Studienanforderungen (Sinclair et al., 2006) und die Meinungen anderer (Sinclair, 2008; Yüce et al., 2013) sind mögliche Komponenten.
Innerhalb des Studiums führen intrinsische Motivationen und die Passung des Studiums zum individuellen Interessensprofil zu höherer Studienzufriedenheit, besseren Studienleistungen sowie geringeren Studienabbruchquoten (Heublein, Hutzsch, Schreiber, Sommer & Besuch, 2009; Tracey, Allen & Robbins, 2012). So konnten z.B. Künsting und Lipowsky (2011) zeigen, dass intrinsische Studienwahlmotivationen positiv mit der Studienzufriedenheit im Lehramtsstudium zusammenhängen; dieser Zusammenhang zeigte sich nicht für extrinsische Studienwahlmotivationen. Studierende, die ausgeprägte intrinsische Wahlmotivationen berichten, nutzen effektiver Lerngelegenheiten im Praktikum, schätzen eigene Kompetenzen positiver ein (Biermann, Dörrenbächer-Ulrich, Grassmé, Perels, Gläser-Zikuda & Brünken, 2019), zeigen eine höhere Selbstwirksamkeit bezogen auf das Lehramt und selbstreguliertes Lernen (Dörrenbächer-Ulrich, Biermann, Brünken & Perels, 2019) sowie eine stärkere Lernzielorientierung (König, Drahmann & Rothland, 2018) als extrinsisch motivierte Studierende.
Berufswahlmotivationen für das Lehramt von Schülerinnen und Schülern
Interessen und Motivationen gelten als zentrale Determinanten der Studien- bzw. Berufswahl von Schülerinnen und Schülern (Bergmann, 2007). Auf Basis der Berufswahltheorie von Holland (1997) wurde für den Lehrerberuf wiederholt gezeigt, dass der sogenannte soziale Interessenstyp bei angehenden Lehrkräften stark vertreten ist (Neugebauer, 2013; Roloff Henoch, Klusmann, Lüdtke & Trautwein, 2015). Dieser Typ charakterisiert Personen mit Interesse an Tätigkeiten mit sozialer Interaktion und zwischenmenschlicher Hilfe. Entsprechend ist dieser Interessenstyp als Prädiktor unspezifisch, da dessen Ausprägung vergleichbar stark mit der Wahl anderer sozialer Berufe zusammenhängt (Bergmann & Eder, 1995; Nagy, 2007). Das Ziel, differenziertere lehramtsspezifische Indikatoren der Berufswahlentscheidung für das Lehramt zu entwickeln, wurde bisher nur von Nieskens (2009) verfolgt (vgl. auch Denzler-Schircks, Fiechter & Wolter, 2005). Nieskens fragte Schülerinnen und Schüler nach Gründen für die Wahl des Lehrerberufs. Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und an der Wissensvermittlung waren die meistgenannten Gründe.
Instrumente zur Erfassung der Wahlmotivationen für das Lehramt
Mit dem FEMOLA (Fragebogen zur Erfassung der Motivation für die Wahl des Lehramtsstudiums; Pohlmann & Möller, 2010) liegt ein auch in Anlehnung an die international häufig eingesetzte FIT-Choice-Scale (Watt & Richardson, 2007) entwickeltes Instrument zur Erfassung lehramtsspezifischer intrinsischer und extrinsischer Wahlmotivationen vor. Lehramtsstudierende geben retrospektiv an, wie sehr sie meinen, von diesen Motivationen bei ihrer Studienwahl beeinflusst worden zu sein. Der FEMOLA differenziert sechs Skalen mit jeweils vier bis acht Items, die drei intrinsische (Pädagogisches Interesse, Fachliches Interesse, Fähigkeitsüberzeugung) und drei extrinsische (Nützlichkeit, Soziale Einflüsse, Geringe Schwierigkeit des Lehramtsstudiums) Motivationen erfassen.
Eine Schwachstelle solcher Verfahren ist die retrospektive Erfassung der Wahlmotivationen. Personen, die rückblickend ihre Motivationen während der Studien- bzw. Berufswahlentscheidung rekonstruieren, könnten im Sinne eines Rückschaufehlers die Ausprägung dieser Motivationen über- oder unterschätzen und selbstwertdienlich stärker vermeintlich positive Antworten bezogen auf das bereits gewählte Studium geben. Die Messung der Studienwahlmotivation bei Lehramtsstudierenden erlaubt daher zwar die entsprechenden Motivationen mit Kriterien innerhalb des Studiums (Studienzufriedenheit, -abbruch, ‑leistungen) in Verbindung zu bringen oder unterschiedliche Gruppen von Lehramtsstudierenden zu vergleichen, wie Studierende des Grundschullehramts und der Gymnasien (wie bei Retelsdorf & Möller, 2012) oder einzelner Fächerkombinationen. Welche Rolle die einzelnen Studienwahlmotivationen bei der initialen Studienwahl tatsächlich gespielt haben, lässt sich jedoch mit solchen Stichproben und diesen Instrumenten nicht mit Sicherheit überprüfen. Die von Pohlmann und Möller (2010) berichteten Zusammenhänge im Rahmen der Validierung des FEMOLA weisen auf eine inhaltlich valide Erfassung hin; dennoch wäre eine Erhebung der Berufswahlmotivationen vor der eigentlichen Berufswahl nötig, um zu untersuchen, ob die Motivationslage wirklich prädiktiv für die Berufswahlintention ist.
In der vorliegenden Arbeit sollte anhand von drei Stichproben von Schülerinnen und Schülern ausgehend vom etablierten FEMOLA für Lehramtsstudierende ein Fragebogen für Schülerinnen und Schüler entwickelt und geprüft werden, wie intrinsische und extrinsische Motivationen mit der intendierten Berufswahl Lehramt zusammenhängen. In Studie 1 wurde zusätzlich überprüft, ob die Motivationsfacetten differenziell das Interesse an bestimmten Schulformen (Grundschul- oder Gymnasiallehramt) vorhersagen. In Studie 2 wurde der prädiktive Mehrwert des neu entwickelten FEMOLA für Schülerinnen und Schüler (FEMOLA-S) über das allgemeine soziale Interesse (Holland, 1997) hinaus geprüft. In Studie 3 wurden die Replizierbarkeit der Befunde, die lehramtsbezogene Spezifität und die inkrementelle Validität über eine vollständige Erfassung der Berufsinteressen durch den Allgemeinen Interessen-Struktur-Test-Revision (AIST-R; Bergmann & Eder, 2005) untersucht.
Studie 1
Um die Frage zu untersuchen, welche Rolle intrinsische und extrinsische Motivationen für Schülerinnen und Schüler bei der Berufswahl Lehramt spielen, wurde zunächst ein entsprechender Fragebogen entwickelt. An einer Stichprobe von Schülerinnen und Schülern sollte die Faktorenstruktur geprüft und gezeigt werden, hinsichtlich welcher Motivationen sich am Lehramt interessierte Schülerinnen und Schüler von solchen unterscheiden, die kein Interesse am Lehrerberuf haben. Schulformabhängige Unterschiede sind hierbei möglich: Retelsdorf und Möller (2012) zeigten für den Vergleich von Grundschul- und Gymnasiallehramt Unterschiede in der Motivationskonstellation der Studierenden. Zukünftige Grundschullehrerinnen und -lehrer berichteten retrospektiv u.a. von stärkerem pädagogischem Interesse und geringerer Studienschwierigkeit als Motivationen bei der Wahl des Lehramtsstudiums im Vergleich zu Studierenden des Gymnasiallehramts, die ein höheres fachliches Interesse angaben.
Hypothesen
Es wurde erwartet, dass sich die intrinsischen und extrinsischen Motivationsskalen des FEMOLA auch in einer für Schülerinnen und Schüler adaptierten Version (FEMOLA-S) faktorenanalytisch bestätigen lassen. Angenommen wird ein Modell, in dem zwei Sekundärfaktoren die intrinsischen und extrinsischen Komponenten abbilden (vgl. Künsting & Lipowsky, 2011; Theurer et al., 2021). Es wurde auf Basis bisheriger Untersuchungen mit studentischen Stichproben außerdem vermutet, dass besonders intrinsische Motivationen für die Berufswahlintention Lehramt prognostisch sind. Zudem wurde erwartet, dass das pädagogische Interesse und auch der Wunsch nach einem leichten Studium stärker mit der Intention zusammenhängen, Grundschullehramt zu studieren, als mit der Intention, das Gymnasiallehramt zu studieren.
Stichprobe
215 Schülerinnen und Schüler (61% weiblich; Alter: M = 17.37; SD = 0.85) der gymnasialen Oberstufe (12. Klasse: 56%, 13. Klasse: 44%) einer Schule in Nordrhein-Westfalen nahmen an der Untersuchung teil. Die Teilnehmenden wurden von ihrer Lehrkraft zur Befragung eingeladen und bearbeiteten den Fragebogen im Computerraum ihrer Schule. Die Teilnahme war freiwillig.
Konstrukte
Die Variablen dieser Untersuchung sind einerseits die Skalen des FEMOLA-S auf Seite der Prädiktoren und andererseits die Intention, Lehrkraft zu werden, und das Interesse am Grundschul- bzw. Gymnasiallehramt als Kriterien. Da sich Frauen insgesamt häufiger als Männer für den Lehrerberuf entscheiden (z.B. Drudy, 2008; Renger, Renger, Köller & Möller, 2020), werden Zusammenhänge mit dem Geschlecht berichtet bzw. wurde das Geschlecht in den Strukturgleichungsmodellen als Kontrollvariable aufgenommen1. Soweit nicht anders angegeben, wurden alle Items der Studien auf einer fünf-stufigen Likertskala („trifft gar nicht zu“ (1) bis „trifft völlig zu“ (5)) erfasst.
Konstruktion des Fragebogens FEMOLA-S. Zur Adaptation des FEMOLA (Pohlmann & Möller, 2010) für die Verwendung an Schülerinnen und Schülern (FEMOLA-S) wurden (1) die Anzahl der Items über die Skalen angeglichen und für eine ökonomische Erfassung auf je drei Items beschränkt, (2) der Itemstamm an die Zielgruppe angepasst („Ich habe das Lehramtsstudium gewählt, weil …“ zu „Für meine Berufswahl ist mir wichtig, dass …“) und (3) der Item-Wortlaut entsprechend angepasst (z.B.: „… ich als Lehrer/in Familie und Beruf gut vereinbaren kann.“ zu „… ich Familie und Beruf gut vereinbaren kann“). Die Auswahl der Items wurde auf Basis der von Pohlmann und Möller (2010) berichteten Faktorladungen vorgenommen. Abgesehen von zwei Fällen, bei denen ein niedriger ladendes Item aufgrund besserer Anpassbarkeit ausgewählt wurde, wurden jeweils die Items mit der höchsten gemittelten Faktorladung in den FEMOLA-S aufgenommen. Die Anpassung des Itemwortlauts konnte in fast allen Fällen ohne große Bedeutungsverschiebung vorgenommen werden. Nur bei der Skala Fähigkeitsüberzeugung(bzgl. Wissensvermittlung) änderte sich die Bedeutung zu Interesse an Wissensvermittlung, da die Fähigkeit zum Unterrichten nicht sinnvoll berufsunabhängig erfragt werden kann. Die Skala Fachliches Interesse konnte ebenfalls nicht berufsunabhängig umgesetzt werden. Eine ausführliche Einordnung der Anpassungen bei der Entwicklung des FEMOLA-S findet sich in der abschließenden Diskussion. Der Wortlaut der 15 Items und die Zuordnung zu den adaptierten Skalen kann Tabelle 1 entnommen werden.
Der FEMOLA-S enthält fünf Subskalen, die intrinsische und extrinsische Gründe bei der Berufswahl erfassen. Pädagogisches Interesse beschreibt den Wunsch in einem zukünftigen Beruf mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Interesse an Wissensvermittlung erfasst den Wunsch zu lehren. Die Skala Nützlichkeit fokussiert auf die Möglichkeit Familie und Freizeit mit dem zukünftigen Beruf vereinbaren zu können. Soziale Einflüsse beschreibt den Wunsch, mit der eigenen Berufswahl die Erwartungen anderer zu erfüllen. Geringe Schwierigkeit des Studiums erfasst die Motivation, einen möglichst einfachen Ausbildungsweg einzuschlagen.
Berufswahlintention Lehramt und Interesse an Grundschul- und Gymnasiallehramt. Die Berufswahlintention Lehramt wurde mit dem Item „Ich halte es für wahrscheinlich, dass ich mich für den Beruf der Lehrerin/des Lehrers entscheide.“ erfasst. Zusätzlich wurde erfragt, wie interessant verschiedene Schulformen für die Probandinnen und Probanden seien, darunter „Primarstufe (Grundschule)“ und „Sekundarstufe I/II (gymnasiale Schulformen)“.
Ergebnisse
Faktorenstruktur. Die internen Konsistenzen der gebildeten Skalen sind zufriedenstellend bis sehr gut (Pädagogisches Interesse: α = .93, Interesse an Wissensvermittlung: α = .81, Nützlichkeit: α = .85, Soziale Einflüsse: α = .75, Geringe Schwierigkeit des Studiums: α = .84). Zur Bestätigung der faktoriellen Struktur des FEMOLA-S wurde durch konfirmatorische Faktorenanalysen mittels Mplus (Muthén & Muthén, 2012) die Passung der Daten zum postulierten Modell geprüft (angestrebte Kennwerte: CFI und TLI nahe .95; SRMR nahe .08; RMSEA nahe .06; Hu & Bentler, 1999). Über alle berichteten Studien hinweg traten fehlende Werte selten (< 2%) auf; auf eine Imputation der Daten wurde deshalb verzichtet und mit den vorhandenen Daten gerechnet. Die Faktorenanalyse bestätigte die gute Passung der Fünf-Faktoren-Struktur mit einem intrinsischen (Pädagogisches Interesse, Interesse an Wissensvermittlung) und einem extrinsischen (Nützlichkeit, Soziale Einflüsse, Geringe Schwierigkeit des Studiums) Sekundärfaktor auf die Daten (χ 2(84) = 150.8; CFI = .96; TLI = .95; RMSEA = .06; SRMR = .07). Ein Modell ohne Sekundärfaktoren zeigte ebenfalls eine gute Passung (χ 2(80) = 124.0; CFI = .97; TLI = .96; RMSEA = .05; SRMR = .04)2. Sowohl ein Zwei-Faktoren-Modell (intrinsisch vs. extrinsisch) (χ 2(89) = 632.2; CFI = .64; TLI = .58; RMSEA = .17; SRMR = .15) als auch ein Ein-Faktoren-Modell (χ 2(90) = 857.9; CFI = .49; TLI = .41; RMSEA = .20; SRMR = .16) zeigten einen inakzeptablen Fit.
Korrelationen der Skalen des FEMOLA-S mit der Berufswahlintention Lehramt. Die manifesten Skalen der intrinsischen Motivationen Pädagogisches Interesse (r = .64, p < .001) und Interesse an Wissensvermittlung (r = .45, p < .001) korrelierten deutlich mit der Berufswahlintention. Auch die extrinsischen Motivationen Nützlichkeit (r = .26, p < .001) und Soziale Einflüsse (r = .26, p < .001) waren signifikant mit der Intention Lehrkraft zu werden korreliert. Der Beweggrund einer geringen Schwierigkeit des Studiums (r = .08, p = .232) hing nicht signifikant mit der Berufswahlintention Lehramt zusammen. In multivariaten Mittelwertsvergleichen zeigten sich für Schülerinnen eine stärkere allgemeine Berufswahlintention für das Lehramt als für Schüler (Mweibl = 2.07, SDweibl. = 1.23; Mmännl. = 1.62, SDmännl. = 1.00; F(1,210) = 7.77, p = .006, part. η 2 = .04), höheres Pädagogisches Interesse (Mweibl. = 2.58, SDweibl. = 1.12; Mmännl. = 1.95, SDmännl. = 0.99; F(1,210) = 17.49, p < .001, part. η 2 = .08), höheres Interesse an Wissensvermittlung (Mweibl. = 3.36, SDweibl. = 0.84; Mmännl. = 3.04, SDmännl. = 0.97; F(1,210) = 6.31, p = .013, part. η 2 = .03) und höhere Nützlichkeitserwägungen (Mweibl. = 4.21, SDweibl. = 0.80; Mmännl. = 3.91, SDmännl. = 0.87; F(1,210) = 6.79, p = .010, part. η 2 = .03). Eine Übersicht über die deskriptiven Werte der Skalen und ihre Interkorrelationen kann Tabelle 2 entnommen werden.
Korrelationen der Skalen des FEMOLA-S mit schulformspezifischem Interesse an Grundschul- bzw. Gymnasiallehramt. Die Interkorrelationen zwischen den Berufswahlmotivationen und dem Interesse am Grundschul- bzw. Gymnasiallehramt zeigten ähnliche Muster. Das Interesse an beiden Schulformen hängt mit Pädagogischem Interesse, Interesse an Wissensvermittlung, Nützlichkeitserwägungen und Sozialen Einflüssen zusammen (vgl. Tabelle 2). Die Motivation, ein Studium mit geringerer Schwierigkeit zu wählen, zeigte differenzielle Zusammenhänge mit dem Interesse an beiden Schulformen (Vergleich der Korrelationen: z = 3.07, p = .002; alle anderen Korrelationspaarvergleiche ns; alle ps > .134). Während das Interesse am Grundschullehramt mit dem Wunsch nach geringer Studienschwierigkeit korrelierte (r = .29, p < .001), gab es bezogen auf das Gymnasiallehramt keinen signifikanten Zusammenhang (r = .01, p = .904). Insgesamt gaben Schülerinnen stärker als Schüler ein Interesse am Grundschullehramt (r = .28, p < .001) an; keine Unterschiede zeigten sich hinsichtlich des Gymnasiallehramts (r = .07, p = .338).
Vorhersage der Berufswahlintention durch intrinsische und extrinsische Motivationen. Das latente Strukturgleichungsmodell zur Vorhersage der Berufswahlintention Lehramt durch die intrinsische und die extrinsische Motivationskomponente (χ 2(110) = 175.0; CFI = .96; TLI = .95; RMSEA = .05; SRMR = .06) wies einen starken Zusammenhang der intendierten Berufswahlentscheidung mit intrinsischen Motivationen auf (β = .64, p < .001); der extrinsische Faktor war, bei Berücksichtigung beider Motivationskomponenten, kein signifikanter Prädiktor (β = .04, p = .768; vgl. Abbildung 1). Das Geschlecht war signifikant mit intrinsischer Motivation korreliert, trug jedoch nicht zur Varianzaufklärung hinsichtlich der Berufswahlintention bei3.
Diskussion von Studie 1
Es ist gelungen, einen etablierten Fragebogen für die Studienwahlmotivation von Lehramtsstudierenden (FEMOLA, Pohlmann & Möller, 2010) für Schülerinnen und Schüler zu adaptieren. Die fünf Skalen des FEMOLA-S konnten faktorenanalytisch bestätigt werden und zeigten gute Reliabilitäten. Die Ergebnisse passen zu den bisherigen Hinweisen, nach denen vor allem intrinsische Berufswahlmotivationen bei Lehramtsstudierenden ausgeprägt sind (Pohlmann & Möller, 2010; Watt et al., 2012). Neben dem hypothetisierten Modell mit zwei Sekundärfaktoren zeigte auch das Modell ohne Sekundärfaktoren einen guten Modellfit. Differenzielle Zusammenhänge der Motivationen mit dem Interesse am Grundschul- bzw. Gymnasiallehramt zeigten sich nur für die extrinsische Motivation, ein Studium mit geringer Schwierigkeit zu wählen. Das Interesse am Grundschullehramt war stärker ausgeprägt, je größer diese Motivation bei Schülerinnen und Schülern war.
Als Stichprobe wurde in dieser Studie auf die Schülerinnen und Schüler einer einzelnen Schule zurückgegriffen und die Berufswahlintention wurde nur mit einem Item erfasst. Offen ist außerdem, ob die Vorhersage durch den FEMOLA-S einen Mehrwert über etablierte Prädiktoren der Berufswahl Lehramt, z.B. das soziale Berufsinteresse, hinaus bietet. Studie 2 soll diese offenen Fragen klären.
Studie 2
Hypothesen
Ziel von Studie 2 war es, in einer weiteren Stichprobe die gefundene Faktorenstruktur des FEMOLA-S zu replizieren und zu prüfen, ob sich die spezifischen Motivationen bei der Vorhersage der Berufswahlintention gegen den etablierten Prädiktor eines generellen sozialen Interesses empirisch behaupten können (Holland, 1997; Klusmann, Trautwein, Lüdtke, Kunter & Baumert, 2009). Es wurde erwartet, dass sich die Fünf-Faktoren-Struktur des FEMOLA-S mit den beiden Sekundärfaktoren erneut bestätigen lässt, und dass besonders die intrinsische Berufswahlmotivation mit der Berufswahlintention Lehramt zusammenhängt.
Stichprobe
Für die Analysen wurden Daten an einer Stichprobe von 278 Schülerinnen und Schülern (65% weiblich) an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen erhoben. Die Probandinnen und Probanden waren im Mittel 17.45 Jahre alt (SD = 0.85) und besuchten den 10. bis 13. Jahrgang (68% den 12. Jahrgang). Die Schülerinnen und Schüler wurden bundesweit über soziale Netzwerke und Foren zur Abiturvorbereitung angesprochen, nahmen online an der freiwilligen Befragung teil und konnten sich im Anschluss an die Beantwortung des Fragebogens für die Verlosung eines von acht Gutscheinen im Wert von je 25 Euro registrieren. Der Gutscheinwert konnte für diverse Onlineshops eingesetzt oder an Amnesty International gespendet werden.
Konstrukte
Berufswahlmotivationen für das Lehramt. Zur Erfassung intrinsischer und extrinsischer Berufswahlmotivationen wurde der in Studie 1 entwickelte FEMOLA-S eingesetzt.
Sozialer Interessenstyp nach Holland. Aus Hollands Interessensmodell zur Berufswahl wurde der soziale Interessenstyp erhoben, der auch in bisheriger Literatur als indikativ für die Berufswahl Lehramt nachgewiesen wurde (Klusmann et al., 2009; Neugebauer, 2013). Erfasst wurde der Interessenstyp mit den zehn Items (Beispielitem: „Hilfsbedürftige Kinder oder Erwachsene betreuen.“; Cronbachs α = .84) des AIST-R (Bergmann & Eder, 2005). Auf Grund des formativen Messmodells des Konstruktes und in Übereinstimmung mit der üblichen Verwendung wurde der soziale Interessenstyp als manifester Summenscore in das Modell aufgenommen4.
Berufswahlintention Lehramt. Die Berufswahlintention Lehramt wurde mit drei Items erhoben (Renger et al., 2020): „Ich könnte mir vorstellen, Lehrerin/Lehrer zu werden.“, „Es ist gut möglich, dass ich den Beruf der Lehrerin/des Lehrers ergreife.“ und „Ich halte es für wahrscheinlich, dass ich mich für den Beruf der Lehrerin/des Lehrers entscheide.“ (Cronbachs α = .95).
Ergebnisse
Faktorenstruktur. Die konfirmatorische Faktorenanalyse bestätigte die postulierte Struktur mit fünf trennbaren Skalen des FEMOLA-S und zwei Sekundärfaktoren (χ 2(84) = 113.9; CFI = .98; TLI = .98; RMSEA = .04; SRMR = .04). Auch das Modell ohne Sekundärfaktoren zeigte eine gute Passung. (χ 2(80) = 107.3; CFI = .98; TLI = .98; RMSEA = .04; SRMR = .04). Sowohl ein Zwei-Faktoren-Modell, das nur intrinsische und extrinsische Motivationsitems unterscheidet, (χ 2(89) = 540.3; CFI = .72; TLI = .67; RMSEA = .14; SRMR = .10) als auch das Ein-Faktoren-Modell (χ 2(90) = 963.1; CFI = .47; TLI = .38; RMSEA = .19; SRMR = .16) zeigten keine akzeptable Passung.
Die internen Konsistenzen der Skalen waren, mit Ausnahme der Skala Soziale Einflüsse, gut (Pädagogisches Interesse: α = .90, Interesse an Wissensvermittlung: α = .77, Soziale Einflüsse: α = .61, Nützlichkeit: α = .82, Geringe Schwierigkeit des Studiums: α = .83). Die geringere Reliabilität der Skala Soziale Einflüsse ist insofern nicht überraschend, als dass nicht zwangsläufig alle in den Items genannten Personen (Eltern, Freunde, Familie) in gleichem Maße sozialen Einfluss ausüben müssen. Um Messfehlereinflüssen vorzubeugen, wird in den Strukturgleichungsmodellen eine latente Modellierung der Skalen vorgenommen.
Korrelationen der Skalen des FEMOLA-S mit der Berufswahlintention Lehramt. Die Interkorrelationen zwischen den Skalen bestätigten die Hypothesen weitgehend (vgl. Tabelle 3). Hinsichtlich der intrinsischen Motivationen zeigten sich das Pädagogische Interesse (r = .58, p < .001) und das Interesse an Wissensvermittlung (r = .38, p < .001) stark mit der Berufswahlintention Lehramt korreliert. Bei den extrinsischen Motivationen zeigte sich nur hinsichtlich der Nützlichkeitsfacette zur Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf eine signifikante Korrelation (r = .14, p = .021). Der Wunsch nach einer geringen Schwierigkeit des Studiums (r = .03, p = .648) und Soziale Einflüsse (r = .08, p = .163) hingen nicht signifikant mit der Berufswahlintention Lehramt zusammen. Schülerinnen berichteten eine stärkere Intention für die Berufswahl Lehramt (Mweibl. = 2.54, SDweibl. = 1.33; Mmännl. = 2.15, SDmännl. = 0.99; F(1,273) = 6.30, p = .013, part. η 2 = .02), höheres Pädagogisches Interesse (Mweibl. = 2.59, SDweibl. = 1.14; Mmännl. = 2.32, SDmännl. = 0.91; F(1,273) = 4.24, p = .040, part. η 2 = .02) und ausgeprägtere Soziale Interessen (Mweibl. = 32.01, SDweibl. = 6.97; Mmännl. = 28.14, SDmännl. = 6.91; F(1,273) = 19.37, p < .001, part. η 2 = .07) als Schüler. Eine Übersicht über die verwendeten Skalen und ihre Interkorrelationen kann Tabelle 3 entnommen werden.
Vorhersage der Berufswahlintention durch intrinsische und extrinsische Motivationen unter Kontrolle des sozialen Interessenstyps. Auch unter Kontrolle des sozialen Interessenstyps bestätigte das latente Strukturgleichungsmodell (χ 2(157) = 208.7; CFI = .98; TLI = .98; RMSEA = .03; SRMR = .05) den starken Zusammenhang intrinsischer Berufswahlmotivation mit der Berufswahlintention Lehramt (β = .80, p < .001). Über diesen Zusammenhang hinaus trugen weder der extrinsische Faktor (β = –.13, p = .111) noch der soziale Interessenstyp nach Holland (β = –.13, p = .221) signifikant zur Varianzaufklärung bei (vgl. Abbildung 2). Das Geschlecht5 (β = .11, p = .047) zeigte auch über die Motivationskomponenten hinweg noch eine signifikante Vorhersage der Berufswahlintention. Schülerinnen zogen die Berufswahl Lehramt eher in Erwägung als Schüler. Trotz der substanziellen Korrelation zwischen dem sozialen Interessenstyp und der intrinsischen Motivationskomponente (r = .67, p < .001) war Multikollinearität im Modell nicht kritisch (1.08 < VIFs < 2.05).
Diskussion von Studie 2
Studie 2 konnte die Faktorenstruktur und die differenzielle Vorhersagekraft der Berufswahlmotivationen des FEMOLA-S in einer schulischen Stichprobe replizieren. Letzteres gelang sogar, wenn ein etablierter alternativer Prädiktor der Berufswahl Lehramt, wie das soziale Interesse des AIST-R (Bergmann & Eder, 2005) einbezogen wurde.
Kritisch ist anzumerken, dass die Verwendung des sozialen Interesses nur einen Ausschnitt der insgesamt sechs Berufsinteressen abbildet, die in der Praxis oft aggregiert in Form eines dreistelligen „Holland-Codes“ der höchstausgeprägten Interessen eingesetzt werden. Außerdem bleibt offen, inwiefern die Vorhersage durch den FEMOLA-S spezifisch für den Lehrerberuf ist, d.h. ob andere Berufsbilder eventuell in gleicher Weise vorhergesagt werden.
Studie 3
In der dritten Studie sollten – neben der weiteren Replikation der bisherigen Befunde – zwei offene Fragestellungen adressiert werden. Erstens sollte die Spezifität der verwendeten Motivationsfacetten überprüft werden, d.h. ob die Motivationen spezifisch für die intendierte Wahl des Lehrerberufs ist. Zweitens sollte in einem anspruchsvolleren Test die inkrementelle Validität des FEMOLA-S geprüft werden. Mit dem AIST-3 (Bergmann & Eder, 2018) können den Probandinnen und Probanden sogenannte Holland-Codes zugewiesen werden, die die Kombination der drei ausgeprägtesten Berufsinteressen beschreiben (vgl. Holland, 1997). Im Manual des Verfahrens sind in einem Berufsregister die Codes aufgeführt, die die größte Passung zu Lehramtsberufen aufweisen (siehe unten). In Studie 3 wurde die Vorhersagekraft des FEMOLA-S mit der einer Zuordnung von lehramtsberufsspezifischen Holland-Codes verglichen.
Hypothesen
Es wurde erwartet, dass die hierarchische Struktur des FEMOLA-S analog zu den vorangegangenen Studien die Daten angemessen beschreibt. Weiterhin wurde erwartet, dass die intrinsischen Motivationen einen starken Zusammenhang mit der Berufswahlintention für das Lehramt zeigen und diese Vorhersage einerseits spezifisch für die Berufswahl Lehramt ist und andererseits eine größere Varianzaufklärung erlaubt als die in der Berufswahlforschung häufig eingesetzten Holland-Codes.
Stichprobe
Es wurden 350 Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen in Hamburg und Berlin befragt (MAlter = 17.1, SDAlter = 1.23; 56% weiblich, 44% männlich, 1% divers, vier fehlende Angaben). Die Schülerinnen und Schüler besuchten die 10. bis 13. Klasse (10. Klasse: 24%; 11. Klasse: 29%; 12. Klasse: 35%; 13. Klasse: 11%). Sie wurden von ihren Lehrkräften zur freiwilligen Teilnahme eingeladen. Die Befragung wurde in Computerräumen der jeweiligen Schule onlinegestützt durchgeführt.
Konstrukte
Berufswahlmotivationen für das Lehramt. Zur Erfassung intrinsischer und extrinsischer Berufswahlmotivationen wurde der in Studie 1 entwickelte und in Studie 2 validierte FEMOLA-S genutzt.
Holland-Code der beruflichen Interessen. Mit den Skalen des AIST-3 (Bergmann & Eder, 2018) wurden die beruflichen Interessenstypen nach Holland (1997) erfasst. Das Verfahren bestimmt die Ausprägung von sechs beruflichen Interessenstypen (praktisch-technisches, intellektuell-forschendes, künstlerisch-sprachliches, soziales, unternehmerisches und konventionelles Interesse) und ordnet den Befragten einen dreistelligen Code zu, der die drei am stärksten ausgeprägten Interessenstypen benennt und mit Berufsbildern korrespondiert. Im Manual des AIST-3 sind Holland-Codes für unterschiedliche Lehramtsberufe aufgelistet6. In den folgenden Analysen wird geprüft, ob das Vorliegen eines lehramtsspezifischen Holland-Codes die Vorhersage der entsprechenden Berufswahlintention erlaubt (Holland-Code Lehramt: 1 – passender Holland-Code; 0 – kein passender Holland-Code).
Berufswahlintentionen. Die Schülerinnen und Schüler wurden außerdem zu ihren Berufswahlintentionen bezogen auf unterschiedliche Berufsfelder befragt (für eine analoge Auswahl von Referenzberufen für das Lehramt vgl. Ihme & Möller, 2015). Es wurden dieselben Items bezogen auf die Berufswahl Lehramt verwendet wie in Studie 2. Um eine differenzielle Vorhersage der Berufswahlintentionen zu prüfen, wurden diese Items auch bezogen auf Anwältin bzw. Anwalt, Psychologin bzw. Psychologe und Softwareentwicklerin bzw. -entwickler angepasst (z.B.: „Ich halte es für wahrscheinlich, dass ich mich für den Beruf der Anwältin/des Anwalts entscheide.“).
Ergebnisse
Vorhersage der Berufswahlintention Lehramt durch intrinsische und extrinsische lehramtsspezifische Motivationen. In dieser Studie fokussieren wir auf das hypothetisierte Modell mit fünf Faktoren und zwei Sekundärfaktoren. Das latente Strukturgleichungsmodell (χ 2(157) = 235.3; CFI = .98; TLI = .97; RMSEA = .04; SRMR = .05) bestätigte einerseits die postulierte Faktorenstruktur der Daten mit einem intrinsischen und extrinsischen Sekundärfaktor und andererseits auch den Zusammenhang der intrinsischen Berufswahlmotivationen mit der Berufswahlintention Lehramt (β = 1.41, p = .007). Der extrinsische Faktor (β = –.79, p = .105) trug nicht signifikant zur Varianzaufklärung bei (vgl. Abbildung 3). Das Geschlecht zeigte keine signifikante Vorhersage der Berufswahlintention (β = .27, p = .104). Das Vorliegen eines lehramtsspezifischen Holland-Codes auf Basis des AIST-3 konnte über die Skalen des FEMOLA-S hinaus nicht signifikant Varianz aufklären (β = –.20, p = .071).
Vorhersage verschiedener Berufswahlintentionen durch intrinsische und extrinsische lehramtsspezifische Motivationen. Berufswahlintentionen bezogen auf die ausgewählten alternativen Berufsbilder (Anwältin bzw. Anwalt, Psychologin bzw. Psychologe, Softwareentwicklerin bzw. -entwickler) konnten durch die intrinsischen und extrinsischen Motivationskomponenten des FEMOLA-S nicht vorhergesagt werden (βs < .51, ps > .175). In den Strukturgleichungsmodellen zeigte sich nur bei der Vorhersage der Berufswahlintention Softwareentwicklerin bzw. -entwickler ein signifikanter Zusammenhang mit dem Geschlecht. Schüler zeigten ein stärkeres Interesse an diesem Beruf als Schülerinnen (β = .31, p = .003).
Diskussion von Studie 3
Studie 3 konnte in einer weiteren Stichprobe die Faktorenstruktur und die Vorhersagekraft des FEMOLA-S replizieren. Es war die inkrementelle Vorhersage der Berufswahlintention Lehramt über die Verwendung von lehramtsspezifischen Holland-Codes hinaus möglich. Außerdem zeigte der FEMOLA-S nur hinsichtlich des Lehrerberufs, nicht aber gegenüber den Berufsbildern Anwältin bzw. Anwalt, Psychologin bzw. Psychologe oder Softwareentwicklerin bzw. -entwickler eine signifikante Vorhersage der entsprechenden Berufswahlintention.
Zusammenfassend wurden in den vorgestellten Studien insgesamt 843 Schülerinnen und Schüler von Gemeinschaftsschulen und Gymnasien hinsichtlich fünf differenzierbarer Berufswahlmotivationen und ihrer Intention, das Lehramt als Beruf zu wählen, befragt. In Tabelle 4 sind die Ausprägungen der Motivationen sowohl für Schülerinnen und Schüler mit einer tendenziell höheren Intention (> 3 auf der 5-stufigen Erfassung der Intention) als auch für diejenigen mit einer geringen oder mittleren Intention (≤ 3) abgetragen. Auch hier bestätigten Varianzanalysen die korrelativen Befunde insofern, dass sich Schülerinnen und Schüler mit der tendenziellen Absicht Lehrkraft zu werden nur hinsichtlich ihres Pädagogischen Interesses und des Wunsches, Wissen zu vermitteln, konsistent und stark von ihren Mitschülerinnen und -schülern unterscheiden. Signifikante Unterschiede in extrinsischer Motivation zeigten sich nur in Studie 1 und 3 hinsichtlich Sozialer Einflüsse und in Studie 3 hinsichtlich der Nützlichkeit.
Diskussion
Der Beitrag dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung differenzierter Wahlmotivationen für das Lehramt bei Schülerinnen und Schülern. Während bisherige Befunde die Motivationsstruktur von Lehramtsstudierenden beschreiben, können mit Hilfe des FEMOLA-S die Wahlmotivationen für das Lehramt schon vor der Studienwahlentscheidung erhoben werden. Dies erlaubt Schlussfolgerungen, welche Motivationen für die initiale Entscheidung für und auch gegen das Lehramt eine Rolle spielen. Die Ergebnisse der latenten Strukturgleichungsmodelle aus drei empirischen Studien legen nahe, dass Schülerinnen und Schüler vor allem durch intrinsische Berufswahlmotivationen zur Entscheidung für ein Lehramtsstudium bewegt werden. Interkorrelationen bestätigen diese Befunde: Das Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und der Wunsch, Wissen weiterzugeben, sind stark mit der Berufswahlintention Lehramt verbunden. Hinsichtlich der extrinsischen Motivationen zeigten nur Nützlichkeitserwägungen Zusammenhänge mit der Berufswahlintention. Soziale Einflüsse durch andere auf die intendierte Berufswahl zeigten sich nur in einer der Stichproben, und das Ziel, ein einfaches Studium zu wählen, war nur für das Interesse am Grundschullehramt relevant. Im Folgenden werden wir die Entwicklung des Fragebogens diskutieren, auf Limitationen der Studien eingehen, Implikationen für die Praxis diskutieren und abschließend die Ergebnisse in angrenzende Forschungsliteratur einordnen.
FEMOLA-S zur Erfassung von lehramtsspezifischen Berufswahlmotivationen bei Schülerinnen und Schülern
Das Ziel der Arbeit war, die theoretisch als relevant hergeleiteten Motivationen für das Lehramt in einem Instrument umzusetzen, das bei Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden kann. Der FEMOLA (Pohlmann & Möller, 2010) bot sich als etablierter deutschsprachiger Fragebogen für die Adaption an; es konnten jedoch nicht alle Facetten des Fragebogens im FEMOLA-S inhaltlich kongruent umgesetzt werden. Es zeigten sich insbesondere drei Einschränkungen, die die Komponenten Fähigkeitsüberzeugung, Nützlichkeit und Fachliches Interesse des FEMOLA betreffen. Statt der lehramtsspezifischen Erfolgserwartung (Fähigkeitsüberzeugung), die nicht sinnvoll von Personen erfragt werden kann, die den Lehrerberuf für sich als Option ausschließen, wurde ein allgemeineres Interesse an Wissensvermittlung erfragt. Diese Facette spiegelt eine Motivationskomponente wider, die von Schülerinnen und Schülern als Beweggrund genannt wird (Nieskens, 2009). Die Nützlichkeitsfacette des FEMOLA ist breiter gefasst und enthält neben Zeit für Freunde und Familie auch finanzielle Erwägungen. Im FEMOLA-S wurde mit Zeit für Freunde und Familie der Aspekt fokussiert, der in bisherigen Erhebungen die stärksten Faktorenladungen aufzeigte (Pohlmann & Möller, 2010). Ob sich auch der Wunsch nach einem hohen oder regelmäßigen Gehalt (Han, Borgonovi & Guerriero, 2017; Retelsdorf & Möller, 2012) als indikativ für die Berufswahlintention herausstellen könnte, muss in zukünftiger Forschung geprüft werden. Das fachliche Interesse, das für die Berufswahlintention Lehramt relevant sein könnte (Herzog, Herzog, Brunner & Müller, 2007), konnte nicht erfolgreich adaptiert werden. Die nötige Bedeutungsverschiebung zu einem allgemeinen Interesse an Wissenserwerb führte zu einem Deckeneffekt auf den entsprechenden Fragen, der keine ausreichende Varianz für die korrelativen Analysen ließ.
Die Änderungen, die bei der Adaption des FEMOLA zum FEMOLA-S vorgenommen wurden, haben Auswirkungen auf das zugrundeliegende theoretische Gerüst. Bei Einführung des FEMOLA (Pohlmann & Möller, 2010) präsentierten die Autorin und der Autor zwei mögliche Strukturen hinter den durch das Instrument erfassten Motivationsfacetten. Einerseits basiert der Fragebogen auf dem Erwartungs-Wert-Modell und lässt sich in eine Wert- (Pädagogisches Interesse, Fachliches Interesse, Nützlichkeit), eine Erwartungskomponente (Fähigkeitsüberzeugung, Geringe Schwierigkeit des Studiums) und Soziale Einflüsse trennen. Andererseits zeigte sich auch eine Unterscheidung in intrinsische und extrinsische Motivationsfacetten, die empirisch bestätigt werden konnte (z.B. Künsting & Lipowsky, 2011; Theurer et al., 2021). In den vorliegenden Studien wurde dieser Logik gefolgt, weil durch die Bedeutungsverschiebung der Skala Fähigkeitsüberzeugung zu Interesse an Wissensvermittlung, die Struktur der Erwartungs-Wert-Theorie nicht mehr vollständig abgebildet werden konnte.
Diese vermutete Faktorenstruktur des FEMOLA-S erwies sich in allen drei Stichproben als den Daten angemessen. Die Skalen ließen sich empirisch trennen und ein Faktor zweiter Ordnung, der die Skalen einer intrinsischen und einer extrinsischen Komponente zuordnet, konnte gefunden werden. Auch ein Modell ohne Sekundärfaktoren beschreibt die Daten sehr gut (vgl. ESM 4). Es wurde in den Analysen die Modellierung gewählt, die einen Vergleich intrinsischer und extrinsischer Motivationskomponenten erlaubt, da sich diese Unterscheidung in bisheriger Literatur als Differenzierung für Motivationen im Lehramtsstudium gezeigt hat (vgl. Biermann et al., 2019; Theurer et al., 2021). Die intrinsische Motivationskomponente ermöglichte eine starke Vorhersage der Berufswahlintention Lehramt in allen Stichproben. Der FEMOLA-S erlaubte in Studie 2 und Studie 3 dabei eine deutlich bessere Prädiktion als der in der Berufswahlforschung konsistent als prädiktiv bestätigte soziale Interessenstyp nach Holland (Kaub et al., 2012; Neugebauer, 2013) oder die lehramtsspezifischen Holland-Codes (Bergmann & Eder, 2018).
Limitationen
In den drei Studien wurden querschnittliche Analysen mit kleinen bis mittleren Stichproben in unterschiedlichen Kontexten gerechnet. Die zukünftige Verwendung größerer Stichproben und längsschnittlicher Designs ist aus mehreren Gründen wünschenswert: Erstens könnten so die konvergente und divergente Validität des Verfahrens anhand tatsächlicher Studien- bzw. Berufswahl überprüft werden, und zweitens würde es die Untersuchung weiterer psychometrischer Kennwerte wie der Retest-Reliabilität erlauben.
Das Ziel der vorliegenden Studien war es nicht, die komplexen Prozesse der Berufswahlbildung vollständig abzubilden, sondern ein Instrument zur Erfassung spezifischer Berufswahlmotivationen einzusetzen und zu validieren. Weitere Variablen wie Persönlichkeitsfaktoren oder soziale Faktoren (z.B. Berufe relevanter Bezugspersonen) sollten in zukünftiger Forschung berücksichtigt werden (vgl. Brown, 2002).
Die vorliegende Arbeit hat als zentrales Kriterium erfasst, für wie wahrscheinlich die Schülerinnen und Schüler die Berufswahl Lehramt für sich selbst erachten. Im Falle des Lehramts sind die Studien- und Berufswahl eng verknüpft. Allerdings kann der Impuls sich für ein Lehramtsstudium zu entscheiden sowohl vom Berufsziel Lehrkraft zu werden als auch vom Interesse für die gewählten Fächer getragen werden. Auch in letzterem Fall sollte die Berufswahlintention den Ausschlag für die Wahl eines Lehramts- im Vergleich zu einem Fachstudium geben. Dies zeigt sich z.B. darin, dass Lehramtsstudierende auch nach Einführung von polyvalenten Bachelor-/Master-Studiengängen eine hohe Berufswahlsicherheit aufweisen (Rothland, 2010). Berufswahlmotivationen wurden mit vergleichbaren empirischen Ergebnissen sowohl zur Erklärung der Studienwahl Lehramt (vgl. Pohlmann & Möller, 2010) als auch der Berufswahl Lehramt (vgl. Watt & Richardson, 2007) untersucht. Entsprechend wurde in der vorliegenden Untersuchung die Berufswahlintention fokussiert.
Zukünftige Forschung sollte zum einen differenziertere Kriterien hinsichtlich angestrebter Schulform und Fächerkombination berücksichtigen. Andererseits sollte das Instrument in umfassendere Berufswahlmodelle eingebettet werden und idealerweise die tatsächliche Berufswahl in einer Längsschnittstudie vorhergesagt werden, um den Einschränkungen für die Kausalinterpretation durch die querschnittlichen Designs in der vorliegenden Arbeit zu begegnen.
Integration in die Forschung zu Berufswahlmotivationen bei Lehramtsstudierenden
Die bisherigen Erkenntnisse zu Studien- und Berufswahlmotivationen bei Lehramtsstudierenden (z.B. Biermann et al., 2019; König et al., 2018; Pohlmann & Möller, 2010; Richardson & Watt, 2016) könnten hilfreich sein, wenn die Varianz in der Motivationsausprägung zwischen den Studierenden zur Erklärung von Leistungsunterschieden im Studium oder beruflichem Erfolg verwendet wird. So könnten unterschiedliche Motivationslagen bei Studierenden unterschiedliche Förderungsmaßnahmen oder Unterstützungsbedarfe erfordern. Die bisherige Forschung zu Berufswahlmotivationen bei Lehramtsstudierenden konnte jedoch nicht die Frage beantworten, ob diese Motivationen die Berufswahl Lehramt initial vorhersagen können.
Mit dem FEMOLA-S lassen sich erstmals differenzierte Berufswahlmotivationen für das Lehramt vor der Selbstselektion in ein Lehramtsstudium erfassen. Aus den Zusammenhängen der Motivationen und der lehramtsbezogenen Berufswahlintention der Schülerinnen und Schüler lässt sich ableiten, was am Lehramt Interessierte von nicht Interessierten hinsichtlich ihrer Berufswahlmotivationen unterscheidet. Die Befunde sind anschlussfähig an die bisherige Forschung mit Lehramtsstudierenden, in der diese – ebenso wie die Schülerinnen und Schüler mit einer Berufswahlintention Lehramt – hoch ausgeprägte intrinsische Berufswahlmotivationen berichteten.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigten, dass die Varianz in der Berufswahlintention Lehramt durch intrinsische Berufswahlmotivationen und weniger durch extrinsische erklärt werden kann. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Meinungen von Freunden und Familie und Vorstellungen über die Schwierigkeit des Studiums oder den zeitlichen Umfang des Berufes keine Rolle bei der Berufswahl spielen. Die schwächeren Zusammenhänge mit diesen Motivationen könnten bedeuten, dass sie auch bei den Schülerinnen und Schülern ähnlich ausgeprägt sind, die den Lehrerberuf nicht in Erwägung ziehen, sodass sie nicht diagnostisch für die Wahl des Lehrerberufs sind. Der Befund, dass extrinsische Motivationen eine nachrangige Rolle spielen, bekommt dadurch Relevanz, dass er im Kontrast zu Stereotypen (Ihme & Möller, 2015) und zur medialen Darstellung des Lehrerberufs steht, in der Lehrkräften zumindest in Teilen Motivation und Kompetenz abgesprochen wird (vgl. Blömeke, 2005; Köller, Stuckert & Möller, 2019) und die Wahl des Lehramtsstudiums häufig als Verlegenheitslösung bezeichnet wird (Baier, 2013). Das Stereotyp eines vermeintlich leichteren Studiums ist in den vorliegenden Stichproben keine relevante Motivation für die Wahl des Lehrerberufs.
Beratung und Gewinnung von Schülerinnen und Schülern für das Lehramtsstudium
Die Professionalisierung zukünftiger Lehrkräfte hängt auch davon ab, inwieweit es gelingt, geeignete und motivierte Schülerinnen und Schüler für ein Lehramtsstudium zu gewinnen (OECD, 2005). Maßnahmen zur Ansprache von Schülerinnen und Schülern, um über die Berufswahl Lehramt zu informieren, liegen zwar vor (z.B. Ammelburg, 2019; Zukunftscampus Berlin, 2018), richten sich aber meist an Personen, die das Studium schon anvisieren. Eine Gewinnung von Schülerinnen und Schülern z.B. für Mangelfächer muss jedoch auch diejenigen in den Blick nehmen, die den Lehrerberuf (noch) nicht in Erwägung ziehen. Da die Forschung zu lehramtsspezifischen Berufswahlmotivationen bisher hauptsächlich mit Lehramtsstudierenden unternommen wurde, ist die Befundlage sehr dünn, welche Beweggründe Schülerinnen und Schüler haben, eine Entscheidung für oder gegen ein Lehramtsstudium zu treffen.
Zwei praktische Implikationen lassen sich aus den Ergebnissen ableiten: Zum einen kann der FEMOLA-S als Instrument für die Beratung von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden, um denjenigen, die die passenden Motivationen mitbringen, den Lehrerberuf gezielt vorzuschlagen. Andererseits könnte die Identifikation der berufswahlentscheidenden Motivationen einen Ansatzpunkt bieten, um bei geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten diese Beweggründe zu wecken oder zumindest auszubauen.
Der FEMOLA-S ließe sich in Maßnahmen zur Berufsorientierung oder Self-Assessments für den Lehrerberuf (vgl. Boeger, 2016; Renger, Köller & Klusmann, 2020) integrieren. Während Schlüsselkompetenzen (z.B. BeiL, vgl. Rauin, Kohler & Becker, 1994; FIBEL, vgl. Kanning, Herrmann & Böttcher, 2011), lehramtsspezifische Interessen und Anforderungen (z.B. Lehrer/innen-Interessen-Skalen im Career Counseling for Teachers (CCT), vgl. Mayr, 1998) oder Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Lehrer/innen-Persönlichkeits-Adjektivskala im CCT, vgl. Mayr, 2011) Bestandteile etablierter Self-Assessment-Verfahren für den Lehrerberuf sind, fehlt die Berücksichtigung des Motivationsprofils für die Berufswahl. Der FEMOLA-S erlaubt durch seine berufsunabhängige Formulierung die Bearbeitung durch Schülerinnen und Schüler, die das Lehramt (noch) nicht in Erwägung ziehen. Der FEMOLA-S könnte so helfen, die Schülerinnen und Schüler mit den passenden Motivationen für das Lehramt zu identifizieren, um sie gezielt über das Berufsbild zu informieren und zur Selbstreflektion über die Berufswahl Lehramt anzuregen.
Außerdem könnten die Erkenntnisse der Arbeit helfen, Ansatzpunkte für die Gewinnung von Schülerinnen und Schülern für das Lehramt zu finden. Die Ergebnisse der Studien legen nahe, dass es nicht extrinsische Motivationen sind, die den am Lehramt wenig interessierten Schülerinnen und Schülern fehlen, sondern, dass ihnen die Vorstellung, mit Kindern zu arbeiten, wenig zusagt und dass sie an Wissensvermittlung wenig interessiert sind. Falls diese Einstellungen nur aus fehlender Erfahrung oder mangelnder Reflektion gespeist sind, könnten pädagogische Vorerfahrungen ein Weg sein, um diese intrinsischen Motivationen zu wecken bzw. zu hinterfragen (vgl. Rothland, 2015). Ein Verständnis der zugrundeliegenden Motivationen bei der Wahl des Lehramts ist somit sowohl für zukünftige Lehrkräfte selbst als auch für Forschung in der Lehrkräftebildung gewinnbringend.
Elektronische Supplemente (ESM)
Das elektronische Supplement ist mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000338
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(Zukunftscampus Berlin . (2018). Zukunftscampus. Neue Lehrkräfte für Berlin. Verfügbar unter http://www.zukunftscampus-berlin.de
1Die berichteten Ergebnismuster fanden sich mit und ohne Kontrolle des Geschlechts.
2Für alle drei Studien sind tabellarische Übersichten der Modellgüte und Modellvergleiche mit den Alternativmodellen im Elektronischen Supplement (ESM) 1 dargestellt.
3In allen Studien wurde die Messinvarianz des FEMOLA-S hinsichtlich des Geschlechts der Probandinnen und Probanden geprüft. In Studie 1 und 2 liegt skalare Invarianz und in Studie 3 metrische Invarianz vor. Ergebnisse dieser Analysen sind im ESM 2 berichtet.
4Auch bei latenter Modellierung zeigen sich analoge Ergebnismuster.
5Die Ergebnismuster lassen sich auch ohne Kontrolle des Geschlechts bestätigen.
6Lehramtsberufe sind laut AIST-3 (Bergmann & Eder, 2018) durch die Berufscodes ASI, ARS, ASE, CSI, ECS, IRS, RSI, SAC, RCE, SAI, SAE, SER, SRE, SIA, SIR, SEC, SAR am besten beschrieben. Der AIST-3 ist ein Instrument zur differenzierten Individualdiagnostik und bietet umfassende Auswertungs- und Interpretationsmöglichkeiten. In Studie 3 wird geprüft, ob für die Probandinnen und Probanden eine eindeutige Übereinstimmung des individuellen Codes zu im Manual angegeben Holland-Codes besteht.